„What kind of toast?“ Der junge Mann hinter der Coffeeshop-Theke schaute mich fragend an, ich schaute fragend zurück.
Gerade hatte ich im besten mir möglichen Portugiesisch zwei Cappuccinos bestellt. „Dois cappuccinos.“ Ein bitte hatte ich auch noch hinterher geschoben: „por favor“. Man möchte ja kein Tourist mit schlechten Manieren sein. Von Toast war keine Rede gewesen.
Den Satz hatte ich mir vorher zusammengedeeplt. Das mache ich immer im Ausland. Beim Einkaufen oder Essengehen versuche ich, ein paar Worte in der Landessprache zu sagen. Aus Höflichkeit, als Geste des Respekts, um zu zeigen, dass ich ein guter Gast bin. (Und weil ich ein verdammter People Pleaser bin.)
So machte ich das auch vor zwei Jahren in unserem Sommerurlaub in Setubal. Jeden Morgen übersetzte ich vor dem Mini-Mercardo am Handy den Satz „Ich hätte gerne sechs Brötchen, bitte.“ („Queria seis pãozinhos, por favor.“). Sicherheitshalber hörte ich ihn mir noch an, dann schritt ich mutig zur Tat und zur Brottheke.
Das funktionierte alles in allem ganz wunderbar. Abgesehen davon, dass wir zwei Wochen lang die gleiche Sorte essen mussten. Es war mir einfach zu herausfordernd, den Satz „Zwei davon, zwei davon und zwei von diesen appetitlich aussehenden Milchbrötchen.“ zu erlernen („Dois deles, dois deles e dois destes pãezinhos de leite de aspeto apetitoso.“)

In dem Coffeeshop in Porto lief die Bestell-Konversation weniger geschmeidig. Da stand die Toast-Frage im Raum und ich wusste nicht warum. Zur Klärung des Sachverhaltes reichte mein zusammengedeepltes Drei-Wort-Sätze-Portugiesisch nicht aus, ich musste ins Englische wechseln.
„Sorry, just cappuccinos“, versuchte ich das Missverständnis aufzuklären.
„Ah“, erwiderte der junge Mann und seine Miene hellte sich auf. Zu Unrecht, wie sich mit seinem nächsten Satz herausstellte. „A cappuccino and a toast.“
„No, no. Two cappuccinos“, bemühte ich mich erneut Klarheit in meine Bestellung zu bringen. Erneut ohne Erfolg.
„Okay. Two cappuccinos and one toast.“
Was hat der Typ die ganze Zeit mit seinem Toast? Waren hier vielleicht irgendwo Kameras versteckt, und musste ich damit rechnen, dass gleich Barbara Schöneberger aus einem Schrank springt und ruft: „Verstehen Sie Spaß?“
Dann dämmerte mir, dass meine teutonische Zunge die Aussprache von dois nur suboptimal hinbekommen hatte, an dem portugiesischen Ohr des Barristas war etwas anderes angekommen und deswegen dachte er, ich wolle Toast.
Wie unangenehm. Der junge Mann musste mich für einen ungehobelten Klotz gehalten haben, für einen Touri aus der Hölle, der sich vor ihm aufbaut und „Toast, Cappuccino.“ sagt. Fast in Gutsherrenart. Zum Glück hatte ich noch das „por favore“ ergänzt. Keine Ahnung, was er da verstanden hat.
„Sorry, this is a misunderstanding“, erklärte ich. „I tried to order in Portuguese. I just want two cappuccino.“
„I understand“, antwortete der junge Mann und verstand nichts. „You want two cappuccinos. And what kind of toast would you like?“
Um diese dadaistisch anmutende Unterhaltung nervlich zu überstehen, hätte ich dringend ein Kaffeegetränk benötigt. Aber vor mir hatte sich die Toast-Frage aufgebaut wie Gandalf, der Graue, vor dem Balrog auf der Brücke von Khazad-dûm und ließ mich nicht zu meinem geliebten Koffein.
„I only want cappucino, no toast”, erwiderte ich mit zunehmender Verzweiflung.
„Okay. One cappucino?“
Meine Augenlider zuckten mit der Geschwindigkeit von Kolibriflügeln, ich stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch.
„No, two.“
„Excellent. Two cappucinos. Anything else? Something to eat? Maybe a toast?”

Möglicherweise denken Sie, das Toast-Cappuccino-Fiasko sei meinem mangelnden Fremdsprachen-Talent geschuldet, und damit liegen Sie sicherlich nicht gänzlich falsch. Aber Portugiesisch weist einen recht hohen Komplexitätsgrad auf, der einem die Anwendung nicht gerade leicht macht.
Die portugiesische Sprache verfügt über neun einfache und fünf nasale Vokale, dazu zehn normale und fünf nasale Diphtonge und 25 Konsonanten. Bei der Hälfte dieser Fachvokabeln – konservativ geschätzt – weiß ich nicht, was sie bedeuten, aber Wikipedia sagt das und dem wollen wir jetzt einfach mal Glauben schenken.
Die Aussprache vieler portugiesischer Wörter ist – wie es eine Schulfreundin meiner Frau ausdrückte – „erwartungswidrig“. Je nachdem wo ein Buchstabe steht und abhängig davon, welche Buchstaben davor oder danach kommen, ändert sich die Lautung gravierend. Für Nicht-Muttersprachler ein Mysterium, über das Jonathan Frakes mehrere X-Factor-Folgen drehen könnte.
So sollte man nicht davon ausgehen, dass ein s wie ein s ausgesprochen wird, sondern häufig wie eine Mischung aus sch und ch (ch wie in Kirche nicht wie in Krach.) Zum Beispiel am Wortende (adeus (Auf Wiedersehen)) oder vor stimmlosen Konsonanten (was auch immer das ist). (gosto (Geschmack), castanho (braun).
Ein x nach einem i, wird ebenfalls zu einem sch-Laut (baixa (tief)), das j ebenso (jardim (Garten) genauso wie ein g vor einem e oder i (gelo (Eis) girafa (Giraffe). Wenn Sie beim Portugiesisch reden wahllos hier und da ein sch einstreuen, liegen Sie damit tendenziell eher richtig als falsch.
Um das alles nicht zu einfach zu machen, unterscheiden sich die ganzen sch-Laute selbstverständlich in Nuancen. Da ist für einen Ausländer die korrekte Aussprache nahezu unmöglich. Außer du bist Rheinländer und hast einen Kranz Kölsch intus.
Dazu kommt, dass Portugiesisch nicht gleich Portugiesisch ist. Die Varianten in Portugal und in Brasilien unterscheiden sich zum Teil erheblich. In Portugal soll die Aussprache holpriger und nuscheliger sein. (Was betüdelten Rheinländern ebenfalls entgegenkommt.)
Meine Frau meint, Portugiesisch höre sich manchmal ein bisschen wie Russisch an. Aber sanfter und netter. Ein Satz, mit dem sie wahrscheinlich sowohl Russen als auch Portugiesen gegen sich aufbringt. Ich finde, da ist trotzdem etwas dran.
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Weil Portugiesisch zu den romanischen Sprachen zählt, kommen einem einige Vokabeln aus dem Französischen oder Italienischen, aber auch dem Englischen, bekannt vor. Zum Beispiel familia, banana oder água.
Viele Worte lassen sich allerdings überhaupt nicht herleiten. Insbesondere wenn man der französischen oder italienischen Sprache nicht mächtig ist.
- Ein cabeleireiro ist der Friseur, könnte für mich aber auch ein Pferdedompteur sein.
- Die Feuerwehr sind die bombeiros, was sich auch gut als Bezeichnung für eine Gruppe gewaltbereiter Hooligans machen würde. (Lisboa Bombeiros)
- Der Pflasterstein heißt Paralelepipedo, wäre jedoch ebenso gut als Name für ein Clownsduo vorstellbar.
Eines meiner portugiesischen Lieblingswörter ist Bolas de Berlim. Das sind Berliner. (Das Gebäck, nicht die Bewohner der deutschen Hauptstadt.) Direkt übersetzt sind es Berliner Bälle, womit auch die Hoden von Rolf Eden gemeint sein könnten.

Trotz meines spektakulären Scheiterns in dem Coffeeshop in Porto bin ich ab und an mutig und bestelle im Café auf Portugiesisch. „Uma Pastel de Nata e uma bica, por favor.“ Ziemlich flüssig, wie ich finde. Meistens antwortet die Bedienung dann auf Englisch.
Manchmal auch nicht. Einmal fragte mich die Kellnerin etwas zurück und ich musste beschämt auf Englisch sagen, dass ich gar kein Portugiesisch spreche. Besonders überrascht wirkte die Frau nicht.
Wenn ich nicht mutig bin, gebe ich meine Bestellung gleich in Englisch auf, sage zum Schluss aber „por favor“ und sicherheitshalber auch noch „obrigado“. Dabei schaue ich stolz wie ein Hündchen, dass einen Ball apportiert hat und nun erwartet, den Kopf getätschelt zu bekommen.

Normalerweise vermeide ich, direkt mit Englisch loszulegen. Ich finde das unhöflich, den Portugiesen eine andere Sprache aufzuzwängen, ohne zu wissen, ob sie diese überhaupt verstehen. Ich bin schließlich kein Amerikaner.
Daher habe ich mir den Satz erdeepelt: „Entschuldigung, sprechen Sie Englisch?“ („Desculpe, fala inglês?“)
Was vollkommen unnötig ist, weil hier ohnehin jeder und jede Englisch spricht. Das ist, als würdest du in Portugal jemanden fragen, ob er findet, dass Ronaldo gut Fußball spielt. Da lautet die Antwort auch immer ja.
Als ich einmal in einer Pasteleria mein Fragesätzchen aufsagte, konnte der Verkäufer daher sein Augenrollen kaum verbergen. Und mit „kaum verbergen“ meine ich, dass seine Augen fast aus der Höhle gekullert sind, so sehr hat er sie gerollt.

Bei einem Besuch auf der Post sprach das Personal dort allerdings erstaunlich wenig Englisch. Da ich einen großen Umschlag in der Hand hielt, war für die Frau am Schalter aus dem Kontext aber wohl ersichtlich, dass ich diesen verschicken wollte. Vielleicht dachte sie aber auch, ich möchte ihn entsorgen und hat ihn weggeschmissen. Wir werden das erst wissen, wenn der Brief angekommen ist.

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Sehr häufig werden wir direkt auf Englisch angesprochen. Weil wir doch mehr nach Touristen aussehen, als wir wollen. Und weil wir uns an typischen Touristen-Orten aufhalten. Tatsächlich reden hauptsächlich Obdachlose, die nach Geld fragen, Portugiesisch mit mir.
Und die Kassiererinnen im Supermarkt, wenn sie beim Einscannen der Waren etwas fragen. Ich antworte dann immer mit „no, obrigada“ und hoffe, sie wollten nur wissen, ob ich eine Tüte brauche, und nicht, ob ich gerne einen Einkaufsgutschein im Wert von 50.000 Euro geschenkt haben möchte.

Vor ein paar Tagen schickte mir meine Frau ein TikTok-Video zu den Stolperfallen des Wortes pão (Brot). Dieses wird nasaliert ausgesprochen, was auch immer das heißt.
Betonst du es dagegen nicht nasaliert, wird aus pão pau. Was im brasilianischen Portugiesisch so viel wie Schwanz heißt und damit ist nicht die Rute eines Hundes gemeint.
Nachdem ich das Video angeschaut hatte, kam mir der Gedanke, dass ich in unserem Setubal-Urlaub beim Brötchenkauf möglicherweise zwei Wochen lang kleine Penisse bestellt habe.
Vielleicht ist es doch höflicher, wenn ich nicht versuche, Portugiesisch zu sprechen.

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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Großartig! Ich hätte vermutlich auch den Toast (oder die Toastada?) genommen um endlich aus dieser Situation zu kommen 😀
😃
Vielleicht war das ja der Plan?
Eigene Erfahrung aus meiner allerersten Reise nach Portugal vor gefühlt 100 Jahren war eine Pressereise in den Norden, und der Veranstalter gab uns ein paar Tipps vorab zur Aussprache.
Ich hab das alles und viel mehr ja in zwei Büchern zusammengefasst. Hier ein kleiner Auszug:
>>Geübt haben wir das Ganze mit dieser merkwürdigen Aussprache auf einer der ersten Stationen unserer Tour, und zwar mit dem Namen eines kleinen Wallfahrtsorts in der Nähe von Braga. Das Kirchlein nennt sich Bom Jesus do Monte (»Guter Jesus vom Berg«). Selbst Spanisch sprechende Kollegen hatten keine Chance, denn bei den Portugiesen klingt das in etwa so: »bmschuschdmont«. So etwas kann ein Nicht-Portugiese erstens wirklich nicht verstehen und zweitens am besten mit einem gewissen Alkoholpegel aussprechen.<>Die Portugiesen reden drauflos, ganz und gar nicht südlich-gemütlich, sondern rasend schnell. Außerdem ziehen sie meistens die Silben zusammen, »vernuscheln« ganze Sätze und lassen bei der Aussprache den einen oder anderen Vokal weg.<>Fahren Sie mal mit der Vorortbahn von Lissabon nach Cascais. Ihr Ziel ist kurz vor der Endstation im kleinen Ort Monte Estoril. Sie wollen da raus? Ich möchte darauf wetten: Sie werden den Ausstieg verpassen! Zumindest dann, wenn Sie sich nur auf Ihre Ohren verlassen. Oder könnten Sie auf die Schnelle mitkriegen, was »monschdrihl« bedeuten soll? Bis man das verstanden hat, fährt der Zug schon weiter…<<
Weiterhin viel Spaß in Lissabon und Portugal!
Ich fand auch das Aussprechen und Erhören von Cascais herausfordernd.
Ich hab die ganze Zeit überlegt, ob es vielleicht ein Angebot gab. Zu jedem Cappuccino einen Toast:-)
Aber herrlich zu lesen, wenn man selbst nicht in der Situation ist.