Beschämt habe ich festgestellt, dass bei mir noch ein Blogstöckchen rumliegt. Das Stöckchen ist fast schon ein wenig vergammelt, modrig und faulig. Denn es ist bereits mehr als zwei Wochen her, dass es mir die Kollegen von ‚Daddylicious‘ zugeworfen haben. Es geht um Väterglück, also darum, was Väter glücklich macht. Nun gut, ich will mich daran versuchen.
Um es vorweg zu sagen, finde ich, dass sich das Glück von Vätern und Müttern wahrscheinlich gar nicht so großartig unterscheidet. Das im Folgenden beschriebene Väterglück macht sicherlich auch alle Mütter glücklich. Es ist ein ubiquitäres Elternglück, das ich uns allen von ganzem Herzen wünsche.
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Es gibt sehr viele Momente, in denen Väter Glücksgefühle verspüren. Zum Beispiel wenn die Tochter es auf dem Spielplatz im Klettergerüst bis ganz nach oben geschafft hat und voller Hochgefühl nach unten winkt, dann hüpft dein väterliches Herz freudig höher (Und du verspürst tiefe Erleichterung, dass das gute Kind gelenkiger und motorisch geschickter ist, als du es jemals warst.). Oder wenn der Sohn sein erstes Judoturnier gewinnt und mit stolzgeschwellter Brust auf dem Siegertreppchen steht, strömt durch deine Adern pures Glück (Und du bist unendlich froh, nicht die eigenen unsportlichen Gene vererbt zu haben.).
Ganz zu schweigen von dem Augenblick, wenn du dein Kind nach der Geburt das erste Mal friedlich und engelsgleich in den Armen hältst. Da verdrückst du möglicherweise vor Rührung gar das eine oder andere Tränchen. Zu diesem Zeitpunkt ahnst du auch noch nicht, dass dich dieses kleine Geschöpf in den nächsten Monaten nachts immer wieder und wieder aus dem Schlaf reißen wird. Gnadenlos und unerbittlich, bis du glaubst, der Anti-Christ ist in Gestalt eines Säuglings auf die Erde gekommen, um dich zu peinigen. Aber das nur am Rande.
Ja, im Leben eines Vaters sind das alles ganz tolle Ereignisse. Ergreifend, einzigartig, rührend und so weiter und so fort, etc. pp. blablabla. Denn eigentlich ist das größte Väterglück viel banaler. Es gibt ihn nämlich tatsächlich, diesen einen Moment, der die oben beschriebenen Situationen glücksgefühlsmäßig bei weitem in den Schatten stellt. In dem das Dopamin in Strömen fließt wie das Bier auf dem Oktoberfest und in dem die Endorphine so ausgelassen tanzen wie ein Raver auf der Love Parade:
Wenn du ganz in Ruhe kackst!
Was gibt es Schöneres, als ein wenig For-me-time auf dem Abort? Mit sich und seinem Darm im Reinen sein. Die Seele und anderes baumeln lassen (Ich denke, die Leserinnen und Leser freuen sich sehr über das schöne Kopfkino, das ich ihnen gerade bereite.). Mehr braucht es nicht, um einen Vater richtig glücklich zu machen.
Das Problem: Die väterliche Ruhe auf dem Donnerbalken ist eine Schimäre. Ein Hirngespinst, ein Trugbild. Es gibt sie nicht. Man sucht sie stets und findet sie doch nie. Wie den Heiligen Gral, das versunkene Atlantis oder das Bernsteinzimmer. Sie existiert nur in väterlichen Phantasien, aber nicht im realen Hier und Jetzt, in einer Welt, in der Kinder diktatorisch über das Klosett herrschen.
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Als die Tochter auf die Welt kam, beendete sie die Ära des stillen Örtchens mit lautem Geschrei (An dieser Stelle höre ich förmlich die ‘Aahs’ und ‘Oohs’ der werten Leserinnen- und Leserschaft ob dieses gelungenen Wortspiels.). War ich mit ihr alleine, mussten meine Beine nur für den Bruchteil einer Sekunde die Klobrille berühren und sofort fing die Tochter lautstark an zu brüllen. Sie hörte erst wieder auf, wenn ich mich erhob. Lange Zeit war ich der festen Überzeugung, dass an unserer Toilette ein Bewegungsmelder angebracht war. Bei Druckausübung löste ein Sensor in den töchterlichen Synapsen einen biochemischen Reiz aus, der dazu führte, dass sie mit einer Lautstärke von 100 Dezibel schrie. Somit musste jeder Toilettengang in Rekordgeschwindigkeit durchgeführt werden, damit besorgte Nachbarn nicht das Jugendamt benachrichtigten, da sie befürchteten, ich misshandele das arme Kind.
Aber so etwas erzählt einem ja niemand, wenn du Eltern wirst. Vor den schlaflosen und kraftzehrenden kurzen Nächten davor warnen sie dich. Schlafen sollst du, wenn das Kind schläft. Das raten sie dir. Was für ein Unfug! Aufs Klo gehen sollst du, wenn dein Kind schläft. Das wäre mal ein wertvoller Tipp.
Beim Sohn, der knapp drei Jahre nach der Tochter kam, war es auch nicht besser. Zu Beginn der dreimonatigen Elternzeit mit ihm unterlag ich dem Irrglauben, wir zwei Männer könnten in friedlicher Koexistenz im Badezimmer sitzen. Ich auf dem Porzellan-Thron, er in seiner Babyschale. Vater und Sohn, Auge in Auge, den frühkindlichen Verlustängsten trotzend. Was in der Theorie bestechend klang, erwies sich in der Praxis als naiv. Spätestens nach 30 Sekunden tat der Sohn seine Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation durch lautes Wehklagen kund. Da half kein Schnuller, keine Rassel und kein Singen. Nicht einmal ‘Blowin’ in the wind’, was ich situativ-thematisch immer ganz passend fand.
Die prekäre Toilettensituation bessert sich auch nicht, wenn die Kinder älter werden. Inzwischen ist die Tochter 11 und der Sohn 8, aber sobald ich auf Toilette gehe, dauert es keine 60 Sekunden, bis ein Kind mit fast überschwappender Blase an die Badezimmertür hämmert wie ein GSG9-Kommando bei einer Geiselbefreiung und energisch Einlass fordert.
Nun könnte man vermuten, dass man abends, wenn die Kinder im Bett liegen, die Stille auf dem Klo genießen kann. Eine Annahme, die von grenzenloser, weltfremder Einfältigkeit zeugt. Oder von Kinderlosigkeit. Denn ist ein Kind zu Bett gegangen, muss es mindestens noch vier Mal auf Toilette gehen. So will es das Gesetz. Und danach muss es immer etwas trinken, so dass es später wieder vom Harndrang gepeinigt wird. Damit ist auch in den Abendstunden die Stille auf dem Klo empfindlich gestört.
Aber selbst wenn die Kinder und ihre Blasen endlich eingeschlafen sind, ist es mit einem entspannten Aufenthalt auf der Doppelnull nicht weit her. Kaum hast du es dir für 30 Minuten auf dem Lokus gemütlich gemacht, um die letzte Ausgabe des Philosophie-Magazins* (* des Kickers) zu studieren, klopft die Freundin ungeduldig an die Tür, da sie ebenfalls dringend Wasser lassen müsse. Wie soll man da als Vater glücklich werden?
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Denn so ist es mit dem Väterglück. Es ist so nah (quasi nur ein Zimmer entfernt) und doch so fern. Aber vielleicht bekomme ich zum nächsten Vatertag einmal einen Gutschein für mein größtes Väterglück.
Mein schönstes Vatertagsgeschenk wäre ein Gutschein “1x in Ruhe kacken”. Vielleicht nächstes Jahr.
— Familienbetrieb (@Betriebsfamilie) 14. Mai 2015
Das wäre toll!
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)