Adventskalender 2025 – Tag 18:  Lichterketten

Lichterketten in der Adventszeit – wo es nichts gibt zwischen „nur ein paar warme Lichtakzente“ und „Weihnachtstechno in Sibirien“.

Das Unheil beginnt mit dem Satz: „Lass’ uns mal die Weihnachtskiste aus dem Keller holen.“

Du steigst hinab in die Katakomben deines Hauses und kommst zurück mit einem altersschwachen Karton, nur noch zusammengehalten von Gaffer-Tape und leisem Beten. Auf dem Deckel steht mit schwarzem Edding: „WEIHNACHTEN – NICHT WEGWERFEN!”

Aus der Kiste blickt dich ein pausbackiger Engel ohne Flügel an und du erinnerst dich, vor einigen Jahren gesagt zu haben: „Den müsste man mal reparieren.”

Darunter Reste von Lametta und Kunstschnee verteilt auf einem Meer von Lichterketten. Wie viele? Unmöglich zu sagen. Fünf, zehn, zwanzig? Alle miteinander verknotet zum Kabelsalat der Hölle. Du verfluchst dein Vergangenheits-Ich, das die Ketten nicht ordentlich verpackt hat.

Dunkelgrauer Hintergrund auf dem in gelber Schrift steht: Lichterketten

Dann ziehst du an einem Ende des Kabelknäuels – nichts passiert. Du ziehst am anderen Ende – die Ketten verheddern sich noch mehr.

Eine Stunde und vier Nervenzusammenbrüche später liegen sieben Lichterketten auf dem Wohnzimmerboden. Drei ohne Netzteil, eine ohne Lämpchen und eine, die du mal von Oma geerbt hast mit einer so brüchigen Kabelisolierung, dass die Steckdosen nervöses Augenzucken bekommen.

Schließlich der Lichttest: Von 120 Lampen sind 119 tot, eine flackert passiv-aggressiv SOS.


Du ziehst los, neues Leuchtmaterial besorgen, anschließend dekorierst du die Wohnung mit deinen neu erworbenen Schätzen: eine Lichterkette am Fenster, eine am Geländer, eine um den Spiegel, eine auf der Kommode, eine im Glas mit ein paar Tannenzapfen – „weil man das so macht“ –, eine im Adventskranz und eine in Reserve, falls irgendwo „noch ein bisschen was fehlt“.

Jede Kette hat einen eigenen Stecker, einen eigenen Trafo und einen eigenen Willen. Die Hälfte lässt sich nur mit Mini-Schiebeschalter auf Bodenhöhe bedienen. Wenn du abends über den Teppich robbst und nach Schaltern suchst, murmelst du dabei: „Ach, wie gemütlich.“

Abgesehen von den mehrstufigen Blinkprogrammen. Du willst eigentlich nur „dauerhaft leuchten“, aber die Ketten bieten „leicht blinkend“, „schnell blinkend“, „unregelmäßig blinkend“, „Lauflicht“ oder „Blitzlichtgewitter auf dem roten Teppich“.

Du drückst zehnmal auf den Knöpfen rum, bis es halbwegs erträglich ist. Am nächsten Tag haben die Ketten alles wieder vergessen und in deinem Wohnzimmer ist wieder Strobo-Alarm angesagt.

Um zu zeigen, wie fortschrittlich du bist, hast du auch eine smarte Lichterkette gekauft. Mit der kannst du verschiedene Szenen einstellen („Winterzauber“, „Nordlicht“, „X-mas-Hardcore-Party“), den Timer programmieren („Sanfte Illumination zum Adventsfrühstück“) und alles in dein Smart-Home-System integrieren („Alexa, schalte Weihnachten ein.“)

Die Realität: Beim App-Update sind alle Lampen offline, wenn Besuch kommt, hantierst du eine Viertelstunde an deinem Handy rum, um „nur kurz“ den Baum anzumachen, und fällt das WLAN aus, blinkt alles wie in einem Testlabor für weihnachtliche Photonen-Folter.

Dann vielleicht doch die geerbte Lampenschnur von Omma. Zur Sicherheit platzierst du den Feuerlöscher neben dem Baum.


Bei der Weihnachtsbeleuchtung draußen gibt es in deiner Straße sehr unterschiedliche Vorstellungen. Da ist das stille, dunkle Haus („Wir sparen Strom“), das dezente Haus („Ein Stern, zwei Kerzen, fertig.“) und dann dieser Nachbarn, der sein Heim in eine Landebahn für den Weihnachtsmann verwandelt hat.

Das ist der Nachbar, bei dem die Kinder sagen: „Da müssen wir unbedingt noch vorbeischauen.“ Und du denkst: „Nur mit Schweißerbrille.“

Auf seinem Dach:

  • beleuchteter Schlitten
  • Plastik-Santa, der im Schornstein hängt
  • acht Rentiere in Lebensgröße
  • Leuchtschrift „HO HO HO“, die alle drei Sekunden blinkt

An der Fassade:

  • Eiszapfen-Lichterkette
  • Sternvorhang
  • irgendwas, das „Merry Christmas“ blinkt
  • Projektor, der Schneeflocken über die Hauswand tanzen lässt
  • Laser, der „Frohes Fest“ in den Himmel schreibt

Im Garten:

  • zwei leuchtende Elche
  • ein LED-Schneemann
  • eine Gruppe tanzender Elfen
  • eine Lichterkette um jeden Baum und Strauch
  • wahrscheinlich leuchtende Regenwürmer, wenn man genauer guckt

Natürlich blinkt alles asynchron. Links Dauerlicht, rechts buntes Geflacker und dazwischen eine Kette, die im Rhythmus zu „Jingle Bells“ Amok läuft. Wie eine Versuchsanordnung für die Frage: „Wie viel Augenstress kann ein Mensch ertragen?“


Scrollst du in der Adventszeit durch Pinterest oder Instagram, ist dein Feed geflutet mit weihnachtlichen Deko-Tipps. Alles zurückhaltend-stilvoll. Hier ein Zweig in einer Glasvase, dort drei Kerzen und höchstens noch eine Lichterkette („warmweiß“). Alles in Beige, Offwhite und Salbeigrün. Und irgendwo steht eine Person in Leinenhose – auch in Beige, Offwhite oder Salbeigrün – und trinkt achtsam Tee.

Deine Adventswohnung ist das genaue Gegenteil davon. Auf der Kommode und vor allem daneben liegt so viel Kunstschnee, als wäre ein Blizzard durch den Flur gefegt. Im Regal steht ein Erzgebirge-Nussknacker mit weit aufgerissenen Augen, als hätte er seit drei Jahren nicht geblinzelt (Weihnachtsgeschenk von Onkel Otto). Auf dem Sideboard ist ein XMAS-Holzschriftzug aufgestellt, den du mal ironisch gekauft hast, was aber niemand weiß, der zu Besuch kommt.

Der Adventskranz ist halb abgenadelt, die Kerzen stehen in getrockneten Wachsseen, die Lichterkette ist so weißwarm wie eine Zahnarzt-Lampe und im Hintergrund sitzt einer dieser Weihnachtswichtel, die mit ihren Rauschebärten und den tief ins Gesicht gezogenen Wollmützen immer aussehen, als hätten sie ein therapiebedürftiges Anger-Management-Problem. Weil die Kinder ihn mal mitgebracht haben, steht er nicht zur Diskussion. Du sitzt auf dem Sofa und krümelst beim Plätzchenessen den Teppich voll.

Dein Wohnzimmer sieht nicht nach dänischer Hygge-Influencerin aus, sondern nach „der Waldkindergarten hatte Ausflug“.


Der traurigste Tag des Jahres kommt dann Anfang Januar: Der Baum wird abgeschmückt, das Dekomaterial wandert zurück in die Weihnachtskiste zu dem flügellosen Engel und die abgebrannten Kerzen kommen in den Karton „Kann man noch anzünden“, wo sie die nächsten fünf Jahre bleiben.

Das war‘s dann mit der Weihnachtszeit, nun kommt der Januar – der Montag unter den Monaten. Nass, kalt und dunkel. Ohne Lichtermeer, Deko-Eskalation und blinkenden Weihnachtsmännern. Aber vor allem ohne behagliche Gemütlichkeit, Glühweintrinken und Plätzchenessen.

Deprimiert stopfst du die zusammengeknäulten Lichterketten in den Karton: Darum kann sich dein Zukunfts-Ich kümmern.


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