Es ist Dienstagmorgen, 9.30 Uhr. Die Kinder spielen im Pool, die Frau liegt lesend auf dem Liegestuhl, im Hintergrund zirpen die Zikaden, ein paar Vögel zwitschern. Eigentlich alles ganz idyllisch.
Trotzdem fühle ich mich angespannt, fast schon gestresst. Ich müsste etwas für den Urlaubsblog schreiben, müsste den Beitrag von gestern veröffentlichen, müsste ein paar Bilder bearbeiten. Im Urlaub sollst du aber nicht „Müssen“ müssen, im Urlaub sollst du „Wollen“ wollen. (Ein Satz, der in meinem Kopf ganz gut klang, sich aber so niedergeschrieben etwas merkwürdig liest. Egal, ich lasse ihn jetzt so stehen.)
In den letzten Jahren habe ich mich immer auf den Urlaubsblog gefreut. Fernab vom Alltag und der Arbeit genügend Zeit haben, um in Ruhe zu bloggen. So wie andere Menschen am Strand, beim Wandern oder beim Sightseeing entspannen, so genoss ich es, meine Umwelt zu beobachten und darüber zu schreiben. Zum Beispiel über verschrobene Strandkorbnachbarn auf Föhr, über vollkommen überfüllte Strände auf Sardinien oder über morgendliches Joggen mit streunenden Hunden in Psakoudia. Von der Muse geküsst, flogen mir die Einfälle und die Formulierung förmlich zu. Ich notierte sie tagsüber in meinem Büchlein, tippte sie abends ab, veröffentlichte sie in der Nacht und erfreute mich am nächsten Tag über die vielen positiven Reaktionen.
Doch dieses Jahr ist es irgendwie anders. Die Einfälle und Formulierungen fliegen mir nicht zu, sondern ich muss sie suchen. Und zwar krampfhaft. Trotzdem finde ich nichts. Weder beim Joggen noch am Strand und auch nicht beim Einkaufen oder beim Schlendern durch Bali. Nach acht Jahren Urlaubsblog scheint mein Kopf leer zu sein, es fehlen mir die Ideen, etwas zu schreiben, was ich nicht schon dutzende Male beschrieben habe.
Eigentlich war ich schon vor dem Urlaub skeptisch, was die Bloggerei angeht. Aber das hatte ich bisher jedes Jahr. Die Befürchtung, dass mir nichts einfällt, ich keine Ideen habe, es nicht genügend Stoff für Beiträge gibt. Wenn wir dann aber in unserem Urlaubsort ankamen, lief das Schreiben immer fast wie von alleine.
Aber nicht so in Bali. Hier küsst mich die Muse nicht, sondern ich muss mit ihr kämpfen, sie regelrecht in den Schwitzkasten nehmen, damit sie überhaupt irgendetwas ausspuckt. Und abends hatte ich keine Lust, noch etwas zu schreiben, sondern der Gedanke, den Computer hochzufahren, hatte eher etwas Zwanghaftes. Eher wie Arbeit als ein Hobby, das Spaß macht. Etwas, was ich tun muss, aber nicht was ich tun will.
Im Urlaub sollst du aber nicht „Müssen“ müssen, im Urlaub sollst du „Wollen“ wollen. (Auch beim zweiten Mal hört sich der Satz nicht viel besser an.) Oder wie es so schön heißt: Alles geht, nichts muss. Und wenn nichts geht, dann muss auch nichts.
Ich will mich in den nächsten Tagen aber nicht mit meiner Einfalls- und Ideenlosigkeit rumärgern müssen, sondern ich will die Zeit mit der Familie genießen, seichte Urlaubslektüre lesen, am Strand und im Garten abhängen und mich einfach erholen. Und deswegen habe ich entschieden, dass ich den diesjährigen Urlaubsblog beende, bevor ich ihn richtig begonnen habe.
Herzlichen Dank für die vielen Kommentare und Reaktionen auf die ersten beiden Beiträge. Lesen Sie einfach meine alten Urlaubsblog oder genießen Sie so den Sommer.
Bis bald!
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)