Adventskalender 2025 – Tag 08: Geschenke

Weihnachten. Offiziell: das Fest der Liebe. Inoffiziell: das Fest der Geschenke, des Konsums und des Kommerzes.

Was wäre die Adventszeit, wenn sich nicht alle wegen der Schenkerei so stressen würden, dass sie an Heiligabend mit Burn-out um den Weihnachtsbaum hocken?

Von den Eltern – und mit Eltern meine ich Mütter – über Einzelhandelsangestellte, Arbeiter*innen in Warenlagern, Postfilial-Mitarbeiter*innen und Kurierfahrer*innen bis hin zu den Leuten in den Wertstoffhöfen, die den ganzen Krempel später in Müllpressen stopfen müssen.

Hellgelber Hintergrund, auf der in dunkelroter Schrift "Geschenke" steht.

An den Kindern liegt es nicht. Die machen dir die Geschenkesuche leicht. Im Kindergarten-/Grundschulalter überreichen sie dir irgendwann den Spielzeugkatalog, in dem sie markiert haben, was sie sich wünschen. Also jede zweite Seite.

Als Teenager schicken sie dir eine WhatsApp-Nachricht mit 18 Links zu ihren Wunschgeschenken. Klamotten, deren Marken dir unbekannt sind und die gleichzeitig aussehen, als seien sie zu weit und zu klein, Konzertkarten für Bands, die dir unbekannt sind und so viel kosten wie ein zweiwöchiger Familienurlaub, oder die neuesten elektronischen Endgeräte aus Apfelhausen, die so viel kosten wie ein zweimonatiger Familienurlaub.

Bei Erwachsenen ist die Geschenkefindung dagegen herausfordernder als einen geschmackvollen Witz von Mario Barth zu finden. Auf die Frage „Was wünschst du dir?“ antworten sie zuverlässig: „Ach… nichts. Ich hab doch alles.“

Was selbstverständlich nicht bedeutet, dass sie nichts zu Weihnachten wollen. (Obwohl sie alles haben.) „Ich will nichts“ heißt übersetzt: „Du musst meine geheimsten Wünsche erraten, die ich selbst nicht kenne, und mir etwas schenkst, von dem ich bei Auspacken denke: Boah, DAS wollte ich schon immer haben, wusste es aber nicht.“ Dass damit kein Duschgel von der Tanke gemeint ist, ist klar.

Gefährlich wird es, wenn beim Familienessen im Oktober ausgemacht wird: „Dieses Jahr schenken wir uns nichts“, und alle nicken zustimmend. Daran hält sich niemand.

Oma verschenkt selbstgemachten Eierlikör mit Salmonellengarantie, deine Schwester überreicht dir irgendeinen Deko-Staubfänger, von dem du genau weißt, dass du ihn dir nicht einmal unbewusst gewünscht hast, und Onkel Otto schleppt einen Präsentkorb an mit Räucherschinken, Schlackwurst und Dosensülze. Von der örtlichen Metzgerei, die vor acht Jahren zugemacht hat.

Besonders delikat ist das „wir schenken uns nichts“ mit Partnerinnen und Partnern. Die zaubern an Heiligabend auf jeden Fall irgendein „Nichts“ hervor, das geradezu schreit: „Ich habe mir sehr viele Gedanken gemacht und keine Kosten und Mühen gescheut.“ Zum Beispiel eine Vinyl-Sonderprägung der Band, bei der ihr euch damals kennengelernt habt. Oder das neue Buch deines Lieblingsautors mit persönlicher Widmung.

Darauf musst du vorbereitet sein. Eine spontan gebastelte Sockenpuppe reicht da nicht aus. Nein, du brauchst ein Just-in-case-Präsent in der Hinterhand: einen Gutschein für ein luxuriöses Spa-Wochenende in dem exklusiven Boutique-Hotel in Lissabon, einen geschmackvollen Ring aus Weißgold, den du idealerweise eigenhändig in einem mehrwöchigen DIY-Goldschmiedekurs hergestellt hast, oder einen von dir gewebten Kaschmirpullover aus der Wolle einer Capra-Hircus-Ziege, die du persönlich geschoren hast.

Von einigen Geschenken für die Partnerin oder den Partner solltest du Abstand nehmen. Mit denen landest du bis zur Halskrause in Fettnäpfchen, ohne es vorherzusehen.

  • Parfüm => Du stinkst.
  • Fitnessgeräte/-bekleidung => Du bist fett.
  • Sachbücher => Du bist dumm.
  • Schlips, Oberhemd, Socken => Du bist mir egal.

Dann sind da noch die Geschenke, die kein Mensch braucht und vor allem nicht will. Ganze Produktkategorien existieren nur, weil Menschen Mitte Dezember panisch werden: Badesalz „Wellness-Oase“ (für Menschen ohne Badewanne), 3er-Set Duftkerzen (Gerüche: Wintertraum, Fiebertraum, Alptraum; für Menschen ohne Geruchssinn) oder Motivkrawatten, Motivsocken, Motivtassen und einfach alles mit Motiven (für Menschen ohne Geschmack). Da hörst du schon beim Kauf den Mülltonnendeckel klappern.

Vielleicht verschenkst du lieber etwas weniger Materielles. Gehen deine Kinder in die Kita, bringen sie täglich Basteleien und selbstgemalte Bilder mit. Statt den Ramsch heimlich zu entsorgen, verschenkst du ihn zu Weihnachten an die lieben Verwandten. Die müssen dann Begeisterung über das kreative Talent der kleinen Künstler*innen vortäuschen, bevor sie den Ramsch heimlich entsorgen.

Oder ein Fotokalender. Das perfekte Geschenk für Großeltern. In den ersten drei Lebensjahren des Nachwuchses ziemlich herausfordernd: Aus rund 80 Millionen Fotos des letzten Jahres musst du die besten zwölf auswählen. Im Teenageralter hast du nur noch eine Handvoll Bilder, auf denen der Nachwuchs nicht motzig schaut, sich wegdreht oder wie hypnotisiert ins Handy glotzt.

Sich Geschenke ausdenken ist schwierig, sie zu besorgen die Hölle. Früher bist du zum Weihnachtsshopping in die Innenstadt gefahren. Nachdem du dich vier Stunden der Weihnachtsdeko-Hölle aus Menschenmassen, Lichterketten, Kunstschnee und Last-Christmas-Dauerbeschallung ausgesetzt hattest, brauchtest du entweder ein Meditationswochenende im Schweigekloster oder eine Delfintherapie.

Heutzutage erledigst du die Weihnachtseinkäufe online. Ganz entspannt und ohne Stress. Zumindest in deiner Fantasie. Die so weltfremd ist, als hättest du die ersten 40 Jahre deines Lebens im Wald bei den Tieren verbracht.

In der Wirklichkeit machst du „nur mal kurz“ eine Shopping-Seite auf, drei Stunden später sitzt du mit Pupillen groß wie Untertassen vor 38 geöffneten Tabs:

  • Amazon „Geschenkideen für sie“
  • Amazon „Geschenkideen für Opas“
  • Amazon „Geschenkideen für Wellensittiche“
  • Etsy „handgemachte Kleinigkeiten für den schmalen Geldbeutel“
  • Dominosteine24
  • irgendein dubioser Shop mit zu vielen Pop-ups
  • Vergleichstest für Hunde-Zahnbürsten (obwohl niemand in der Familie einen Hund hat)
  • ein alter Huffington-Post-Artikel „Die besten 27 Last-Minute-Geschenke für Menschen mit komplizierten Persönlichkeiten (Tipp 18 verschlägt dir den Atem)“

Du liest Bewertungen wie: „5 Sterne, hat das Leben meines Onkels verändert“, und denkst: „Das ist genau das Richtige für Onkel Otto.“

Im Dezember verwandelt sich dein Hausflur allmählich in ein DHL-Zwischenlager – Außenstelle Mordor. Du siehst den Paketboten öfter als deine Familie. Du kennst seine Route, seinen Namen, sein erstes Haustier – ein Zwergkaninchen namens Pupsi – und beobachtest seinen zunehmenden psychischen Verfall.

Er klingelt zuverlässig immer, wenn du nackt unter der Dusche stehst, für eine längere Sitzung auf dem Klo hockst oder gerade beschlossen hast, „heute wirklich mal früher schlafen zu gehen“.

Du öffnest die Tür – in Jogginghose, verflecktem Weihnachtspulli und mit einer Frisur wie ein Auffahrunfall – und vor dir steht der Kurier-Knecht mit einem Karton so groß wie Neuseeland.

Du: „Ich hab doch nur eine Hunde-Zahnbürste bestellt?“
Der Paketbote: „Das ist der Umkarton vom Umkarton vom Umkarton.“

Richtig nervig wird es, wenn du nicht da warst und ein Abholzettel im Briefkasten liegt. Da verabschiedest du dich am besten gleich von deiner Lieferung:

„Wir haben Sie leider nicht angetroffen. Ihre Sendung befindet sich in einem Kiosk in einem Dorf in Nordbrandenburg, das seit 1991 vom ÖPNV abgeschnitten ist. Die Öffnungszeiten sind von 11.23 bis 11.37 Uhr am ersten Dienstag in ungeraden Monaten. In Schaltjahren, wenn Jupiter im Sternzeichen Krebs/Löwe steht. Viel Glück.“

Hast du den weihnachtlichen Geschenke-Konsum-Terror unbeschadet überstanden – und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass du mehrmals kurz vor einem Nervenzusammenbruch standest und noch häufiger dahinter –, schwörst du dir im Januar: „Nächstes Jahr schenken wir uns wirklich nichts.“

Anschließend buchst du den DIY-Goldschmiedekurs – und sicherheitshalber besorgst du noch einen Gutschein für das Wellness-Wochenende in dem Lissaboner Boutique-Hotel.


Das perfekte Schrottwichtel-Geschenk

Sie sind noch auf der Suche nach einem Geschenk für Weihnachten? Oder fürs Schrottwichteln? Da könnte eines meiner Bücher genau das Richtige sein. Schreiben Sie mir einfach eine Mail.

Die Bücher kosten zwischen 10 und 12 Euro (plus Versandkosten). Gerne versehe ich das Buch auch mit einer persönlichen Widmung. (Das verhindert, dass es weiterverschenkt werden kann.)

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