Schreiben gegen die Schreiblosigkeit

In unserem Badezimmer herrscht Tropenklima: 30 Grad und gefühlte Luftfeuchtigkeit von 95 Prozent. Fehlen nur noch Orang-Utans, die sich von Liane zu Liane schwingen.

Schuld ist die Heizung. Die lässt sich nicht abstellen. Selbst auf Null läuft sie wie eine überambitionierte High-Performerin. Nicht in Teilzeit, sondern 24/7. Friedrich Merz würde vor Rührung weinen.

Wer dagegen ein Low-Performer ist: Ich. Seit Wochen nichts Neues auf dem ‚Familienbetrieb‘. Zuletzt am 22. August, vor einem Monat. Über unseren portugiesischen Supermarkt. Ist Ihnen wahrscheinlich nicht aufgefallen. Der Algorithmus mochte ihn nicht: zu wenig Wut, zu wenig Streit, zu wenig Hass. (Oder zu wenig Qualität?)

Vor vierzehn Tagen gab’s noch ein zweitverwertetes „Wenn ich groß bin, werde ich Gott“-Kapitel. Zum einjährigen Buchgeburtstag – und damit das Tumbleweed auf dem Blog nicht so auffällt.

Selbst in Portugal textete ich nur sporadisch. Geplant war ein Veröffentlichungsfeuerwerk: pointierte Alltagsbeobachtungen, mehrmals die Woche. Mindestens.

Sagen wir es so: Am Input mangelte es nicht, am Output schon. Meine Kladde ist voll mit Eindrücken von Fado-Abenden, Museumsbesuchen und Städtetrips, der Blog blieb trotzdem leer. Beim vielen Erleben bleibt wenig Zeit zum Schreiben. Sieben Wochen nach der Rückkehr ist das so aktuell wie die Basler Fasnacht.

Ich könnte die Leser*innenschaft mit Anekdoten und Abenteuern von der iberischen Halbinsel unterhalten – zum Beispiel wie ich mit Daniel João 21 Kilometer über den Strand an der Costa da Caparica rannte oder wie wir und halb England in Albufeira Urlaub machten. Aber nein, ich poste nichts und das ist doch kein Zustand.

Regelmäßig denke ich mit schlechtem Gewissen: Man müsste mal wieder schreiben. Klingt nach Delegativ, aber hier ist niemand zum Delegieren. Nur ich und an sich selbst kannst du schlecht delegieren. Außer du hast multiple Persönlichkeiten.

Dabei gibt es so viele gute Blog-Vorbilder, an denen man sich ein Beispiel nehmen könnte. Menschen wie Maximilian Buddenbohm, Frau N. oder Friederike Kroitzsch delegieren nicht, die legen selbst Hand an. Täglich ins Blog-Atelier, Wörter freilegen, Sätze meißeln, Absätze bauen – und dann Beiträge veröffentlichen, als gäbe es kein Morgen. Fast so produktiv wie unsere Badezimmerheizung.

Bewundernswert. Und für einen Wenig-und-langsam-Schreiber wie mich beschämend. Bei mir gibt es seit Wochen nicht mal Notizen.

Letzten Mittwoch wollte ich wenigstens Stichpunkte machen. Irgendwas. Hauptsache anfangen, ins Rollen kommen, Routine finden. Notfalls nur eine Zeile: „Heute habe ich einen Satz geschrieben.“

Der Tag ging, der Dujardin kam nicht – die Älteren erinnern sich – und das Notizbuch blieb auch leer. Kein Satz, kein Wort, nicht einmal ein einzelner Buchstabe. Zum Beispiel ein ‚e‘. Für das hat man ja immer Verwendung.

Stattdessen versteckte ich mich hinter Erwerbs- und Hausarbeit, die meine Kreativität behindern. Dann auch noch das bedrückende Weltgeschehen. Das ist auch kein heiterer Quell der Inspiration. Vielleicht sollte mich Trump canceln – dann hätte ich eine Entschuldigung für meine textliche Tatenlosigkeit.

Kurz sinnierte ich über eine mögliche Schreibblockade. Klingt ein wenig melodramatisch, fast schon aufschneiderisch. Schließlich verfasse ich keine Thomas-Mann-Romane. Nur halbwegs lustige Alltagsbeobachtungen. Die müssten auch drin sein, selbst wenn man eine Präsentation mehr erstellen, Einkäufe erledigen oder sich bei der Hausverwaltung melden muss, weil die vermaledeite Heizung läuft und läuft. (Beziehungsweise melden müsste – habe ich auch nicht hinbekommen.)

Weil das so nicht weitergeht, lege ich nun wieder los. Mit weniger Plan, aber mehr Posts. Ohne großes Konzept- einfach schauen, was passiert.

Heute hat das schon mal gut funktioniert: erstaunlich viele Worte zum Thema „Nichtschreiben“. Morgen geht’s weiter. Notfalls mit einem einzigen Satz. Oder einem Buchstaben. (Sie dürfen ihn sich aussuchen.)

Weil ich jetzt so gut im Fluss bin, schreibe ich gleich noch der Hausverwaltung. (Betreff: „Heizung beantragt Teilzeit“


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26 Kommentare zu “Schreiben gegen die Schreiblosigkeit

  1. Ich kann dir einen Tipp geben, wie man Aufschieberitis begegnen kann.

    Schreib die eine Liste zum abhaken, was du alles erledigen solltest, mit den Rubriken, “jetzt”, “nächste Woche”, “langfristig”. Da kannst du dann einzelne Aufgaben abhaken und dich freuen.

    Du wirst dich sicher fragen, “Hilft das?”

    Nein.

    Lieben Gruß
    Andi

    • Ich liebe To-Do-Listen und habe verschiedene Systematiken, Vorlagen, Strategien, um Aufgaben, Projekte und Jobs zu kategorisieren, zu priorisieren und zeitlich zu sortieren. Weniger Spaß macht es dann, die To-Dos abzuarbeiten. (Außer man schreibt “To-Do-Liste erstellen” auf die To-Do-Liste. Dann hat man das befriedigende Gefühl, zumindest eine Aufgabe erledigt zu haben.)

    • Die Rückfahrt war anders eindrucksvoll. Ich möchte nicht ausschließen, sie irgendwann doch noch zu vertexten.

      (*notiert sich das ‘e’*)

  2. ich wartete auch auf die rückfahrt, nun wähnte ich dich im süden. prima, d geht auch. die beschriebenen gedanken habe ich ähnlich auch manchmal. meine lösung ist, mich zweimal wöchentlich zu einem blogbeitrag zu zwingen. guten neustart wünscht roswitha

  3. Ich wünsche mir ein ö.
    Ansonsten freue ich mich immer, wenn ich hier was neues lese, auch wenns mal länger dauert.
    Was gegen Schreibblockade hilft weiß ich nicht, ich weiß nur was nicht hilft – Tipps lesen wie man sie überwindet. Das lenkt nur ab, und dann schreibt man erst recht nicht.
    Ich will jetzt das Diktieren testen, also streng genommen will ich das schon ewig testen, ich vergesse es nur immer. Vielleicht klappt sprechen besser als schreiben, und vielleicht klappt das wirre Zeug in einen lesbaren Text zu verwandeln auch besser, als einen Anfang zu finden. Ich weiß es nicht.

  4. „Der Tag ging, der Dujardin kam nicht – die Älteren erinnern sich“
    Ich bin sooo alt, dass ich mich erinnere an „Der Tag geht, Jonny Walker kommt“. 🙂
    Zur Sache: Mit geht es schon länger ähnlich: Es gäbe übergenug Themen zum Bloggen, aber ich komm nicht dazu… Wenn ich das genauer betrachte, liegt es nicht daran, dass ich wirklich keine Zeit hätte (wegen Erwerbsarbeit etwa), sondern daran, dass ich viel zu viel „Input“ zulasse: jede Menge Youtube-Videos zu Themen, die mich interessieren, ebenso News, Blogposts, Dokus etc. Alles hoch interessant, aber es stellt auch immer die Konkurrenz-Frage: Warum über dieses schreiben und nicht über jenes?
    So kommts, dass ich eher das nächste Video schaue anstatt endlich zu bloggen…
    Immerhin gibt es Sternstunden, wenn Kommentierende ernsthafte Debatten im Diary führen (wie gerade etwas abschweifend unter dem aktuellen Artikel, siehe Namenslink). Da rede ich dann schon mit….

    • Du hast natürlich recht: Johnnie Walker kommt und irgendetwas war einen Dujadin wert. (Was ich persönlich als keine besondere Belohnung empfinde.)

      Von der Debatte unter dem Beitrag bin ich einigermaßen fasziniert, wie diese argumentativ und (fast gar) nicht konfrontativ geführt wird.

      • Nein, nein, irgendwas ist einen Asbach Uralt wert. Und „Darauf einen Dujardin.“ (Oh je, ich bin alt UND mein Gedächtnis taugt nur noch für Werbesprüche!)

        Aber was mich noch interessiert: Wie kommen Sie als Berliner auf einen Vergleich mit der Baseler Fasnacht?

  5. Ich nehme L.

    Ich muss bei deinem Text irgendwie an Schweinehund denken.
    Ich weiß auch nicht, was ich kommentieren soll. Aber Hauptsache was zu schreiben, damit du siehst, dass ich dich, also der Blog, nicht dort wo du wohnst, gerne besuche. Deutsch ist nicht meine Muttersprache und ich habe viel von hier gelernt :-)

    Viele Grüße

Erwähnungen

  • Christian Hanne
  • Gerhard
  • Frau Katha
  • Anne
  • FrauC
  • Christian Hanne
  • Christian Hanne
  • Christian Hanne
  • Christian Hanne
  • Schweinehund
  • ClaudiaBerlin
  • Melanie
  • roswitha
  • Christian Hanne
  • Christian Hanne
  • Christian Hanne
  • Christian Hanne
  • Christian Hanne
  • Christian Hanne
  • Birgit M.
  • Corinna
  • Maximilian Buddenbohm
  • Mirko Quaas
  • Daniel
  • Tanja
  • Andi

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