Adventskalender 2025 – Tag 12: Zitronat und Orangeat

Der Christstollen – der Deutschen liebste Weihnachtskalorienbombe – war ursprünglich ein adventliches Fastengebäck. Die kärglichen Zutaten: Mehl, Wasser und Rapsöl.

Das klingt nicht nur kacke, es hat auch so geschmeckt. Bis jemand die geniale Idee hatte, Zucker, Butter und Eier hinzuzufügen und das Ganze nach dem Backen ordentlich in Puderzucker zu wälzen.

Das machte den Stollen sündhaft lecker, was wiederum der Kirche ein Dorn im Auge war. Auf dem Konzil zu Trübsal 1573 ordnete sie an, dass Zutaten untergemischt werden müssen, die den Geschmack des gepuderzuckerten Festtagbrotes vollkommen verderben.

Und so, liebe Kinder, wurden Zitronat und Orangeat erfunden.

Hellgelber Hintergrund auf dem "No Zitronat" und darunter "No Orangeat" steht.

Zitronat und Orangeat sind die gruseligen Verwandten der Rosine. Die auf die dunkle Seite der Macht gewechselt sind – klebrige Zitrus-Glibberwürfel, vor denen du dich gleichermaßen ekelst und fürchtest.

Orangeat sieht aus wie jemand, der schon in jungen Jahren mit Selbstbräuner experimentiert hat. Zitronat ist der merkwürdige Cousin, der sich immer mit diesem grünen Schleim einreibt, den dir deine Eltern früher nie gekauft haben.

Sie kennen sicherlich den Spruch: „Alles wird leckerer, wenn du es mit Käse überbackst.“ Bei den Fruchtwürfeln der Finsternis ist das genau umgekehrt. Sie haben nur eine einzige Aufgabe: Essen maximal ungenießbar zu machen. Diese Fähigkeit haben sie im Laufe der Jahrzehnte perfektioniert.


Damit Zitronat und Orangeat ihre einzigartige Würge-Würze entfalten können, müssen bei der Herstellung folgende Schritte penibel durchgeführt werden:

  • Man sammelt Produktionsabfälle, die bei der Fertigung von Autoreifen und Radiergummis anfallen.
  • Diesen entzieht man sämtliches Wasser, bis sie die Konsistenz getrockneter Ziegenköttel haben.
  • Das Ganze kocht man in so viel Zuckersirup, dass Diabetologen Schnappatmung bekommen.
  • Dann fügt man Zitronen- und Orangenaroma zu, das auf keinen Fall auch nur im Entferntesten an Zitronen und Orangen erinnern darf, sondern an Klostein „Club Tropical“.
  • Anschließend köchelt man den Brei so lange weiter, bis er wie ein Haufen radioaktiver Mini-Legosteine aussieht.

In Deutschland ist zwingend vorgeschrieben, dass Zitronat und Orangeat ausschließlich in hässlichen Plastikpäckchen verkauft werden dürfen, die aussehen, als hätte sie ein farbenblinder Iltis designt.

Außerdem muss auf den Verpackungen so etwas stehen wie „kandierte Früchte“. Das fällt fast schon unter arglistige Verbrauchertäuschung. Zitronat und Orangeat haben mit Früchten so viel zu tun wie ein Ballermann-Kegelausflug und ein Achtsamkeits-Wochenende in der Lüneburger Heide.

Noch realitätsferner heißt es manchmal: „fein gehackte, aromatische Würfel“. Als wäre das eine Delikatesse von Feinkost-Käfer und nicht etwas, das aussieht und schmeckt wie ein Unfall im Chemielabor.


Zitronat und Orangeat machen Stollen zum trojanischen Pferd der Weihnachtsbäckerei. Außen eine schöne Puderzuckerschicht, innen saftiger Teig mit Mandeln, Rosinen, vielleicht noch Mohn oder Marzipan. Lecker.

Du schneidest dir eine dicke Scheibe ab, beißt genussvoll rein und denkst: „Eigentlich ist die Weihnachtszeit doch ganz schön.“

Bis du auf ein glibberiges Würfelchen stößt, das die Textur von kandierter Hornhaut hat und geschmacklich an „Badezusatz Lemon Breeze“ erinnert.

Zitronat und Orangeat sind der Grund, warum niemand sagt: „Ich liebe Stollen!“ – stattdessen sagen die meisten: „Ich ess’ nur den Rand.“


Früchtebrot ist ebenfalls schwierig. Tante Gisela, die du immer nur am ersten Weihnachtstag siehst, bringt jedes Jahr einen schwergewichtigen Laib mit, der aussieht, als hätte sie ihn bereits 1987 gebacken und seitdem in einem feuchten Keller reifen lassen.

„Mein berühmtes Früchtebrot“, strahlt sie. „Ganz ohne Zucker!“ Nach dem ersten Bissen denkst du: „Das schmeckt man auch.“

In dem teiggewordenen Senkblei stecken: Rosinen, Nüsse, Feigen – und natürlich Zitronat und Orangeat. Beim Essen knirscht und klebt und pappt es. Als hätte Tante Gisela eine Tüte Studentenfutter in einem Betonmischer mit Bauschutt verquirlt.

Du machst gute Miene zum bösen Stil und versuchst, dein Stück heimlich an die Katze zu verfüttern – ohne Erfolg: Die frisst lieber das Fellknäuel, das sie gerade ausgekotzt hat.


Dann ist da noch Panettone – der klassische, italienische Weihnachtskuchen. Der ist hefig, fluffig, saftig und vanillig. Alles Eigenschaften, die ihn zum GOAT des Adventsgebäcks machen könnten. Machen sie aber nicht. Weil das Rezept so viel Zitronat und Orangeat vorschreibt, als wäre in der Teigschüssel ein Schwarm gezuckerter Badeenten explodiert.

Jedes Jahr im Dezember überreicht dir der Oberkellner bei deinem Stammitaliener einen Panettone-Kuchen mit den Worten: „Ich wunsche dir ein frohliches Weihnachsfest.“ Und du fragst dich: „Warum hasst Luigi mich?“


Es gibt Lebensmittel, die polarisieren: Zum Beispiel Rosinen. Die einen lieben sie, die anderen hassen sie, die dritten behaupten „Ist mir egal“, lügen aber.

Bei Zitronat und Orangeat ist das anders. Zitronat und Orangeat spalten nicht, sie vereinen: Niemand mag sie. Wenn jemanden sagt: „Da war ganz viel Zitronat und Orangeat drin – lecker!“, kann das nur eins bedeuten: Die Person wurde entführt und das ist ein Hilferuf.

Vielleicht ist das der große Verdienst von Zitronat und Orangeat. Durch sie besinnen wir uns auf das, was uns vereint, nicht auf das, was uns trennt. Das macht sie vielleicht doch zur perfekten Weihnachtszutat: Der Hass auf Zitronat und Orangeat überwindet Gegensätze, stiftet Gemeinschaft und schafft eine tiefe Verbundenheit zwischen Menschen. So soll Weihnachten sein.

Darauf ein Stück Stollen.


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