Post aus Portugal #18 | Urlaub in Albufeira – eine semi-teilnehmende Feldforschung

Setting und Methode

Das hier vorgestellte ethnologisch-kulturanthropologische Forschungsprojekt fand im Rahmen eines einwöchigen Urlaubsaufenthalts in Albufeira statt (6. bis 14. Juni 2025). Als Erhebungsmethode diente die semi-teilnehmende Beobachtung, durchgeführt während mehrerer ausgiebiger Spaziergänge durch die Altstadt. Das daraus resultierte Untersuchungsmaterial umfasst Beschreibungen sichtbarer Praktiken und spontaner Eindrücke sowie auditive Kartierungen.

Die explorativ angelegte Untersuchung fokussierte darauf, wie soziale Dynamiken, kulturelle Bräuche und Rituale der Vergemeinschaftung einen Ort des Außeralltäglichen generiert, an dem sich die Spaß- und Erlebnisgesellschaft materialisiert. Zusammengefasst lautete die forschungsleitende Fragestellung: „Was zur Hölle geht hier ab?“

Zur Einordnung der Studienergebnisse sei darauf hingewiesen, dass die Forschenden weder der Landessprache mächtig sind noch über einen ethnologischen oder kulturanthropologischen Hintergrund verfügen. Daher lassen sich ihre Schlussfolgerungen möglicherweise nur bedingt verallgemeinern, wobei „bedingt“ in diesem Zusammenhang als „auf gar keinen Fall“ zu verstehen ist.

Weißer Albufeira-Schriftzug mit rotem Herz am Strand.
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Post aus Portugal #16 | Cascais – Küste, Kiosk, Karussell. Oder: Ebbe im Höllenschlund

Himmelfahrt, 9.45 Uhr. Irre orientierungslos durch die untere Ebene des Bahnhofs Cais do Sodré, das Gleis suchend, an dem der Zug nach Cascais abfährt. Ich habe keine Ahnung, wo wir hinmüssen. Zu viele Gänge, zu wenige Schilder.

Ein Jugendlicher, circa 16/17, nimmt seinen In-Ear-Kopfhörer aus dem Ohr und schaut mich freundlich an. „Do you need help, sir?”

Sehr aufmerksam von ihm. Gleichzeitig klingt seine Frage, als spräche er mit einem geistig verwirrten Opi, der aus dem Altersheim ausgebüxt ist und nicht weiß, wo er sich befindet.

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Post aus Portugal #15 | Supermarktbesuche. Oder: Die Entdeckung der Langsamkeit

„Bom dia.“ Die Begrüßung der jungen Frau hinter der Supermarktkasse war nicht übermäßig enthusiastisch. Eher geschäftsmäßig, wie eine lästige Pflicht, die zu erledigen war.

Sicherlich hatte der Marktleiter sie angewiesen, die Kund*innen willkommen zu heißen, jedoch vergessen, den Grad der an den Tag zu legenden Herzlichkeit näher auszuführen. Die hängenden Schultern und der abwesende Blick der Kassiererin signalisierten, dass sie lieber woanders wäre.

Diese Ausführungen sollen aber keine kleinliche Kritik eines nörgelnden Deutschen am portugiesischen Einzelhandelspersonal sein. Als Berliner stünde mir das gar nicht zu. Bei meinem Penny löst das ebenfalls keine Begeisterungsstürme aus, wenn ich an der Kasse erscheine. Dort bekomme ich auch keine Umarmung mit Küsschen links und Küsschen rechts. (Worüber ich aus einer Vielzahl von Gründen sehr dankbar bin.)

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Post aus Portugal #12 | Ein Monat voller Feiertage

„I remember you. You’ve been here yesterday. And the day before”, sagte die junge Frau mit den dunklen Locken und der schwarzen Hornbrille und lachte mich an. „I like you. You are my favorite person.”

So etwas hört man natürlich gern. Dass man wiedererkannt und gemocht wird. Und nicht nur das. Man ist sogar eine Lieblingsperson.

Bedenklich war allerdings, dass es sich bei der jungen Frau, die sich so über das Wiedersehen mit mir freute, um die Sangria-Verkäuferin am São Pedro de Alcântara handelte, und ich die letzten drei Abende tatsächlich bei ihr war. Mehrfach.

Ein großer Sangria-Neon-Schriftzug an einem Getränkestand
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Post aus Portugal #10 | Halbwissen über Lissabon

„Hello, my name is Beatriz and I am your tour guide.”

Es war Anfang Mai, wir wohnten noch in unserem muffigen Hochhaus-Airbnb, und standen mit rund zwölf Personen an der Statue des Dichters António Ribeiro Chiado, gegenüber des historischen Café A Brasileira, dem Ausgangspunkt für unseren gemeinsamen dreistündigen Stadtspaziergang.

Wie immer hatten wir eine englischsprachige Tour gebucht, um nicht mit einem Rudel Deutscher durch die Stadt latschen zu müssen. Diesmal funktionierte das auch, wie sich nach der Vorstellungsrunde rausstellte. Die Gruppe bestand aus Amerikanern, Engländern, Neuseeländern und einer Japanerin.

Außer uns war ein anderes Paar aus Deutschland dabei. Schon bevor sie sich vorstellten, meinte meine Frau, die beiden sähen deutsch aus. Wir möglicherweise auch. Ich glaube, es sind die Eastpak- und Fjällräven-Rucksäcke, die uns Deutsche verraten.

Gelber Lisboa-Schriftzug auf dem Praça do Comércio
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Post aus Portugal #09 | Wohnung gesucht. Und frische Unterhosen.

Freitag, 2. Mai

Morgens aufwachen im Hotel. Ein deutlicher Hinweis, dass ich nicht geträumt habe, in dem von uns angemieteten Appartement wäre der Wasserboiler von der Wand gekracht und hätte die halbe Küche zerstört. Dafür ist das Bett bequem. Positiv denken.

Im Bett Wohnungsrecherche. Ernüchterndes Ergebnis. Kurzfristig verfügbare Wohnungen sind rar, teuer, ungeeignet (Wohnheimzimmer mit Gemeinschaftsbad und -Küche) oder dezentral (in Vierteln, die so weit entfernt sind, dass sie eher zu Porto als zu Lissabon zählen). Häufig alles zusammen.

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Post aus Portugal #08 | What the actual fuck? (01.05.)

„Ein Tag wird nicht schlechter, wenn er mit Käsekuchen beginnt.“ Dachte ich, während ich mir eine Gabel des Käsekuchens, der mich zu dieser Weisheit inspirierte, in den Mund schob.

Dann lud ich ein Foto des Kuchens auf Instagram hoch, schrieb den von mir erdachten Satz dazu und hoffte auf Likes, Herzchen und andere Formen der Beifallsbekundung.

Sieben Stunden später sollte mir das Leben, das Schicksal oder was auch immer zeigen, dass meine Weisheit gar nicht so weise war. Im Gegenteil. Sie war eine spektakuläre Fehleinschätzung.

Trotz des Käsekuchen-Starts wurde unser Tag nicht nur nicht schlechter, sondern richtig schlecht. Noch schlechter wäre er nur gewesen, hätte ich ihn statt mit meiner Frau mit Friedrich Merz und Donald Trump verbringen müssen.

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Post aus Portugal #07 | It never rains in Porto, außer heute (30.04.)

Stadtspaziergang durch Porto. Bei Regen. Mal mehr, mal weniger. Meistens mehr. Ab und an auch mal weniger. Aber selten.

Für die Souvenir-Verkäufer ein einträgliches Geschäft. Kaum fällt der erste Tropfen, haben sie Schirme, Regenjacken und Ponchos im Angebot, die sie werbe- und verkaufswirksam am Eingang ihrer Läden präsentieren. Was gut für uns ist. So erstanden wir gleich morgens einen Knirps für fünf Euro. Und den obligatorischen Kühlschrank-Magneten gleich dazu, womit das auch erledigt wäre.

Panoramablick über Porto
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Post aus Portugal #06 | Der Weg ist das Ziel (29.04.)

Teil 1, Teil 2


Dinge, die nie auf meiner Bucket-Liste standen, die ich nun trotzdem abhaken kann: In einer spanischen Kleinstadt, von der ich vorher noch nie gehört habe, auf dem Boden eines Bahnhofs schlafen, zugedeckt mit einer Rot-Kreuz-Decke.

Trotz windschützender Wand und Rucksäcke war es draußen irgendwann zu ungemütlich. Die Kälte kroch unter die Decke, meine beiden Jacken, die ich trug, meine Kleidung, bis in die Knochen hinein.

Gegen halb zwei verzogen wir uns in die Wartehalle, um uns ein Plätzchen zu suchen. Der einzige noch freie Raum war eine Gasse, die für den Weg zum Klo freigehalten worden war. Ich befand, ein Klogässchen müsste ausreichen und legte mich an den Rand.

In der verklärenden Erinnerung meines Kurzzeitgedächtnisses hatte ich auf dem Bahnhofsvorplatz eine halbwegs bequeme Schlafposition gefunden. Hier gelingt mir das nicht so recht. Auf dem Rücken liegend, tun die Fersen weh, drehe ich sie nach außen, schmerzen die Knöchel.

In der Seitenlage drückt wiederum mein Beckenknochen unangenehm auf den Betonboden. Oder der Betonboden auf meinen Beckenknochen. Das ist eine Frage der Perspektive. Allerdings mit dem gleichen Resultat: Aua.

Foto aus einem fahrenden Bus. Draußen fährt ein LKW vorbei.
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Post aus Portugal #04 | Es steht ein Zug im Nirgendwo (28.04.)

12.40 Uhr. Unser Zug steht. Dabei sollte er fahren. Von Madrid nach Vigo. Tut er aber nicht. Schon seit zehn Minuten.

Stattdessen hat er irgendwo in der kastilischen Walachei gehalten. Draußen ist nicht viel zu sehen. Keine Ortschaften oder Ansiedlungen weit und breit. Nur Landschaft. Davon ziemlich viel. Links und rechts erheben sich kleinere Hügel, die Vegetation rangiert farblich von dunklem Grün bis verdorrtem Braun.

Der Zug macht keine Anstalten, sich wieder in Bewegung zu setzen. Als regelmäßiger Kunde der Deutschen Bahn findest du das erstmal nicht ungewöhnlich. Da hältst du auch mal mitten auf der Strecke. Wegen Personen in den Gleisen, noch belegten Bahnsteigen im nächsten Bahnhof, Stellwerkproblemen oder so etwas.

Gerade haben wir aber keine Ahnung, warum der Zug nicht fährt. Es gibt keine Durchsage, keine Erläuterung, keine Informationen. Garnichts.

Da ist die Deutsche Bahn vorbildlich. Die klärt in der Regel sehr zügig auf, was das Problem ist und warum die Fahrt nicht fortgesetzt wird. Vielleicht haben die deutschen Zugbegleiter*innen damit mehr Erfahrung als ihre spanischen Kolleg*innen von Renfe.

Eine gute Viertelstunde später betritt ein Schaffner den Waggon und spuckt einen Wortschwall in Maschinengewehrgeschwindigkeit aus. Ich meine, die Worte „Strom“ (energia) und „ganz Spanien“ (toda España) herauszuhören.

Da ich meinen Spanischkennt-nissen nicht ganz vertraue – zu Recht, denn ich spreche kein Spanisch –, frage ich einen Mit-reisenden über den Gang, ob ich das richtig verstanden habe. Das Englisch des Mannes ist unwe-sentlich verständlicher als die Ansage des Schaffners, aber er bestätigt meine Vermutung. („No electricity, whole country.“)

Kein Strom im ganzen Land, hört sich nicht gut an. Ich habe genügend apokalyptische End-of-the-world-Katastrophen-Thriller gelesen und verfüge über ausreichend schwarzmalende Phantasie, dass ich mir irgendetwas zwischen Sabotage, Hackerangriff und Terrorismus zusammenreime.

Ein Zug der irgendwo auf einer Bahnstreck steht. Davor laufen Menschen auf und ab und telefonieren.
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