02. November 2023, Berlin
An einem Stromkosten an der Straßenecke hängt ein in Rot gehaltenes Veranstaltungsplakat des Museums Europäischer Kulturen. „Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation.“
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Bei Alnatura wünscht mir der Kassierer zum Abschied gute Besserung. Das ist einerseits sehr höflich, wirft aber andererseits die Frage auf, wie fertig ich aussehen muss, dass er davon ausgeht, dass ich krank bin.
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Meine Frau ist seit gestern erneut auf Dienstreise. Ich komme mir vor wie eine Hausfrau in einer 80er Jahre Vorabendserie, die allein zuhause ist, während ihr Mann geschäftlich unterwegs ist. Ich bin quasi Maria Sebaldt in „Die Wicherts von nebenan“.
Diesmal hat ihre Dienstreise einen deutlich höheren Glamour-Faktor als Halle. Sie ist in Barcelona auf einer Antirassismus-Konferenz, die von der spanischen EU-Ratspräsidentschaft gemeinsam mit der Europäischen Kommission, der EU Agency for Fundamental Rights und dem EEA and Norway Grant ausgerichtet wird. Sie ist also nicht nur glamourös, sondern auch für die gute Sache unterwegs.
Wobei ich die Erfahrung gemacht habe, dass Geschäftsreisen nie besonders erquicklich sind. Egal wie attraktiv das Reiseziel ist. Als ich noch als Angestellter bei einer internationalen PR-Agentur gearbeitet habe, war ich im Laufe der Jahre relativ viel unterwegs. Unter anderem in London, Paris, Brüssel, Helsinki, Brügge, Madrid, Zürich oder Moskau.
Die Trips liefen meistens nach einem ähnlichen Muster ab: Abends kommst du am Flughafen an, fährst mit dem Taxi oder den Öffis ins Hotel, den nächsten Tag hast du ab frühmorgens Meetings, Workshops oder Fortbildungen in einem seelenlosen Konferenzraum – überraschend häufig ohne Fenster – und wenn du das überstanden hast, gehst du mit Menschen zu Abend essen, mit denen du normalerweise nicht deine Freizeit verbringen würdest. Denn folgenden Tag gibt es weitere Sitzungen in sauerstoffdeprivierten Räumen, bevor es am Abend zurück zum Flughafen und schließlich nach Hause geht.
Von daher bin ich ganz froh, nicht in Barcelona sein zu müssen, sondern wie eine zurückgelassene Hausfrau auf dem Sofa zu sitzen und Netflix zu schauen.
03. November 2023, Berlin
8.30 Uhr. Meine Laufuhr zeigt für heute schon acht Intensitätsminuten an. Ich frage mich, wo die herkommen. Keine meiner bisherigen Aktivitäten würde ich als intensiv bezeichnen. Ebene habe ich Wäsche gemacht.
Vielleicht falte ich so dynamisch T-Shirts, Hosen und Unterwäsche, dass mich das in die aerobe Belastungszone treibt. Oder mein sonstiges Lauf- und Krafttraining ist so lasch, dass für meine Uhr jedwede meiner Tätigkeiten als High-Intensity-Trainingseinheit gilt. Zum Beispiel „Brot schmieren“, „Einkaufsliste schreiben“ oder „Atmen“. Egal, Hauptsache die Uhr denkt, ich habe Sport gemacht.
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Für meine Frau beginnt der Morgen mit einer unangenehmen Überraschung. Sie dachte, der heutige Konferenztag bestünde, so wie gestern, aus Podiumsveranstaltungen, die sie sich passiv anhört. Stellt sich aber raus, dass es heute Regierungsrunden gibt. Da meine Frau die einzige Vertreterin aus dem Ministerium ist, muss sie nun quasi die Bundesregierung und deren Antirassismus-Aktivitäten auf internationaler Bühne repräsentieren. Sie ist quasi Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Lisa Paus in einer Person.
Mein Vormittag besteht dagegen daraus, dass ich ein TikTok-Rezept für Käsekuchen-Muffins nachbacke. So tragen wir beide dazu bei, dass die Welt ein etwas besserer Ort wird. Da ich die Käsekuchen-Muffins allein esse, verbessere ich allerdings lediglich meine eigene Welt. Aber, hey, irgendwo musst du anfangen.
04. November 2023, Berlin
Heute ist Blogfamilia. Ein bisschen wie eine Band Reunion mit Alu von Große Köpfe, Lisa von Stadt Land Mama und Janni von Ich bin dein Vater. Wobei der letzte Beitrag auf Ich bin dein Vater vor mehr als zweieinhalb Jahren erschienen ist. Korrekter müsste es vielleicht Janni von Janni heißen.
Dieses Jahr habe ich mich bei der Vorbereitung rausgehalten, abgesehen vom Drucken der Namensschilder, aber mich bereit erklärt, vor Ort zu helfen. Einerseits aus Verbundenheit gegenüber den anderen, andererseits weil die Blogfamilia im Amrit stattfindet. Für kostenloses indisches Essen drucke ich gerne Etiketten aus und mache für ein paar Stunden den Grüßaugust.
Abends gehen wir noch etwas trinken. Ich bestelle einen Lillet Wild Berry, der Kellner will mein Glas dann aber Lisa geben und mir ihren Gin Tonic. Ich muss anscheinend an der Männlichkeit meiner Getränkeauswahl arbeiten.
05. November 2023, Berlin
Ich bekomme eine Kooperationsanfrage für meinen Blog. Ein Laszlo E. fragt an, ob es möglich sei, einen Gastbeitrag bei mir zu veröffentlichen. Der müsse gar nicht auf der Startseite erscheinen und auch nicht an Abonnenten verschickt werden. Eine Bewerbung sei ebenfalls nicht nötig. Der Beitrag müsse lediglich einen Link zu seiner Seite beinhalten.
Ich schaue mir die Seite an. Sie wirbt damit, Deutschlands größtes Erotikportal zu sein. Eine Plattform mit mehr als 15.000 Frauen und Bordellen. Blog-Kooperationen werden häufig mit kostenlosen Produkten, Gutscheinen oder Rabatt-Codes bezahlt. Ich denke, das scheidet in diesem Fall wohl aus.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)