Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
13. Januar 2025, Berlin
Werbung auf Insta für eine Foodtracking-App. Anhand von Fotos, die du von Lebensmitteln knipst, spuckt diese Informationen zu Nährwertangaben und Kalorien aus. Bebildert ist das mit einem Kinder-Bueno-Riegel und einer Banane. Unter dem Schokoriegel steht ein Daumen-runter-Emoji, unter der Banane geht der Daumen nach oben.
Auch auf die Gefahr hin, wie ein fortschrittsfeindlicher Boomer zu klingen: Für diese Einschätzung brauche ich keine App. Eine App, die mir immer, wenn ich nach einem Riegel greife, eine Ohrfeige verpasst, nähme ich dagegen sofort.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
06. Januar 2025, Berlin
Gestern Abend hatte es geschneit, die Gehwege und Bäume waren weiß gezuckert, unsere Straße präsentierte sich fast schon als idyllisches Winterwonderland. (Lediglich leichte Abzüge in der B-Note für das Dixieklo, das vor dem Nachbarhaus steht.)
Nachts dann Regen, für heute sind zweistellige Temperaturen angesagt, an den gestrigen Schnee erinnern nur noch ein paar schmutzige Matschreste am Straßenrand. Von Idylle keine Spur mehr. Wie es sich für den ersten Montag des Jahres gehört.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
30. Dezember 2024, Berlin
Jahresendeinkauf bei Penny. Die Situation im Eingangsbereich ist unübersichtlich. Die einen warten auf Einkaufswägen, die anderen stehen am Pfandautomaten an.
Ein abgerissener Typ spricht mich an. Ob ich auch Pfand zurückgeben wolle. Ich verneine, ich bräuchte einen Wagen.
Dann fragt er unvermittelt, ob ich ABBA kenne. „Die Band?“, frage ich zurück. Er nickt. „Ja“, erwidere ich zögerlich. „Die Lieder habe ich gesungen“, sagt er. „In einer Cover-Band?“, frage ich. Er schüttelt den Kopf. „Die Lieder sind von mir.“ Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Vor allem weil er danach sagt: „Die von den Beatles auch. Und von Tupac.“
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
25. Dezember 2024, Berlin/Westerburg
Kurz nach 11. Im Zug auf dem Weg zum Weihnachtsbesuch im Westerwald. Meine Frau, die Tochter und ich sitzen in einem 6er-Abteil. Meiner Stimmung ist das nicht besonders zuträglich. Und mit „nicht besonders“ meine ich „überhaupt nicht“. Ich mag 6er-Abteile nicht. Du bist fremden Menschen auf engstem Raum ausgeliefert, kannst deine Beine nicht ausstrecken und meistens ist es stickig.
In einer Mischung aus schlechtem Zeitmanagement, Stress und Trägheit konnte ich mich erst vor drei Tagen um die Tickets kümmern, was dazu führte, dass es in keinem einzigen Großraum-Abteil mehr drei freie zusammenliegende Plätze gab. Ihre Antwort spektakulär fehleinschätzend fragte ich meine Frau, ob sie lieber zusammen im Abteil oder verstreut im Großraum sitzen möchte, sie entschied sich für das Gemeinschaftserlebnis im 6er-Abteil.
Das war doof, nun konnte ich nicht mehr sagen, dass ich mich auf keinen Fall zu sechst mit mir unbekannten Personen einpferchen lassen möchte, denn dann hätte ich sie ja gar nicht erst fragen müssen. Stattdessen hätte ich die Einzelplätze reservieren und gegebenenfalls erklären können, dies wären die einzigen noch freien gewesen. (Kleingeistige Moralapostel bezeichnend dies möglicherweise als Lüge, für mich fällt das in einer langjährigen Paarbeziehung unter harmoniefördernde Diskussionsvermeidung.)
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
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09. Dezember 2024, Berlin
Heute ist Welt-Anti-Korruptionstag. Den nehme ich das erste Mal bewusst wahr. Weil meine Frau letzte Woche am ersten Tag der Adventskalender-Verlosung im Ministerium gezogen wurde. Die potenziellen Gewinne: Geschenke, die Ministeriums-Mitarbeitende nicht annehmen durften, weil sie über der 10-Euro-Compliance-Grenze lagen. Stattdessen mussten sie im Korruptions-Referat abgegeben werden. (Meine Frau nennt das Referat so. Ich glaube aber, das heißt eher Anti-Korruptions-Referat oder so ähnlich.)
Die gesetzesnonkonformen Präsente werden nicht vernichtet, sondern zum Jahresende verlost. Mir scheint, dass dieses Vorgehen, die Grenzen der Regeln zur Verhinderung von Vorteilsannahmen bis aufs Äußerste ausreizen. (Oder wie es bei Japser Ffordes „Shades of Grey“ heißt: „loopholery at its best“.
Meine Frau wusste zunächst nicht, was sie gewonnen hatte. Ihren Preis bekam sie nach ein paar Tagen per Hauspost zugestellt. So lange durfte sie auf eine goldene Uhr hoffen, die möglicherweise der Ministerin überreicht worden war. Der Gewinn entpuppte sich dann als weniger glamourös und noch weniger luxuriös: Es war eine 0,3-Liter-Trinkflasche. Oder wie ihr Kollege sagte: „Wer zur Hölle gibt so etwas im Korruptionsreferat ab?“
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
02. Dezember 2024, Berlin
Die Black Week ist rum, dafür ist heute Cyber Monday. Deswegen weiter Insta-Werbung noch und nöcher. Ich bekomme ein Angebot von Masterclass eingespielt. Für den Kurs: „Connect with anyone. Learn CIA-proven tactics to build better relationships.”
So gut kennt mich der Algorithmus doch nicht. Ich möchte keine „better relationships“ bilden. Im Gegenteil. An einem Kurs: „Avoid everybody. Learn CIA-proven tactics to go into hiding” wäre ich mehr interessiert.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Der Sohn muss heute Abend nicht arbeiten, so dass wir einen vorweihnachtlichen Familienpflichttermin wahrnehmen können: Ausstechplätzchen backen. Das machen wir seit fast 20 Jahren. Die Vorweihnachtszeit beginnt erst, wenn wir gemeinsam Plätzchen gebacken und die Küche in ein Chaos aus Mehl, Zuckerstreuseln und Teigresten verwandelt haben.
Weihnachtsmusik, damit wir je nach Lied in besinnliche oder beschwingte Stimmung kommen.
Sekt, damit die Plätzchenausstecherei leichter von der Hand geht.
Teig, damit wir überhaupt etwas zum Ausstechen haben.
Nach einem Rezept meiner Großmutter väterlicherseits backen wir immer „feines Buttergebäck“. Um dieser Bezeichnung gerecht zu werden, kommen auf 500 Gramm Mehl anderthalb Päckchen Butter. Bei den gegenwärtigen Butterpreisen macht das die Plätzchen zur Dubai Schokolade unter dem Weihnachtsgebäck.
29. November 2024, Berlin
Weil ich mich in den letzten Tagen so viel mit Werbung beschäftigt habe, sorgt sich Insta anscheinend um meine Arbeitsmoral. Heute ist das erste Angebot ein Pomodoro-Timer. Damit kannst du deine Arbeitszeiten tracken und dich dazu zwingen, mindestens 45 Minuten am Stück zu arbeiten.
Dazu könnte ich zur besseren Organisation meines Schreibtisches und zur Steigerung meiner Produktivität ein längliches, formschönes Aufbewahrungsbehältnis kaufen. Darin kann ich Stifte und kleinere Büromaterialien wie Büroklammern oder Haftnotizen verstauen, zusätzlich gibt es eine Halterung fürs Handy und mit einem Spezialmarker (nicht im Angebot enthalten) auf der schwarzverspiegelten Abdeckung To-Dos notieren. Das kann ich selbstverständlich auch auf Schmierzetteln, aber die sehen nicht so chic aus.
Damit ich mich nicht so leicht durch die Verlockungen des Internets ablenken lasse, bekomme ich eine Tastatur mit Minimonitor vorgeschlagen, auf dem du lediglich siehst, was du gerade tippst. Quasi eine elektrische Schreibmaschine ohne Papier.
Der handliche kleine Etikettendrucker könnte meinen Arbeitsalltag ebenfalls erleichtern. Ich drucke zwar nie Etiketten aus, aber das liegt möglicherweise einfach daran, dass mir dazu das Equipment fehlt.
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Seit letzter Woche schauen meine Frau und ich alle James-Bond-Filme in chronologischer Reihenfolge. Begonnen haben wir mit „James Bond jagt Dr. No.“ mit Sean Connery (1962), inzwischen sind wir bei „Octopussy“ mit Roger Moore (1983) angelangt.
Für heutige Sehgewohnheiten ist unsere James-Bond-Retrospektive herausfordernd. Die Kampfszenen der frühen Filme sind beispielsweise auf eine Art und Weise choreografiert, dass ich mir durchaus zutrauen würde, dabei mitzumischen, ohne dass es einen qualitativen Abfall gäbe. Die schauspielerische Leistung der Komparsen ist eher so Niveau Laienschauspieler-Truppe, die an Heiligabend in der Kirche die Weihnachtsgeschichte aufführt. Ohne vorher jemals geprobt zu haben.
Der tendenziell dünne Plot leitet in erster Linie von einer Actionszene zur nächsten über. Dazwischen kommt die ein oder andere Bettgeschichte. Aber ich glaube, das ist bei den neueren Bond-Filmen auch nicht anders.
Aus heutiger Sicht schwer erträglich ist die Darstellung von Frauen. Der häufigste Satz der weiblichen Charaktere ist ein geschmachtetes „Oh James.“ Anschließend fallen sie ihm in die Arme und er küsst sie.
Ohnehin bin ich nach dreizehn 007-Filmen zu dem Schluss gekommen, James Bond muss hochgradig sexsüchtig sein. Anders ist nicht zu erklären, warum er, sobald er eine Frau erblickt, sofort an Beischlaf denkt, und alles daran setzt, diesen zu vollziehen.
Vielleicht sollte er das mal therapeutisch aufarbeiten. Dann würde er möglicherweise auch weniger Klapse auf den Po verteilen und nicht andauernd Frauen gegen ihren Willen küssen. Wobei diese ihren Widerstand immer schnell aufgeben und dann begeistert mitmachen. Denn wir wissen ja alle, dass nein gar nicht nein heißt und Frauen sich nur ein wenig zieren.
Ansonsten scharwenzelt James Bond durch die Filme wie ein schmieriger Onkel auf Familienfeiern, der anzügliche Komplimente verteilt. Das findest du allenfalls lustig, wenn du Admin der Facebook-Gruppe „Früher saßen wir auf der Fahrt nach Italien noch unangeschnallt auf der Rückbank, während Vaddi vorne zehn Stunden gequarzt hat, und das hat uns auch nicht geschadet“ bist.
Ich freue mich dagegen schon auf „Sag niemals nie“. Da haut Barbara Carrera alias Fatima Blush James Bond ordentlich aufs Maul.
30. November 2024, Berlin
Der Black Friday ist Vergangenheit, die Werbeangebote nehmen trotzdem nicht ab. Zum Beispiel für ein Kartenset für Strategic Storytelling, mit dem du fesselnde Präsentationen entwickeln kannst. Das habe ich mir aber schon vor anderthalb Jahren gekauft und noch nie benutzt.
Eher verwenden würde ich eventuell die Mini-Digitalkamera in Schlüsselanhänger-Größe. Die schießt Fotos in 80er-Jahre-Optik. Dafür könnte ich mir sicherlich auch einen Filter fürs Smartphone runterladen, aber dann hätte ich nicht die niedliche Kamera.
01. Dezember 2024, Berlin
Insta ist weiterhin zuversichtlich, dass ich doch ein Instrument erlernen könnte, und spielt mir eine Werbung für Gitarren für Kinder ein. Vom gleichen Anbieter des Designer-E-Pianos. Die Gitarren sehen auch sehr gut aus. Vielleicht kaufe ich beide und stelle sie ins Wohnzimmer. Als Blickfang.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
25. November 2024, Berlin
Finde in meiner Inbox eine Mail von Brunobett. Unser Schlafsofa, das wird dort gekauft haben, werde heute zwei. Ich weiß nicht, was ich mit dieser Information anfangen soll.
Wie feiert man den Geburtstag eines Schlafsofa? Mit einem Geburtstagsständchen am Morgen? Wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst? (Passt eigentlich.) Ob es sich etwas zum Geburtstag wünscht oder einen Lieblingskuchen hat, ist mir ebenfalls unbekannt.
Aber eins weiß ich definitiv: Auch bei Schlafsofas gilt die alte Kindergeburtstagsregel: Pro Lebensjahr darf nur ein Gast eingeladen werden.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
18. November 2024, Berlin
Heute ist Tag des Okkultismus. Angesichts der innen- und geopolitischen Lage fände ich einen Tag des Exorzismus wünschenswert.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Auf dem Bürgersteig kommt mir ein Mädchen auf dem Fahrrad entgegen. Die Kleine hebt die Füße von den Pedalen und ruft: „Hui!“ Dann dreht sie sich zu ihrem Papa um und fragt: „Kannst du das auch?“ Der antwortet: „Klar“ und fährt ebenfalls ein Stück freifüßig.
Lustig wäre gewesen, er hätte das Gleichgewicht verloren und wäre umgekippt. Passiert aber nicht, denn das Leben hat keinen Sinn für Pointen. Im Gegensatz zu mir. Trotzdem schubse ich den Mann nicht vom Rad.
23. November 2024, Berlin
Meine Frau war gestern Abend mit Kolleg*innen weg und kam erst spät zurück. Oder früh, je nach Perspektive.
Dennoch hat sie nachmittags unnormal viel Energie. So viel Energie, dass sie heute schon den Flur weihnachtlich schmücken will. Und so viel Energie, dass ich sie argumentativ nicht davon überzeugen kann, dass das viel zu früh ist. Weihnachten kommt erst am ersten Adventswochenende vom Schrank runter. Das weiß man doch.
Was käme dann als nächstes, frage ich sie. Holen wir vielleicht im Januar den Osterschmuck raus? Meine Frau lacht, als hätte ich einen Witz gemacht. Ich glaube, einer ihrer fünf Gin & Tonic war schlecht.
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Wir statten dem Sohn abends einen Überraschungsbesuch im Brauhaus ab, wo er arbeitet. Da dort am Wochenende immer viel Betrieb herrscht, haben wir online einen Tisch reserviert. Unter falschem Namen, damit die Überraschung tatsächlich gelingt.
Meine Frau fragte mich, ob ich mir den auch merken könne. Ich erwiderte das mit einem verächtlichen „Na klar doch“, bei dem ein leicht beleidigtes „Ich ja nicht doof“ mitschwang. Nun sitze ich auf dem Rad und versuche mich auf dem Weg zum Brauhaus krampfhaft daran zu erinnern, unter welchem Namen ich die Reservierung vorgenommen habe.
Der Sohn schaut sehr überrascht, als wir das Lokal betreten, scheint sich aber zu freuen. Vielleicht hat er als Kellner einfach diese gespielte Freundlichkeit perfektioniert, mit der du deine Trinkgeldchancen erhöhst. Unser Tisch gehört zu seiner Station, so dass er uns bedienen muss. Fast wie zuhause, nur umgekehrt.
Später kommt sein Chef zu uns und äußert sich sehr löblich über den Sohn. (Fleißig, freundlich, loyal) Sowas hörst du als Eltern selbstverständlich gerne.
Dann lässt er sich ausführlich über die Vorzüge des Kellnerns aus. (Wertvolle soziale Erfahrungen, immer gute Jobaussichten, steuerfreies Trinkgeld) Dabei redet er mit so viel Begeisterung und Leidenschaft, als wolle er uns davon überzeugen, bei ihm anzufangen. Ich überlege noch.
24. November 2024, Berlin
Das Marketing Südtirol Team schreibt mir eine Mail. Einer ihrer Kunden, ein Hotelier, dem Hunde sehr am Herzen liegen und bei dem die Vierbeiner herzlich willkommen sind, sei an einer Zusammenarbeit interessiert. Dafür qualifiziere ich mich, weil ich „viele hochwertige Inhalte rund um das Thema Hund“ bereitstelle.
Meine Hunde-Postings beschränken sich eigentlich auf unser kürzliches Merle-Dogsitting, einen wenig furchteinflößenden kleinen Kläffer, einen obskuren Corgi-Dackel-Mischling sowie diversen Hundebegegnungen beim Laufen, wobei ich mich meistens frage, ob ich mich besser durch einen Sprung in die Spree rette oder indem ich auf einen Baum klettere. Angesichts dieser Beiträge frage ich mich, was dann wohl minderwertige Inhalte rund um das Thema Hund sind.
Die Kooperation stellt sich das Marketing Südtirol Team folgendermaßen vor: Ich verlinke zu einem Artikel des Hoteliers, was dessen Suchmaschinenranking verbessert, im Gegenzug verweise er auf meinen Blog, was sich wiederum positiv auf meine Sichtbarkeit auswirke. Das Beste daran: Es sei kostenlos und im Handumdrehen erledigt.
Trotz dieser unschlagbaren Argumente verzichte ich auf das Angebot und lösche die Mail.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.