08. September 2023, Berlin
Die Vorsitzende des Bundeselternrats, Christiane Gotte, hat sich in einem Interview gegen „lottrige Kleidung“ von Schüler*innen ausgesprochen. Sie findet, es solle an Schulen einen verbindlichen Kleiderordnung-Konsens geben, damit Schüler*innen nach Hause geschickt werden können, um sich ordentlich anzuziehen.
„Lottrige Kleidung“ hört sich für mich nach 60er/70er-Jahre-Lausbubenfilmen mit Hansi Kraus und Theo Lingen an. Die Vorstandsmitglieder des Bundeselternrats sehen alle auch ein bisschen so aus, als wären sie mit diesen Filmen aufgewachsen.
Trotzdem muss ich zugeben, dass ich so spießig bin, dass ich denke, Schüler*innen sollten sich in der Schule angemessen anziehen und nicht so, als gingen sie ins Schwimmbad oder in die Disco. (Dass ich das Wort Disco statt Club verwende, zeigt, wie spießig ich bin. Zumindest sage ich nicht Tanzlokal.)
Andererseits frage ich mich, wie der Bundeselternrat dazu gekommen ist, dass die Kleiderordnung das drängendste Problem an Schulen ist und dass ihre begrenzten Ressourcen am besten eingesetzt sind, wenn sie darüber eine Diskussion anstoßen.
„Herzlich willkommen zur Vorstandssitzung. TOP 1: Was ist das wichtigste Schulthema, zu dem wir Interviews gegen sollten?“
„Wie wäre es mit fehlendem Lehrpersonal und inakzeptabel vielem Unterrichtsausfall?“
„Ich weiß nicht. Das ist halt so. Vielleicht baufällige Gebäude und eklige Toiletten?“
„Joah. Oder fehlende Chancengleichheit?“
„Betrifft uns alle nicht. Wir könnten die unzureichende Digitalisierung anprangern.“
„Auf keinen Fall. Das ist zu sehr Neuland. Außerdem sind Handys Teufelszeug.“
„Okay, ich hab’s: Lottrige Kleidung!“
„Spitze, das nehmen wir.“
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Die Polizei Landau veröffentlicht eine Pressemitteilung mit der schönen Überschrift: „Rentner raufen sich mit Rechen.“ Wahrscheinlich hat der Volontär aus der Presseabteilung kürzlich den Kurs „Schöner Schreiben mit Alliterationen“ belegt.
In der Gemeinde Lustadt gerieten zwei 77-jährigen Männer über ein paar Pfandflaschen in Streit und diesen trugen sie mit Rechen aus. Das muss ein ziemliches Spektakel gewesen sein, denn der Senioren-Zweikampf verlagerte sich sogar bis vors Rathaus. Dort trennte die Polizei die „völlig erschöpften“ Rentner.
Da soll noch jemand sagen, das Dorfleben wäre langweilig. So viel Action habe ich in 25 Jahren in Berlin nicht erlebt.
09. September 2023, Berlin
Stehe wieder vor dem Zahnpasta-Regal bei dm. Natürlich habe ich vergessen, zuhause meine Zahnpasta zu fotografieren. Dafür bin ich mir aber sehr sicher, dass sie von blend-a-med ist. Davon gibt es im Regal nur eine Sorte. (Übrigens rechts unten. Als hätte jemand sie absichtlich so weit wie möglich von ihrem ursprünglichen Ort platziert, um mich maximal zu verwirren.)
Die Schachtel sieht aber anders aus. Sie ist mehr in grün gehalten, die meiner Stamm-Zahncreme ist eher bläulich. Vielleicht wurde nur das Verpackungsdesign geändert. Wahrscheinlich hat irgendwer bei Procter & Gamble gesagt: „Lasst uns ein Späßchen mit Christian machen und die Verpackung neu gestalten.“ „Ja und dann sagen wir dm noch, sie sollen das Zahnpasta-Regal neu sortieren. Das wird eine Gaudi.“
Ich kaufe die Zahnpasta trotz der abweichenden Verpackung. Daheim muss ich feststellen, dass die Cremes nicht identisch sind. Meine bisherige trägt die Bezeichnung „Complete Protect Expert“, die neu gekaufte „Complete Expert“. Ich bin mir nicht sicher, was besser ist. Die alte Zahncreme, weil sie ein kompletter Schutz-Experte ist, oder die neue, weil sie Experte für alles ist?
Ansonsten versprechen beide Tiefenreinigung sowie Schutz gegen Karies, Zahnstein und Plaque und Schutz für Zahnschmelz und Zahnfleisch. Außerdem sorgen sie angeblich für frischen Atem und natürliches Weiß.
Die neue Zahncreme wirbt noch extra mit einem 24-Stunden-Schutz gegen Plaque. Aber nur, wenn du zweimal täglich die Zähne putzt. Heißt das, ich muss mich nach dem zweiten Putzen 24 Stunden lang nicht um meine Zahnhygiene kümmern? Oder bekomme ich dann Karies, habe aber keine Plaque? Und sieht man den Karies mehr bei den plaquelosen Zähnen?
Beim ersten Ausprobieren stellt sich heraus, dass sich nicht nur das Verpackungsdesign, sondern auch die Rezeptur geändert hat. Die neue Zahnpasta ist nicht weiß, sondern bläulich und anstatt einer körnigen hat sie eine gelartige Konsistenz. Außerdem schmeckt sie anders. Und anders heißt natürlich weniger gut. Was für Monster arbeiten eigentlich bei Procter & Gamble?
10. September 2023, Berlin
Der Sohn war gestern auf einer Geburtstagsparty. Zuhause bei L. Mit 50 Gästen. Die Eltern von L. waren nicht da. Ich weiß nicht genau, ob ich das mutig oder wahnsinnig finde.
Die Polizei wäre zweimal gekommen, weil sich Nachbar*innen beschwert hätten, erzählt der Sohn. Beim zweiten Mal hätten sie die Gäste alle nach Hause geschickt. Die Polizisten waren aber durchaus beeindruckt. „Krasse Party“, meinte einer von ihnen.
In den Augen des Sohns war die Geburtstagsfeier somit ein voller Erfolg. Die Nachbar*innen sehen das wahrscheinlich etwas anders.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)