Eine kleine Wochenschau | KW07/2025: Ohne Schnee, wär’s auch schee (Sorry.) (Teil 2)

Teil 1


13. Februar 2025, Berlin

Halb sechs. Wache auf, weil eine irritierende Helligkeit das Schlafzimmer erleuchtet. Ein Blick aus dem Fenster liefert die Erklärung: Es hat geschneit.

Die Gehwege, Straßen und Autos sind mit einer dünnen weißen Schneeschicht bedeckt, als hätte sie jemand mit Puderzucker überzogen. Sieht fast idyllisch aus. Also, wenn wir Dezember hätten und von vorweihnachtlicher Vorfreude beseelt wären. Haben wir aber nicht und sind wir nicht.

Mitte Februar braucht kein Mensch Schnee. Da haben wir die Kälte, die Nässe und die Dunkelheit satt und sehnen uns nach Frühling, Sonne und dem ersten Grün. Stattdessen haben wir Schnee. Ich möchte das nicht.

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Auf meiner Laufrunde joggt mir ein Mann entgegen. Mit großer Nase, buschigem Schnauzer, schwarzer Hornbrille. Sieht fast aus, als trüge er eine Brillen-Nasen-Maske.

Vielleicht tut er das tatsächlich. Weil er ein Promi ist, der nicht erkannt werden will. Nicht besonders wahrscheinlich, aber auch nicht vollkommen unmöglich. Immerhin soll Harry Styles gerade in Berlin sein und der will bestimmt gerne inkognito bleiben.

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Entdecke in meinem Notizbuch folgende Zeilen, die ich irgendwann festgehalten habe:

Leben ist das Leben vor dem Tod,
Leben ist am Abend Abendbrot.

Ich bin mir nicht sicher, ob das wahnsinnig deep ist. Weil diese wenigen profanen Worte die Banalität und Eintönigkeit des Lebens eines Mannes in der Midlife-Crisis erfassen, der in den Mühlen der Erwerbsarbeit und der Ödnis seines Familienlebens gefangen ist. (Keinerlei biographische Bezüge.)

Oder das ist ganz großer Mumpitz. Ich tendiere zu letzterem. (Nicht zuletzt, weil Mumpitz so ein schönes Wort ist.)

14. Februar 2025, Berlin

Morgendlicher Blick aus dem Schlafzimmerfenster. Es hat noch mehr geschneit. Schätzungsweise fünf bis zehn Zentimeter. Eigentlich eine romantische Winter-Wonderland-Szenerie, die sich draußen präsentiert. Wir haben aber weiterhin Februar und keine Adventszeit und deswegen möchte ich das immer noch nicht. (Und morgen auch nicht, falls Petrus hier mitlesen sollte.)

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Heute ist Valentinstag. Besondere Vorkommnisse: keine.

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Stoße bei Instagram auf die Seite von James McNicholas, einem Schauspieler, der bekannte Popsong als „dramatic monologues“ vorträgt.

Das ist großartig und genau für so etwas wurde das Internet erfunden. Nicht für Hass und Hetze, nicht für Fake News und Verschwörungstheorien und auch nicht für Pornos und Gewaltvideos. Nein, damit Menschen Quatsch machen, sich dabei filmen und andere daran teilhaben lassen.

Zum Beispiel, indem sie „Hero“ von Enrique Iglesias als Speed-Dating-Fragebogen durchgehen:

15. Februar 2025, Berlin

Draußen immer noch Schneelandschaft. Nicht mehr ganz so winter-wonderland-mäßig, sondern ein wenig weggetaut und angegraut. Das möchte ich auch nicht. (Wobei ich die Tendenz durchaus begrüße.)

Später Laufen im Schneegriesel. Das hört sich immer so urtümlich-verwegen an: Im Schnee joggen. Du gegen die Widerstände der Natur. Gegen die eisige Kälte, den beißenden Wind, den rutschigen Untergrund und die Nässe, die dir unter die Klamotten und in die Haut kriecht. Quasi wie „7 vs. Wild“, nur im Schlosspark Charlottenburg.

In der Realität ist das aber wenig erquicklich, dieses Joggen im Schnee. Da fühlt sich das nicht nach „Du gegen die Natur“ an, sondern mehr nach „Die Natur gegen dich“. Mit ihrer eisigen Kälte, dem beißenden Wind, dem rutschigen Untergrund und ihrer Nässe, die dir unter die Klamotten und in die Haut kriecht, hat die Natur einen ganz klaren Wettbewerbsvorteil.

Vor allem, wenn du kein kerniger, widerstandsfähiger Survivalist bist, der aus einem Kieselstein und einer Birkenrinde ein Zelt bauen kann, sondern ein Mensch, der die meiste Zeit des Tages drinnen am Schreibtisch verbringt, der nicht einmal mit Kompass die Himmelsrichtungen bestimmen kann und dessen Fitnesszustand im Februar ausbaufähig ist.

16. Februar 2025, Berlin

Um 18 Uhr brechen der Sohn und N. zu ihrer großen Asienreise auf. Zunächst fahren sie nach Frankfurt, verbringen noch zwei Tage bei dem Bruder meiner Frau und dessen Mann, bevor es dienstags über München nach Bangkok geht. Dann reisen sie zwei Monate lang durch Südostasien und besuchen Orte, von denen ich noch nie gehört habe und mir in meiner eurozentristischen Ignoranz nicht merken kann, weswegen ich sie hier nicht aufzähle.

Die beiden haben die komplette Reise ganz allein geplant. Flüge, Routen, Unterkünfte, sich um Impfungen gekümmert, ihre Reisepässe erneuert. Alles, ohne ein einziges Mal um Hilfe zu bitten.

Einerseits erfüllt dich das als Eltern mit Stolz. Dass dein Kind so selbstständig ist und in der Lage, so einen anspruchsvollen Trip zu organisieren. Andererseits ist uns etwas unbehaglich, ob die beiden wirklich an alles gedacht haben. Oder wie meine Frau sagt: „Am liebsten würde ich seine Tasche packen, damit er nichts vergisst.”

Ein Drang, den ich sehr gut nachvollziehen kann, dem du aber natürlich unter keinen Umständen nachgeben darfst. Wenn deine Kinder erwachsen werden, musst du als Eltern lernen, Kontrollverlust auszuhalten.

Zu meiner eigenen Beruhigung habe ich dem Sohn vor ein paar Wochen den Link zur Sicher-reisen-App des Auswärtigen Amts geschickt. Mit tagesaktuellen Reisehinweisen für alle Länder dieser Erde, den wichtigsten Kontaktnummern zu Botschaften und Konsulaten sowie aktuellen Notfallinformationen. Das muss reichen. Keine Ahnung, ob er sie installiert hat.

Gute Reise, E., gute Reise.


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5 Kommentare zu “Eine kleine Wochenschau | KW07/2025: Ohne Schnee, wär’s auch schee (Sorry.) (Teil 2)

    Erwähnungen

  • 💬 Heiko Bielinski

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