Eine kleine Wochenschau | KW04-2024 (Teil 2)

Teil 1


25. Januar 2024, Berlin

6. 45 Uhr. Die letzte Nahrungsaufnahme liegt 82 Stunden zurück. Fühle mich kaputt. Meine Sinne scheinen mir auch nicht schärfer als sonst zu sein. Im Gegenteil. Komme mir vor, als sei ich in Watte gehüllt. Alles um mich herum ist dumpf und stumpf.

Kaffee würde jetzt guttun. Auf jeden Fall besser als meine Tasse Tee der Sorte „Morgenglück“. (Lügen-Tee)

In einer Art Übersprungshandlung höre ich „Ich mag“ von Volker Lechtenbrink. Das war früher das Lied in der Caro-Kaffee-Werbung. Caro-Kaffee ist gewiss nicht mein Lieblingsgetränk und auf keinen Fall Bohnenkaffee vorzuziehen. Gerade würde ich alles für eine Tasse Caro-Kaffee geben. Obwohl, wenn ich schon alles gebe, dann vielleicht doch lieber für einen richtigen Kaffee. Und wenn wir schon dabei sind, nähme ich noch ein Stück Käsekuchen dazu.

Singe gemeinsam mit Volker Lechtenbrink: „All das mag ich. Und ganz doll dich.“ Und ja, damit meine ich Kaffee.

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Mein Plan war, vormittags laufen zu gehen. Für die Agentur ist aber so viel zu tun, dass ich die Lauferei erstmal verschieben muss. Das viele Arbeiten hat auch seinen Vorteil: Es bleibt mir keine Zeit, um an Essen zu denken. Ob die Qualität meiner Arbeit besonders hoch ist, vermag ich nicht mehr zu beurteilen.

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15.45 Uhr. Komme endlich zum Laufen. Heute bin ich wieder erstaunlich fit und leistungsfähig. Bin ich vielleicht doch ein Keton-geschwängerter Hazda-Jäger?

Eine Frage, die ich nach zwei Kilometern verneinen kann. Meine Fitness- und Leistungslevel geht rapide runter. Zum Schluss bin ich so langsam, dass mich die Menschen wahrscheinlich für eine lebende Statue halten. Oder sie denken, ich habe beim Laufen einen Herzstillstand erlitten. Hoffentlich versuchen sie nicht, mich zu reanimieren.

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20 Uhr. Schauen abends „The Bear“. Eine Disney+-Serie, die in der Küche eines Chicagoer Sandwichladens spielt. In der ununterbrochen gekocht wird. Nicht die beste Streaming-Entscheidung, wenn du seit vier Tagen nichts gegessen hast.

Die gesiebte Gemüsebrühe schmeckt noch trostloser, wenn du dabei zusiehst, wie zartes Fleisch, tomatige Nudelgerichte und saftiger Schokoladenkuchen zubereitet werden. Und verzehrt. Ob meine Frau es merkwürdig findet, wenn ich den Bildschirm ablecke?

26. Januar 2024, Berlin

6. 30 Uhr. Ich, das Sofa und ein Glas Wasser. Die Fasterei ist heute rum. Erster Aufbautag. Ich dürfte einen Apfel essen. Bin aber zu antriebslos, um in die Küche zu gehen und mir einen zu schneiden.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder bitte ich meine Frau, mir Apfelschnitzen zu machen. Das hätte aber so unangenehme Patriarchats-Mutti-Vibes. Oder ich faste weiter. Bis mein Körper so viel Keton produziert hat, dass ich euphorisiert und fastengeflasht in die Küche hüpfe und mir voller Tatendrang einen ganzen Obstsalat zubereite.

Ich überlege noch. Vielleicht kommt der Apfel irgendwann von selbst aus der Küche. Das wäre eine dritte Möglichkeit. Und die beste.

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19 Uhr. Meine Frau und ich stehen in der Küche und schnippeln kiloweise Karotten, Pastinake, Lauch, Broccoli und Blumenkohl. Für unsere erste größere Mahlzeit, die wir nach dem Fasten zu uns nehmen dürfen: Gemüsesuppe. Mild gewürzt. Oder am besten gar nicht. Um den Magen ganz sanft an normales Essen heranzuführen.

Ich bin kein großer Gemüsesuppe-Fan. Im Gegenteil. Böte mir jemand unter normalen Umständen Gemüsesuppe an, würde ich erwidern: „Vielen Dank, ich habe bereits gegessen!“ Die Umstände sind aber nicht normal, denn genau dies habe ich nicht getan. Gegessen. Seit fünf Tagen. (Außer vorhin einen Apfel und eine Banane.)

Daher greife ich mit großem Appetit zu und finde die Gemüsesuppe köstlich. Schmeckt wie das beste Essen der Welt. (Käsekuchen, Pizza und Nudeln schauen mich entrüstet an. Ich glaube, das Fasten hat mich gebrochen.)

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20.30 Uhr. Bei „The Bear“ wird ein neues Risotto-Gericht ausprobiert. Das wäre noch besser als Gemüsesuppe, denke ich. (Kampflos gebe ich mich nicht geschlagen!)

27. Januar 2024, Berlin

8 Uhr. Überlege auf dem Sofa, ob ich einen Kaffee trinken soll. Ein Gedanke, der mir vor einer Woche nicht in den Sinn gekommen wäre. Da wäre die Antwort so klar gewesen, dass sich die Frage gar nicht gestellt hätte.

Heute zaudere ich. Was, wenn mein Magen das noch nicht verträgt, mir schlecht wird und ich nie wieder Kaffee trinken will? Das Risiko ist mir zu hoch. Was wäre das für ein Leben? Ich möchte kein Mensch sein, der den Morgen mit einer „leckeren“ Tasse Kräutertee begrüßt. Dafür habe ich viel zu viel Respekt vor dem Morgen. Der kann einem immerhin den ganzen Tag versauen.

Esse erstmal einen Apfel, eine reife Banane und zwei Scheiben Dinkel-Toast. Nun sollte mein Magen gewappnet sein für Kaffeebohnen, Koffein und einen Schuss Milch.

Zu meiner Enttäuschung muss ich feststellen, dass der erste Kaffee nur so mittel schmeckt. Auf keinen Fall die geschmackliche Offenbarung, wie ich sie mir die letzten Morgen vorgestellt habe, während ich gezwungenermaßen an meinem Kräuter-, Früchte- oder Ayurveda-Tee nippen musste.

Der Kaffee ist nicht so kräftig und intensiv, wie ich ihn mir erträumt habe. Wenn das so bleibt, wird das schwierig mit dem morgendlichen Lebensgeisterwecken. Möglicherweise liegt es an der Maschine. Die war sieben Tag im Stillstand, ist aus der Übung und muss erst wieder lernen, wie man leckeren, wohlduftenden Kaffee kocht.

Oder meine Kaffeegeschmacksknospen sind, nachdem sie eine Woche nichts zu tun hatten, verkümmert und ich muss sie aus dem Fasten-Schlaf holen. Noch gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass ich doch nicht zu einem Kaffee hassenden und Kräutertee liebenden Menschen mutiert bin.

28. Januar 2024, Berlin

Die Fastenwoche ist auch an meinen Spam-Mails nicht spurlos vorbeigegangen. Früher bekam ich Angebote für Viagra, Penis-Pumpen und gefälschte Luxusuhren.  In den letzten sieben Tagen hatten meine Spam-Mails dagegen folgende Betreffzeilen:

  • “Unlock strong vision: Try our natural eye dropper today”
  • “Do you have joint pain, swelling and stiffness?”
  • “Rebuild gums and teeth today”
  • “Is tinnitus dangerous?”
  • “Sleeping problems? ”
  • “How stretching helps your body”
  • “Discover a method for healthy blood sugar”
  • “Protect your memory now”

In der Prä-Fasten-Ära trauten mir die Spammer ein ausschweifendes Sexleben zu, dem lediglich durch ein paar Erektionsbooster und mit penisverlängernden Maßnahmen ein bisschen auf die Sprünge geholfen werden muss. Und mit ihren Fake-Chronometern könnte ich mich der Damenwelt als geldwerten und potenten Fuckbuddy präsentieren.

Jetzt halten die Spammer mich für ein ungelenkiges, vergessliches und diabetöses Wrack mit Schlaf, Seh- und Hörproblemen. Bei so einem Typen, denken sie, liegt so viel im Argen, da ist an orgiastische, sexuelle Aktivitäten überhaupt nicht zu denken.

„Leude, hier müssen wir erstmal Generalüberholung machen. Anschließend kümmern wir uns dann um den funktionsuntüchtigen Minipimmel.“


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2 Kommentare zu “Eine kleine Wochenschau | KW04-2024 (Teil 2)

  1. Na Klasse, Herr Hanne!

    Ich finde Ihre “Reportagen” immer sehr amüsant und Herzerfrischend.
    Heute jedoch haben Sie sich ja einen geleistet.
    Seit dem lesen habe ich einen
    OHRWURM. Danke dafür. { nicht!}

    Ich mag Sie und Ihre Familie,
    *und ganz doll dich*

    Mit lieben Grüßen aus Bad Homburg
    Manuel Schröder

  2. Die Spam-Zusammenfassung lässt mich jetzt vermutlich den Nachmittag über grinsen. Immerhin gab es diesmal keinen Selleriesaft. (Oder Sauerkrautsaft?)

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