Der Nikolaus – bekannt als spendabler Gabenbringer, der in der Nacht zum 6. Dezember Geschenke an Kinder verteilt. In seinem ersten Leben war er im 4. Jahrhundert Bischof von Myra, in der Region Lykien; damals Römisches Reich, heute Türkei.
Das heißt: Ein türkischer Dude zieht Anfang Dezember nachts um die Häuser und stopft Nüsse und Schokolade in Kinderschuhe. Ob das ins Merzsche Stadtbild passt? Wahrscheinlich würde der Stiefel-Stalker heutzutage schon an der deutschen Grenze abgewiesen.

Sich dem heiligen Nikolaus biografisch anzunähern ist ungefähr so herausfordernd wie für Fritze Merz eine Rede zu halten, in der er keine Gruppen oder Länder beleidigt. (Das war’s dann auch mit Merz-Spott. Man möchte ja nicht nach unten treten.)
Das nikolaus’sche Geburtsjahr liegt irgendwo zwischen 270 und 286. Sein Todesjahr wird wahlweise mit 345, 351 oder 365 angegeben, mitunter auch mit 326. Holy Nick wurde also zwischen 59 und 95 Jahre alt.
Diese historiografische Unschärfe liegt unter anderem daran, dass der Name Nikolaus im 3./4. Jahrhundert extrem populär war. Damals liefen mehr Nikoläuse durch die Gegend als Christians in den 70ern und Kevins in den 90ern.
Schon als Baby soll der spätere Schokoheilige wahnsinnig fromm gewesen sein. An den Fastentagen – mittwochs und freitags – hat er angeblich nur einmal am Tag von der mütterlichen Brust getrunken. Wie so ein Streber, der sich beim Oberboss einschleimen will. Möglicherweise war das aber auch nur Spielplatz-Schnack von Mom und Dad, die da ein bisschen dick aufgetragen haben. (Einmal am Tag oder einmal stündlich – was ist da schon der Unterschied?)
Nikos Eltern waren sehr wohlhabend, aber er verlor sie schon in jungen Jahren. Das hat er mit Bruce Wayne gemeinsam. Während Brucie sich als Batman einen Namen als schlecht gelaunter Rächer von Gotham City, verteilte der Nikolaus seinen Reichtum lieber unter den Armen. (Im Sinne von Bedürftigen, nicht unter den oberen Körperextremitäten.)
Zum Beispiel gibt es da die Geschichte von seinem mittellosen Nachbarn, der keine Mitgift für seine drei Töchter hatte. Da hattest du damals ganz schlechte Chancen auf dem Heiratsmarkt. Und ohne Ehemann waren die Karriereaussichten der Mädels – sagen wir – eher mittelprächtig. (Stichwort Artemis)
Da war aber der Nikolaus vor. Der warf in der Nacht heimlich ein paar Goldklumpen durchs Fenster, und die landeten genau in den Schuhen der Ladies. Bei dieser Treffsicherheit hätte er auch eine erfolgreiche NBA-Karriere hinlegen können.
Mit 19 ernannte sein Onkel, der ebenfalls Nikolaus hieß – natürlich – und Bischof von Myra war, ihn zum Abt des Klosters von Sion. Damit war er das erste Nepo-Baby der Kirchengeschichte. Die Sion-Mönche haben sich sicherlich dolle gefreut, dass so ein Milchgesicht der neue Kloster-Babo wurde. Später wurde Nick jr. selbst Bischof von Myra, was praktisch war, weil das Namensschild an seinem Büro nicht ausgetauscht werden musste.
Im Zuge der seinerzeit üblichen Christenverfolgung verhafteten die Schergen von Kaiser Diokletian den Kinderbeschenker und folterten ihn. Einerseits ein kein besonders schöner Abschnitt in seinem Leben. Andererseits hilfreich, um später Heiliger zu werden. Damals wurden ausschließlich Märtyrer heiliggesprochen; getreu dem Motto „No pain, no gain“.
325 nahm Niklas am Konzil von Nicäa teil. Dort kam es zu einem spektakulären Vorfall, als ein Teilnehmer namens Arius die klassische Lehre der Dreieinigkeit Gottes ablehnte.
Das passte Nikolaus so gar nicht und er verpasste dem Kollegen ein paar Backpfeifen. Holy shit! Das hatte niemand kommen sehen: dass der Weißbärtige, der immer so gemütlich daherkommt, ein veritables Anger-Management-Problem hat. Seine PR-Leute hatten sicherlich alle Hände voll zu tun, um den Schellen-Skandal unterm Teppich zu halten.
Am 6. Dezember in irgendeinem Jahr (siehe oben) verstarb der Nikolaus schließlich in Myra. Auch nach seinem Tod erfreute er sich großer Beliebtheit. Er ist bis heute einer der bekanntesten Heiligen der Ostkirchen und der lateinischen Kirche. (Keine Ahnung, was das heißt; habe ich so bei Wikipedia abgeschrieben.)
Irgendwann machten Eltern aus dem ex-Bischof eine Super-Nanny, die sie einsetzten, um ihre ungezogenen Blagen auf Spur zu bringen. Da kommt dann ein adipöser alter Mann mit weißer Gesichtsmatte vorbei, fragt die Kinder, ob sie brav waren, und wenn die das bejahen, holt er aus einem großen Sack ein Geschenk.
Früher war es üblich, dass die Kinder bei der Interviewsession auf dem Schoß des Nikolaus saßen. Das ist aber inzwischen aus der Mode gekommen. Zu viele traumatisierte Kinder und außerdem geriet der gute Ruf des Heiligen in Gefahr.
Damit die Stimmung nicht zu gut wird, kam der Nikolaus anfänglich in Begleitung eines finsteren Gesellens. Während der Rauschbärtige sich mit Präsenten beliebt machte, musste Knecht Ruprecht ungezogenen Kindern den Hintern versohlen. Klassische Good-Cop-Bad-Cop-Rollenverteilung. Da Kinderverhauen inzwischen als pädagogisch unwertvoll gilt, tritt der Stiefel-Santa heutzutage solo auf.
Manchmal befragt der Schoki-Bischof die Kinder nicht, sondern trägt aus einem goldenen Buch vor, wie sie sich im letzten Jahr so betragen haben. Als kleines Kind warst du voller Ehrfurcht, dass der Alte alles weiß.
Später dämmerte dir dann, dass er gar keinen güldenen Naughty-Nice-Datensatz hat. Deine Eltern hatten dir das ganze Jahr wie so Stasi-Mitarbeiter hinterhergeschnüffelten und dem Nikolaus deine Missetaten gesteckt. (Snitches!)
Im Sinne der Effizienz verzichtet der Nikolaus inzwischen größtenteils auf Hausbesuche. Stattdessen kommt er nächtens vorbei und verteilt seine Gaben. Dazu müssen die Kinder ihre Stiefel putzen und vor die Tür stellen. Nur dann bekommen sie Geschenke, die zwingend in die Schuhe gestopft werden müssen.
Das klingt alles sehr merkwürdig. Als hätte der Nikolaus einen bizarren Kinderstiefel-Fetisch. Oder er ist wie eine schwäbische Hausfrau, die ausrastet, wenn jemand die Kehrwoche nicht einhält.
Aufgrund der astronomisch gestiegenen Goldpreise verteilt der rot Bemantelte keine güldenen Präsente mehr, sondern Nüsse und Mandarinen. Damit die Schuhgabe nicht zu trostlos wird, lässt er auch Schokolade springen und vielleicht mal ein Buch. (Für ’ne olle Zitrusfrucht und ein paar vergammelte Walnüsse würde sicherlich kein Kind seine Schuhe wienern.)
Zugegebenermaßen ist der Nikolaus ein merkwürdiger Kerl mit befremdlichem Schuhtick, Hang zum Hausfriedensbruch und fragwürdigen Erziehungsmethoden. Andererseits können wir wegen ihm jedes Jahr am 6. Dezember Schokolade frühstücken.
Das macht den Stiefel-Schnüffler doch zu einem Spitzentyp.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
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