Schlaflos in Charlottenburg

Schleppe mich mitten in der Nacht mit schwachen Beinen durch die Wohnung und trage das weinende Töchterlein schaukelnd auf dem Arm. Nehme mir vor, morgen früh einen Kinderpsychologen zu kontaktieren. Dieser soll meine Vermutung diagnostisch bestätigen, dass das arme Kind an einer biorhythmisch Persönlichkeitsspaltung leidet.

Tagsüber ist das Kind ein Musterexemplar eines absoluten Bilderbuch-Babys, wie es allenfalls in der Werbung von Windelherstellern und Babybrei-Produzenten anzutreffen ist. Die meiste Zeit verbringt es mit seligem Schlummern und in den seltenen Fällen, in denen es zu einem akustisch kaum wahrnehmbaren zarten Klagen ansetzt, lässt es sich im Nu durch Stillen beruhigen. Auch das Wickeln lässt das gute Kind klaglos über sich ergehen und stört sich nicht einmal an den väterlichen grobmotorischen Unzulänglichkeiten beim Windelwechseln.

Das tadellose Benehmen am Tage scheint allerdings nur eine Taktik zu sein, um die Eltern in trügerischer Sicherheit zu wiegen. Nachts durchläuft das gleiche liebreizende Kind nämlich eine Metamorphose wie man sie höchsten von den Gremlins kennt, wenn sie nach Mitternacht gefressen haben, und verwandelt sich in ein unleidliches Wesen mit noch schlechterer Laune als Bernd das Brot. Die quengelnde Nachtkreatur hat nur ein minimales Schlafbedürfnis, welches allenfalls auf den elterlichen Armen befriedigt werden will, und all sein Tun scheint darauf ausgerichtet zu sein, die Eltern durch Schlafentzug zu zermürben. Weiterlesen