Irisches Tagebuch, 09. Juni | Dublin: Wo sind all die Tiere hin?

Wir waren wandern. In Irland. Hier gibt es den Bericht. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Ihnen Ihre Lebenszeit nichts wert ist und Sie alle Beiträge der Irischen Tagebücher lesen möchten, werden Sie hier fündig.


6 Uhr. Ich bin wach. Hellwach. Wenigstens schlafe ich seit zwei Tagen ein Stündchen länger und wache nicht mehr zu meiner üblichen Berliner Weckerklingeln-unter-der-Woche-Uhrzeit in auf. (Nimm das, Kapitalismus!)

Recherchiere am Handy nach Frühstücksoptionen. Die Auswahl ist riesig. In Dublin haben in den letzten Jahren viele neue Cafés mit nachhaltigen, ökologisch tadellosen und sozial unverdächtigen Angeboten aufgemacht. Die verwendeten Zutaten sind selbstverständlich regional, bio, fair, häufig vegetarisch, manchmal vegan. Schon beim Lesen fühle ich mich gesünder und moralisch gut. Die Speisen reichen von Seitan-Würstchen über glutenfreie Sandwiches, Smoothie-Bowls, Humus auf Dinkel-Toast, Chia-Porridge bis zu Avocado-Bagels und vielem mehr, was das Öko-Hipster-Herz erfreut. Komme mir vor wie ein Character in einer Sims Special Edition „Prenzlauer Berg“.

Die Fülle der Cafés überfordert mich. Ich habe keine Ahnung, wo wir hingehen sollen. Beim Wandern war das einfacher. Da hattest du dein B+B, es gab einen Frühstücksraum, du konntest aus drei bis vier Gerichten auswählen, dazu wurde Filterkaffee getrunken und fertig war die Laube. Beziehungsweise das Frühstück.

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Irisches Tagebuch, 08. Juni | Bus- und Zugfahrt – Von Dingle nach Dublin

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6 Uhr. Wache durch ein summiges Brummen auf. Oder ein brummiges Summen. Wenigstens eine Stunde später und nicht durch meinen inneren protestantischen Arbeitsethiker. Dafür durch eine Wespe von beachtlicher Größe – und Lautstärke –, die sich in unserem Zimmer verirrt hat.

Die Wespe fliegt am Fenster hin und her, um einen Ausgang zu finden. Kaum dotzt sie 38-mal gegen die Scheibe und schon bemerkt sie, dass der geöffnete Fensterspalt den Weg nach draußen ermöglicht. Genau der Spalt, durch den sie zwei Minuten vorher reingeflogen kam. Wenigstens schafft sie es allein in die Freiheit und ich muss nicht aufstehen, um sie rauszubefördern.

Nun bin ich hellwach. Auf der Nachbarweide sind die Kühe zurück. Sie kauen erstaunlich geräuschvoll. Ich könnte meine Frau wecken und sie darüber informieren, lasse es aber lieber bleiben. Ein paar frühe Vögel, auf der Suche nach dem Wurm, zwitschern lautstark. In der Ferne miaut eine Katze. In die ländliche Tiergeräusch-Idylle mischt sich das sonore Schnarchen aus dem Nachbarzimmer.

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Irisches Tagebuch, 07. Juni | Etappe 4: Von Dunquin nach Cuas

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Wache wieder kurz nach 5 auf. Versuche meinem Körper klarzumachen, wir wären im Urlaub und müssten nicht arbeiten. Er könnte ruhig noch zwei Stündchen schlafen, das wäre gar kein Problem, sondern voll supi. Mein Körper antwortet nicht, schläft aber auch nicht mehr ein. (Vielleicht mag er es nicht, wenn jemand „voll supi“ sagt.)

Ich weiß nicht, welcher Wochentag ist und im wievielten B+B wir geschlafen haben. Ich sehe das positiv. Als Zeichen maximaler Erholung und Entspannung und nicht des fortschreitenden Verfalls meines Denk- und Erinnerungsvermögens. Außerdem weiß ich noch, was ich jeden Morgen zum Frühstück hatte. So schlecht kann es um mein Gedächtnis nicht bestellt sein. Vielleicht ist das meine Inselbegabung. Oder ich bin so verfressen, dass ich immer an Essen denke.

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Irisches Tagebuch, 06. Juni | Etappe 3 – Von Dingle nach Dunquin

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Heute Morgen konfrontieren meine Frau und die Tochter mich mit schweren Anschuldigungen: Ich hätte heute Nacht geschnarcht. Das kann nicht stimmen, denn ich schnarche nie. Aufgrund der vielen Burger der letzten Tage kann es allenfalls sein, dass ich im Schlaf geringfügig lauter geatmet habe. Egal, ohne audiovisuellen Beweis weise ich diese infame Unterstellung entschieden zurück. Und ohne Anwalt werde ich mich nicht weiter äußern. Ich habe alle Folgen Boston Legal geschaut, da weiß ich, wie ich mich in solchen kniffligen Situationen juristisch schadlos halte.

Ich glaube, meine Frau und die Tochter sind einfach schlecht gelaunt. Die mehr als 40 Kilometer Wanderung der letzten beiden Tage haben ihre Spuren hinterlassen. Meine Frau klagt über zwickende Waden, die Tochter hat zwei Blasen an den Füßen. Ich spüre lediglich meine Hüftknochen etwas stärker als gewöhnlich. Richtig schlimm ist es nicht, ich betone es aber trotzdem. Damit ich nahbarer und Teil der Gruppe bin. Insbesondere nach den Schnarch-Anschuldigungen. (Den unbewiesenen Schnarch-Anschuldigungen, wie ich betonen möchte.)

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Irisches Tagebuch, 05. Juni | Etappe 2: Von Annascaul nach Dingle

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Wache auch heute pünktlich um 6 Uhr auf. Der arbeitswütige Preuße ist stark in mir. In Deutschland ist es jetzt 7. Wenn alles gut läuft, steht der Sohn gerade auf und geht zur Schule. Wenn nicht alles gut läuft, sammelt er ein paar unentschuldigte Fehlstunden.

Kontrolliere meine Mails. Eine Mrs. Cynthia Eddie schreibt. Sie habe eine Spende in Höhe von 9.500.000 Euro für mich. Bei den irischen Pub-Preisen käme mir ein Millionenbetrag sehr gelegen.

Körperlich geht es uns allen nach der gestrigen Wanderung gut. Es sind keine Blessuren zu vermelden. Eine wandererfahrene Kollegin meiner Frau meinte, schlimm wäre erst der dritte Tag. Danke für den Pep-Talk.

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Irisches Tagebuch, 04. Juni | Etappe 1 – Von Camp nach Annascaul

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Wache um 5 Uhr auf. In Deutschland ist es jetzt 6. Um diese Zeit klingelt immer mein Wecker. Auch im Urlaub bin ich ein gut konditionierter Lohnabhängiger des Kapitalismus.

Draußen gurren ein paar Tauben. Sehr ausdauernd, sehr laut und sehr penetrant. Wie in Berlin. Nur ohne Straßenlärm.

Liege zwei Stunden wach, kurz nach 7 schlafe ich ein. Eine Viertelstunde später reißt mich der Handywecker aus dem Tiefschlaf. Ich fühle mich wieder wie gerädert und weiß immer noch nicht, was das bedeutet.

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Frühstück. Für unsere Wanderung müssten wir uns ordentlich stärken, meint unsere B+B-Landlady Sorcha. Sie schlägt ein Full Irish Breakfast vor. Ich bin zwar noch satt vom gestrigen Abendessen, willige aber trotzdem ein. Erstens will ich nicht widersprechen und zweitens möchte ich später nicht irgendwo auf dem Wanderweg zusammenklappen, weil ich mich der morgendlichen Nahrungsaufnahme verweigert habe.

Der kleine Frühstücksraum ist hell eingerichtet und bietet Platz für vier Tische. Außer uns frühstücken noch zwei irische Frauen aus Dublin. Sie sind ungefähr unser Alter. Vielleicht auch nicht. Ich verschätze mich bei so etwas häufig. Die beiden denken wahrscheinlich: „Außer uns sitzt eine deutsche Familie im Frühstücksraum. Die beiden Eltern sind ungefähr fünf bis zehn Jahre älter als wir. Eher fünfzehn.“

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Irisches Tagebuch, 03. Juni | Zugfahrt – Mit der Ir’schen Eisenbahne

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7 Uhr. Ich wache langsam auf. Fühle mich wie gerädert. Komischer Ausdruck. „Sich wie gerädert fühlen.“ Ich weiß nicht, was rädern ist, ohne Google zu bemühen, und damit auch nicht, wie du dich dabei fühlst.

Meine Augenlider sind bleischwer. Das kann ich mit Bestimmtheit sagen. Kein Googeln erforderlich. Es kostet mich nahezu unmenschliche Kraft, sie zu öffnen. Erst das linke, dann das rechte. Draußen ist es schon hell und die Sonne scheint durch das Rollo des Hotelzimmer-Fensters.

Unten auf der Straße unterhalten sich zwei Männer.

„Good morning. How are you?”
“Fine, fine, thank you. How are you?”
“Very good. Thank you.”
“The weather is lovely, isn’t it?“
„Indeed, indeed.“

Es entwickelt sich nun eine mehrminütige Unterhaltung darüber, wie warm es ist, wann es das letzte Mal so warm war, wie lange es noch warm sein soll und ab wann es wieder regnen wird.

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Irisches Tagebuch, 02. Juni | Anreise – Da wackelt nichts

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14.30 Uhr. Letzter prüfender Blick ins Wohnzimmer, ob da nichts mehr rumliegt, was wir mitnehmen wollen, sehe aber nichts dergleichen. Die letzte Arbeitswoche war sowohl bei meiner Frau als auch bei mir etwas hektisch und die Reisevorbereitung damit nicht besonders systematisch und entspannt. Bin mir deswegen sicher, dass wir irgendetwas vergessen werden.

Das muss aber nicht sein. Das denke ich vor jedem Urlaub, egal wie systematisch und entspannt die Vorbereitung war.

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Trotz aller Hektik haben wir den Koffer bereits gestern Abend gepackt. Beziehungsweise die Koffer. Zur Entlastung der Urlaubskasse hatten wir uns auf ein Gepäckstück beschränkt. Ursprünglich. Für einen mehrtägigen Wanderurlaub benötigst du allerdings recht viel Schuhwerk und das nimmt recht viel Platz weg. Folglich standen wir vor der Wahl, keine Unterwäsche mitzunehmen oder einen zweiten Koffer nachzubuchen. Wir entschieden uns für den zweiten Koffer. Der wog zum Glück knapp unter zehn Kilo. 9,9. Zumindest auf unserer fünfzehn Jahre alten Badezimmer-Waage. Hoffen wir einfach, die Flughafenwaage misst genauso genau. Oder ungenau. Hauptsache unter zehn Kilo.

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Irisches Tagebuch 2023 | Vorbereitung: Wie alles begann

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Hätte mir vor zehn Jahren jemand gesagt, ich würde mal einen Wanderurlaub machen, hätte ich das kategorisch ausgeschlossen und die geistige Gesundheit dieser Person angezweifelt.

Wanderurlaub war ein Wort, das für mich keinen Sinn ergab. Ein Widerspruch in sich. Ein Paradoxon, um hier mal ein Fremdwort einzuwerfen und Niveau vorzutäuschen.

Laut Wikipedia, der Göttin des Wissens, ist Wandern „eine Form des weiten Gehens über mehrere Stunden“, der Deutsche Wanderverband definiert Wandern als „Freizeitaktivität mit unterschiedlich starker körperlicher Anstrengung“. Urlaub stand dagegen für mich für Entspannung und Erholung, die du durch Nichtstun und Faulenzen erzielst.

Wandern ist aktiv, Urlaub passiv. Das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun. Überhaupt nichts. Das war nicht wie Ying und Yang oder zwei Seiten einer Medaille, etwas, das sich ergänzt, sondern schloss sich aus. Wie Feuer und Wasser, Eis und Sonne oder Käsekuchen und Rosenkohl.

Außerdem waren mir Wanderer suspekt. Für mich waren das kernige Mittsechziger mit sonnengegerbter Haut, die ins Reformhaus gehen, sich Darmflora schonend ernähren und praktische, aber hässliche Klamotten tragen. Das entsprach nicht meinem Selbstbild.

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