15. April 2022, Berlin
Der Sohn gibt fürs Frühstück vier Brötchen in Auftrag. Vier Hälften mit Spiegelei, Schinken und Käse, zwei Hälften mit Erdnussbutter und Marmelade, zwei Hälften mit Schoko-Creme. Dazu noch einen großen Kaffee. Langsam drängt sich bei mir der Eindruck auf, der Sohn hat sich einen neuen Omnikron-Subtypus mit dem Hauptsymptom „Fressverhalten eines ausgewachsenen Mammuts kurz vor dem Winterschlaf“ eingefangen.
Dafür ist aber der zweite Strich auf seinem Test heute fast gar nicht mehr zu erkennen. Wenn er Glück hat, kann er sich am Sonntag frei testen.
Corona sorgt allerdings bereits für Nachschub. Meine Frau hat sich Abend schon nicht so toll gefühlt, aber ihr Test war negativ. Heute Morgen streicht sie zusätzlich den Rachen ab und nun erscheint ein sehr dünner, aber nicht zu verleugnender zweiter Strich. Richtig topfit bin ich auch nicht, mein Test belässt es aber bei einem Strich. Wahrscheinlich habe ich mir das Stäbchen nicht tief genug in den Rachen geschoben.
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Jetzt, wo es in unserer Familie 2:1 für die Infizierten steht, müssen wir die Wohnung neu aufteilen. Meine Frau hält sich im vorderen Teil in unserem Schlafzimmer auf, der Sohn im hinteren Teil in seinem Zimmer, ich im Rest der Wohnung. Eigentlich würde es mehr Sinn machen, wenn ich mich auf einen Raum beschränken würde, während den beiden Coronies die restliche Wohnung überlassen wird. Aber wir halten es für eine nicht so gute Idee, dass meine Frau heute Abend kocht und mir eine vervirte Mahlzeit kredenzt. (Wahrscheinlich ergibt das biochemisch, physikalisch und virologisch überhaupt keinen Sinn, aber ich habe keine Lust, dazu eine tiefgründige Recherche zu starten. Vor allem nicht, wenn mich diese den Zugang zum großen Fernseher kosten könnte.)
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Ich kümmere mich später ums Abendessen. An Karfreitag gab es bei uns früher immer Fisch. Für meinen Bruder und mich, als wir noch kleiner waren, Fischstäbchen. Bei denen stellt sich allerdings die Frage, ob sie überhaupt in die Kategorie Fisch fallen. Im Gegensatz zum Spinat essen am Gründonnerstag verstehe ich die Fisch-Karfreitag-Connection ziemlich gut. Ein paar der Jünger waren ja Fischer und da war das von Jesus wahrscheinlich ein Influencer-Move, die Leute zum Fisch essen zu animieren. („Mögt ihr auch so gerne Fisch? Schreibt mir eure Lieblingsrezepte in die Kommies! Und schaut euch mein neues Video Dancing on the sea an. Bussi!“)
Obwohl ich null religiös bin, befolge ich unsere alte Familientradition und mache Pappardelle mit Sahnesauce und Lachs. Keine Ahnung, wo das mit dem Traditionen befolgen noch hinführen wird. Vielleicht trete ich demnächst in eine Volkstanzgruppe ein, dann in einen Schützenverein und bei der nächsten Bundestagswahl wähle ich CDU.
16. April 2022, Berlin
Wache morgens mit Halsweh und matschiger Birne auf. Letzteres ist nicht unnormal, aber ersteres deutet darauf hin, dass es mich jetzt ebenfalls richtig erwischt hat. Pflichtschuldig aber eher zaghaft streichle ich mit dem Stäbchen meinen Rachen und pople mir dann umso energischer und tiefer in der Nase rum. Ein paar Minuten später zeigt der Test dann, wie erwartet, zwei Striche. Nun steht es also rotstrichig auf weiß fest: Auch ich habe Corona.
Während ich überlege, ob sich irgendeine Produktionsfirma für die Filmrechte an Christian has fallen interessieren könnte, machen meine Frau und ich einen Termin bei unserer Teststation um die Ecke aus, die kurze Zeit später unser Testergebnis nochmal offiziell bestätigt.
Ein Gutes hat mein positiver Test aber: Nun können wir uns alle wieder frei und maskenlos in der Wohnung bewegen.
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Meine Frau und ich haben glücklicherweise ebenfalls nur sehr, sehr milde Symptome. (Ein herzliches Dankeschön an die Impfstoffentwickler von Biontech, Pfizer, Moderna und AstraZeneca!) Trotzdem finden wir, dass mit so einer Corona-Infektion nicht zu spaßen ist, und lassen den Wochenend-Putz sicherheitshalber ausfallen.
Bevor wir unseren Nachmittag auf der Couch mit Netflix en verbringen können, storniere ich noch unsere Zugtickets und unser Hotel in Stockholm. Beziehungsweise versuche es. Bei der Hotelreservierung muss ich feststellen, dass ich mich als kurzfristig denkender Geizkragen bei der Buchung für die zehnprozentige günstigere Option ohne Storno-Möglichkeit entschieden hatte. Wie so jemand der während der Corona-Pandemie in einer Höhle ohne jeglichen Außenkontakt gelebt hat.
17. April 2022, Berlin
Zu Ostern backt meine Frau normalerweise immer eine Ostertorte aus dem Kochbuch-Klassiker Die echte italienische Küche. Diese besteht aus zwölf Schichten Blätterteig, die die zwölf Jünger symbolisieren. Um den Leidensweg Christi nachzuempfinden, rollt meine Frau jede einzelne Schicht händisch hauchdünn aus. Dabei stößt sie Flüche aus, die meines Wissens nicht aus der Bibel überliefert sind. Gefüllt wird das Ganze mit einer Spinat- Ricotta-Mischung und Eiern. Dieses Jahr müssen wir auf die Ostertorte verzichten, denn für eine spontane Backaktion fehlen uns die Zutaten.
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Unser Schokoeier-Vorrat zum Verstecken ist auch eher begrenzt. Möglicherweise denken Sie, dass der Sohn mit fünfzehneinhalb ohnehin zu alt zum Ostereiersuchen ist. Dachten wir letztes Jahr auch. Als wir die Kinder jedoch gefragt haben, ob wir überhaupt noch Sachen verstecken sollen, gaben sie uns mit entrüsteten Blicken zu verstehen, dass das nicht zur Disposition steht. Vielleicht waren sie aber auch gar nicht entrüstet, sondern nur sehr, sehr verblüfft, dass wir es sind, die die Eier verstecken und nicht der Osterhase.
Ich hoffe, dass der Sohn nicht alle Schokoeier gefunden hat. Dann werden wir im Laufe des Jahres bei gelegentlichen Aufräumaktionen vielleicht fündig und können uns für das Erledigen der Hausarbeit mit ein wenig Schoki belohnen.
In diesem Sinne: Frohe Ostern!
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Frohe Ostern und gute Besserung!!
Der „wilde Bernd“ ist übrigens sehr lecker.
LG
Herzlichen Dank!
Gute Besserung und weiterhin einen milden Verlauf.
Vielen Dank!
Gute Besserung!
Eine Alternative zur traditionellen Spinat-Torte mit Ei hat Emmi kocht auf ihrem Blog.
Die habe ich auch schon ausprobiert und fand sie sehr lecker 😋
Naja außer das (ganze) Ei – das verstehe ich nicht warum das da rein soll 😂
Vielen Dank. Auch für den Rezept-Hinweis.