Eine kleine Wochenschau | KW08-2024

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


19. Februar 2024, Berlin

Für die Tochter beginnt in Carlow einer der soziokulturellen Höhepunkte des Jahres für Studierende: die sogenannte RAG Week.

Die RAG Week ist ein Charity-Event, denn RAG steht für „Raise and give“. Mir ist nicht klar, wer Adressat des Giving ist, aber für das Raising sind die Studierenden zuständig. Indem sie in den Pub gehen und Bier sowie andere alkoholische Getränke. Zum einen raisen sie damit ihren Blutalkoholgehalt, zum anderen Geld für irgendeinen guten Zweck. Wahrscheinlich die Vermehrung des Vermögens der Pub-Betreiber.

20. Februar 2024, Berlin

Mutter hat heute Geburtstag. Gesellschaftliche Konventionen verbieten, zu offenbaren, wie alt sie wird. Sagen wir es so: Bei den US-Präsidentschaftswahlen wäre sie nicht die älteste Kandidatin. Und nicht die schlechteste.

Stefan Waggershausen hat heute übrigens auch Geburtstag. Sie wissen schon, der der zu nah am Feuer war und dem es beim ersten Mal noch weh tat. Er wird 75. Damit wäre er tatsächlich der jüngste Präsidentschaftskandidat. Und ebenfalls nicht der schlechteste. (Zumindest solange er nicht singt.)

###

Die Schulkarriere des Sohns neigt sich immer schneller dem Ende entgegen. Er erklärt, er habe nur noch eine reguläre Stunde Mathe. Dann begänne die Prüfungsvorbereitung. Alle, die keine Matheprüfung machen, müssten zwar kommen, könnten aber machen, was sie wollen. Sofern sie niemanden stören.

Meine Frau meint, dann könne er die verbleibenden Mathestunden nutzen, um sich auf seine Abi-Fächer vorzubereiten. Sie verzieht dabei keine Miene. Der Sohn nickt und meint, genau das hätte er vorgehabt. Auch er bleibt vollkommen ernsthaft.

21. Februar 2024, Berlin

Weil er seit drei Wochen einen hartnäckigen Husten hat, den er nicht loswird, geht der Sohn heute früh zum Arzt. Ich frage ihn, ob er von dort direkt zur Schule geht. Er schüttelt den Kopf. Heute sei Elternsprechtag. Daher habe er nur zwei Kurzstunden und das würde sich nicht lohnen, dafür extra zur Schule zu fahren.

Ein interessanter Denkansatz. Ich habe heute nur eine Telefonkonferenz. Da lohnt es sich eigentlich auch nicht zu arbeiten.

###

In meiner Inbox ist eine Mail von Viktor Kaplan gelandet. Der Name kommt mir bekannt vor, aber ich kann ihn nicht zuordnen. Bis mir einfällt, dass es bei „Blacklist“ einen Mr. Kaplan gab. Das war allerdings eine Frau.

Der Viktor Kaplan, der mir schreibt, ist vom New International Performing Arts Institute. Er lädt mich zu einem Physical Theater Workshop ein. „Movement for Actors/Acting for Dancers“

Da ich weder Schauspieler noch Tänzer bin, fühle ich mich nicht angesprochen. Nähme ich an diesem Seminar teil, wäre das sicherlich für alle Beteiligten eine traumatische Erfahrung: Für mich, für die anderen Teilnehmer*innen und für die Dozent*innen. So viel Delfin-Therapie kannst du gar nicht machen, um das zu verarbeiten.

22. Februar 2024, Berlin

Als ich im Internet eine Unterkunft buchen möchte, stelle ich fest, dass meine Kreditkarte nicht funktioniert. Ungünstigerweise ist meine Kreditkarte von der Postbank. Das lässt nichts Gutes für die Lösung meines Kreditkartenproblems erwarten. Die Postbank versucht sich seit ungefähr einem Jahr darin, ihre Online-Geschäfte auf eine neue IT-Plattform umzuziehen und scheitert damit kolossal.

Seitdem sind meine Frau und ich dort beispielsweise nur noch unter meinem Namen registriert. Meine Frau existiert zwar noch namentlich in der Postbank-Datenbank, hat aber nur eingeschränkte Befugnisse und sämtliche Korrespondenz läuft über mich. Das bringt nicht nur einige Probleme beim Erledigen alltäglicher Geldgeschäften mit sich, sondern hinterlässt auch ein merkwürdiges 50er-Jahre-Feeling, als es Frauen nicht erlaubt war, ein eigenes Konto zu eröffnen oder größere Anschaffungen ohne Erlaubnis ihres Ehemanns zu tätigen. (Letzteres wurde ihnen erst irgendwann in den 70ern ermöglicht. Wohlgemerkt in den 1970ern, nicht 1870ern.)

Auf der Postbank-Website finde ich die Information, dass du bei Problemen mit deiner Karte entweder eine Service-Nummer anrufen oder in eine Filiale gehen kannst. Für den Anruf musst du deine Telefon-Banking-Zugangsdaten parat haben. Die habe ich aber nicht nur nicht parat, sondern besitze sie gar nicht, da ich das Telefon-Banking nie freigeschaltet habe. Wenn ich Online-Banking machen kann, warum sollte ich dann irgendwo anrufen, um eine Überweisung zu tätigen?

Folglich gehe ich zur nächstgelegenen Postbank-Filiale. Auf dem Weg bin ich bereits wenig hoffnungsvoll, dass mir dort geholfen werden kann. Eine nicht funktionierende Kreditkarte scheint mir ein High-End-IT-Problem zu sein, das die Kompetenz von durchschnittlichen Postbank-Angestellten übersteigt.

Als ich die Filiale betrete, wird meine naive Resthoffnung, meine Kreditkarte könnte schnell und unproblematisch freigeschaltet werden, endgültig zerstört. Hinter dem Schalter stehen eine Frau und ein Mann, beide Anfang 60. Wahrscheinlich sind sie schon seit mindestes 35 Jahren bei der Post, noch verbeamtet und arbeiten ihre wenigen Jahre bis zur Rente – beziehungsweise Pension – ab. Sie machen nicht den Eindruck, als seien sie IT-Wizards, die meine Kreditkarte zum Laufen bringen können.

Nach knapp zehn Minuten in der Warteschlange komme ich schließlich bei der Frau an die Reihe. Ich schildere ihr mein Kreditkartenproblem. Erstaunlich schnell hat sie eine Antwort parat. Das ginge nicht mehr über die CVC-Nummer auf der Kartenrückseite, sondern ich müsse eine Online-PIN festlegen.

Wenig erstaunlich ist das nicht die Lösung für mein Problem, denn das habe ich bereits getan. Nachdem ich ihr das erklärt habe, spiegelt sich Ratlosigkeit in ihrem Gesicht. Da müsse sie kurz mit ihrem Kollegen sprechen. Den fragt sie, ob es dafür nicht einen Merkzettel gäbe. Das weiß er zu bestätigen, sie solle mal in der Schublade nachschauen.

Diese durchwühlt sie für längere Zeit, wird schließlich fündig und händigt mir ein schlecht kopiertes DIN A4-Blatt aus. Eine Anleitung, wie ich die Online-PIN einrichten kann.

Ich sage, das hätte ich doch bereits getan und bemühe mich unter größtmöglicher Anstrengung, jedwede Gereiztheit von meiner Stimme fernzuhalten. Die Frau zuckt mit den Schultern und meint, dann solle ich nochmal mit ihrem Kollegen sprechen.

Nach weiteren fünf Minuten Warten erkläre ich dem selbigen, dass mein Kreditkarteproblem nicht mit der Online-PIN zusammenhinge. Daraufhin gibt er mir eine typische Berliner Antwort, in einem typischen Berliner Tonfall: „Da kann ich Ihnen auch nicht weiterhelfen.“ Er klingt dabei ein wenig, als sei das meine Schuld.

Weil er keine Anstalten macht, einen konstruktiven Vorschlag zu unterbreiten, wende ich ein, auf der Website stünde aber doch, dass man mit einer nicht funktionierenden Karte in eine Filiale gehen soll. „Ja, da müssen Sie dann aber Glück haben, dass Sie jemanden finden, der dazu Bescheid weiß“, erklärt mir der Mann. Offensichtlich habe ich dieses Glück nicht.

„Sie haben denjenigen in Berlin erwischt, der sich am wenigsten damit auskennt“, fährt der Mann fort. Ich habe den Eindruck, dass seine Kollegin ihm diesen Titel durchaus streitig machen könnte. Zur Wahrung einer konstruktiven Gesprächsatmosphäre behalte ich diese Vermutung für mich.

Der Mann erklärt, morgen seien aber Kolleginnen da, die wüssten Bescheid. Wahrscheinlich. Vermutlich hat er damit das Maximum seiner Problemlösungskompetenz erreicht. Also verabschiede ich mich und verkneife mir das „Danke für nichts“, das mir auf der Zunge liegt und sich nun enttäuscht in die Niederungen meines Sprachzentrums verziehen muss.

Weil ich nur wenig Hoffnung habe, dass mein Kreditkartenproblem morgen tatsächlich gelöst wird, öffne ich auf dem Heimweg die Postbank-App und kündige die Karte. Zu meiner großen Überraschung funktioniert das unkompliziert und problemlos. Anscheinend ist die Postbank beim Online-Banking doch nicht vollkommen inkompetent.


Weiter zu Teil 2


Alle Beiträge der Wochenschau finden Sie hier.


Sie möchten informiert werden, damit Sie nie wieder, aber auch wirklich nie wieder einen Familienbetrieb-Beitrag verpassen?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert