Die famose Familienfeier

Mit Familienfeiern halte ich es eigentlich wie mit Grippeviren, Rosenkohl und Casting-Shows: Ich versuche tunlichst, mich von Ihnen fernzuhalten. Aber da liegt dieser schicksalhafte Brief auf unserem Küchentisch. Eine Cousine der Freundin wird 50. Und wir sind eingeladen. In der nordhessischen Diaspora. Mehr Familienfeier geht nicht.

Familienfeier

Unternehme einen Versuch, mich vor der Feier zu drücken. Erkläre der Freundin mit bedauerndem Dackelblick, dass meine Anwesenheit leider, leider, leider nicht möglich sein wird. Womöglich war das ein leider zu viel, denn bevor ich irgendeinen hanebüchenen Grund vorbringen kann, der mein Fernbleiben rechtfertigt, gibt mir die Freundin unmissverständlich zu verstehen, dass meine Teilnahme zwingend erforderlich sei.

Die Freundin erklärt, die Cousine sei ihre Patin und somit sei es für sie aus familienpolitischen Gründen nicht opportun, nicht bei der Feier zu erscheinen. Darüber hinaus erwarte die Verwandtschaft seit der Geburt unserer Tochter, diese in regelmäßigen Abständen präsentiert zu bekommen. Allein könne sie aber nicht zu dem Fest gehen, da sonst die Verwandtschaft tratsche, unsere Tochter müsse ohne Vater als Bastard aufwachsen. Außerdem stünde sie einen Abend mit ihrer Mischpoke alleine nicht durch.

Entnehme ihrem Blick, dass Widerworte unter keinen Umständen geduldet werden. Gebe also zähneknirschend klein bei. Die Tochter sitzt derweil unter dem Tisch, zerknäult die Einladung und lutscht fröhlich daran. Aufgrund der Gnade ihres sehr jungen Alters von gerade mal zehn Monaten kennt sie den Schrecken und das Grauen von Familienfeiern noch nicht. Das glückliche Kind!

### Weiterlesen