Adventskalender 2025 – Tag 15: Mandarinen und Nüsse

Mandarinen und Nüsse – die Feigenblätter der Weihnachtsvöllerei. Das Vitamin-C- und Omega-3-Deckmäntelchen, mit dem wir unser schlechtes Gewissen verhüllen, wenn wir wieder zum Dominostein statt zum Obst greifen.

Denn jedes Jahr läuft es im Advent gleich ab. Du gehst zum Supermarkt und kaufst:

  • drei Netze Mandarinen
  • ein Kilo Nüsse (verschiedene Sorten, ungeschält)
  • Lebkuchen, Spekulatius, Dominosteine, Marzipankartoffeln, Schokoweihnachtsmänner, Printen, Pfeffernüsse und zwei Tafeln von der 300-Gramm-Vollmilchschokolade mit Meersalz, die mit Weihnachten nichts zu tun hat, aber im Angebot war

Zu Hause arrangierst du das liebevoll auf dem Wohnzimmertisch: ein Teller mit Schokolade, Lebkuchen und Gebäck, eine Schale mit den Mandarinen und eine weitere mit Nüssen. Dazu eine Kerze für die Besinnlichkeit. Sieht aus wie eine „Schöner Wohnen“-Fotostrecke: „Unser hyggeliges Weihnachten“.

Dann passiert Folgendes:

  • Die Schokolade ist nach zwei Tagen weg (und mit zwei Tagen meine ich am ersten Abend),
  • Die Plätzchen einen Tag später.
  • Die Nüsse liegen bis Ostern in dem Schälchen.
  • Die Mandarinen verwandeln sich allmählich in ein grünes, pelziges Kunstprojekt „Schimmel im Advent“ und laufen irgendwann von selbst in die Bio-Tonne.

Aber du kannst sagen: „Wir hatten Obst und Nüsse da.“ Der gute Wille zählt. (Deine Waage schüttelt den Kopf.)

Hellgelber Hintergrund auf dem steht: Mandarinen + Nüsse

Die Mandarine wurde erfunden, damit du dir zur Weihnachtszeit einreden kannst, etwas für deine Gesundheit zu tun. „Ja, ich habe 14 Dominosteine gegessen, aber auch eine Mandarine. Das gleicht sich aus.“

Mandarinen haben viele Vorzüge: Sie sehen hübsch aus, riechen gut und liefern Vitamine. Außerdem schmecken sie lecker. Angeblich.

Zeitzeugen gibt es keine, denn es gelingt nur alle 100 bis 150 Jahre, eine Mandarine zu schälen. Vasile Popescu, ein moldawischer Obstbauer, war 1887 der letzte Mensch, der eine Mandarine niedergerungen und gegessen hat.

Der Schälversuch läuft folgendermaßen ab:

  • Zuerst findest du keinen Ansatz, weil die Schale viel zu glatt und nahezu undurchdringlich ist.
  • Dann rammst du mit Gewalt den Daumen hinein, zerquetschst das Fruchtfleisch, so dass dir Mandarinensaft direkt ins Auge spritzt und du denkst: „Okay, jetzt bin ich also blind.“
  • Nun hast du den Anfang geschafft, aber die Schale sitzt so fest, dass du das Gefühl hast, du häutest einen Fußball.
  • Bist du schließlich bis zu den Mandarinenspalten vorgedrungen – was ziemlich unwahrscheinlich ist –, hängen überall diese widerlichen weißen Fäden. Theoretisch könntest du sie einfach mitessen. Aber du bist ja kein wildes Tier.
  • Stattdessen zupfst du die ekligen Fitzel pedantisch ab wie ein Chirurg, der eine Zitrusfrucht am offenen Herzen operiert. Das dauert so lange, dass du deine Termine der nächsten drei Jahre absagen kannst.

Ist das Projekt „Ich versuche eine Mandarine zu schälen“ abgeschlossen, sind deine Hände voll mit Mandarinensaft, Ekelfäden und Restschale. Und sie kleben wie bei einem Vierjährigen nach dem Eisessen. Wenn du deine Finger ableckst, hast du wenigstens 0,4-Promille deines Vitamin-C-Tagesbedarfs abgedeckt.

Sagen wir es so: Hätte Gott gewollt, dass wir uns im Advent gesünder ernähren, hätte er Reißverschlüsse an Mandarinen gemacht.


Lasst uns über Nüsse reden. Ästhetisch sind Nüsse eher herausfordernd: Walnüsse gleichen kleinen, vertrockneten Gehirnen, die Erdnuss könnte auch ein madenartiges Wesen sein, das schon längst hätte ausgestorben sein müssen, und Paranüsse sehen wie versteinerte Dinosaurierzehennägel aus. Nur die Haselnuss kommt in ordentlichem Gewand daher – klein, rund und glatt. Geschmacklich ist sie aber genau wie ihre Kolleginnen eher „Joah, geht so“.

Haselnüsse, Walnüsse, Paranüsse, Erdnüsse – das klingt nach „guten Fette, hochwertigem Eiweiß, gesunden Mineralstoffen“. Für eine ausgewogene Ernährung wäre es nicht schlecht, davon ab und an ein paar zu sich zu nehmen. Vor allem in der Adventszeit.

Das Problem ist bei den Nüssen dasselbe wie bei den Mandarinen: Du kommst nicht an sie ran. Sie sind in betongleichen Schalen eingeschlossen und so unzugänglich wie Melanie damals in der Oberstufe für deine Annäherungsversuche.

Die Menschheit hat Penicillin entwickelt, ist zum Mond geflogen und hat die DNA-Struktur entschlüsselt. Da könnte man meinen, irgendjemand hätte ein Instrument erfunden, mit dem man an die Nüsse kommt. Fehlanzeige.

Nun gut, es gibt den Nussknacker, sogar in vielerlei Gestalt: als Soldaten, als Könige, als Männer mit Schnauzer oder in der Erzgebirge-Variante als Grusel-Gnom. Sie stehen dekorativ rum, verbreiten Weihnachtsstimmung, nur mit ihrer eigentlichen Funktion – dem Nüsse knacken – hapert es. Dafür sind sie vollkommen ungeeignet. Eigentlich fällt die Bezeichnung „Nussknacker“ unter irreführende Verbrauchertäuschung.

Du positionierst die Nuss im Mund des Knackers, drückst zu, drückst weiter, drückst noch mehr, schließlich mit aller Kraft. Dein Arm beginnt zu zittern, der Schweiß läuft dir den Rücken hinunter, deine Halsschlagader tritt dick wie ein Tau hervor. Der Schale ist das egal, sie gibt nicht nach.

Du drückst weiter wie Berserker und verfluchst dich dafür, dass du im Fitnessstudio nicht häufiger deine Unterarmmuskeln trainiert hast. Beziehungsweise dass du dich nie im Fitnessstudio angemeldet hast.

Während du drückst und presst und stöhnst, denkst du, es kann nur einen geben: dich oder die Nuss, und weißt, dass du den Kürzeren ziehen wirst.

Am Ende bricht nicht die Nuss, sondern dein Vertrauen in deine Handmuskulatur. Du redest dir aber ein, dass das nicht deine Schuld ist. Im Prinzip sind Nussknacker ein Design-Fehler im Festtagsgewand.

Deswegen lassen sich Nüsse am besten verzehren, indem du sie in gemahlenem, gehackten oder gesplittertem Zustand besorgst, zu Plätzchen verarbeitest und schließlich in Form von Zimtsternen oder Nussbusserln zu dir nimmst.


Mandarinen und Nüsse sind wie Statisten in einem Weihnachtsfilm:

  • Sie haben keine große Rolle.
  • Sie sagen selten etwas.
  • Man achtet kaum auf sie.

Aber ohne sie würde etwas fehlen. Denn wenn du an Weihnachten denkst, stellst du dir unweigerlich einen Teller mit Nüssen und Mandarinen vor. Was du dir nicht vorstellst: wie du eine Mandarine oder eine Nuss isst.

Nächstes Jahr kaufst du dir am besten gleich Plastik-Mandarinen und Nüsse. Die sehen auch hübsch aus und lassen sich genauso gutM in dein Hyggelig-Stillleben integrieren.

Und dann isst du 80 Zitronenherzen. Die haben genauso viel Vitamin C wie eine Mandarine.


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