Eine kleine Wochenschau | KW02/2025: Warum liegt hier überall Schnee?

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


06. Januar 2025, Berlin

Gestern Abend hatte es geschneit, die Gehwege und Bäume waren weiß gezuckert, unsere Straße präsentierte sich fast schon als idyllisches Winterwonderland. (Lediglich leichte Abzüge in der B-Note für das Dixieklo, das vor dem Nachbarhaus steht.)

Nachts dann Regen, für heute sind zweistellige Temperaturen angesagt, an den gestrigen Schnee erinnern nur noch ein paar schmutzige Matschreste am Straßenrand. Von Idylle keine Spur mehr. Wie es sich für den ersten Montag des Jahres gehört.

Ein kleiner Schneemann, der auf braunem Untergrund mit ein paar letzten Schneeresten steht
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Familien-Gedöns der Woche (532)

Die DSGVO, so beliebt wie Zitronat, Orangeat, Rosenkohl und Kapern. Daher auch diese Woche der Hinweis: Durch die eingebetteten Posts der diversen Social-Media-Plattformen können deren Betreiber wahrscheinlich irgendetwas herausfinden, was Sie im Internet so machen. Und zwar weil ich die Posts nicht hinter leserinnenunfreundlichen opt-in-Verfahren versteckt habe. Wenn Sie das nicht möchten, ziehen Sie am besten schnell weiter. Allen anderen viel Spaß beim Lesen.

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Wie jeden Freitag, das beste Familien-Gedöns der Woche. Auch diesmal ist die Auswahl gekennzeichnet durch Intransparenz, Subjektivität und Inkompetenz.

Sohn möchte heute nicht in den Sport. "Dich verschrecken ist mein Sport, Mama" Schön. Schönschönschön

— Krassie 🐝 (@kratzie.bsky.social) 8. Januar 2025 um 14:08
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Eine kleine Wochenschau | KW01/2025: Alles neu? (Teil 2)

Teil 1


02. Januar 2025, Berlin

Ziehe mit dem Sohn los, um Laufschuhe zu kaufen. Zu Weihnachten hat er mir einen Start beim Frankfurt Marathon geschenkt. Und für sich. Das heißt, das Geschenk ist das gemeinsame Projekt und die Zeit, die wir zusammen für die Vorbereitung aufbringen müssen. Und die ist bitter nötig, denn die längste Strecke, die der Sohn je gelaufen ist, sind zehn Kilometer und das ist schätzungsweise acht bis neun Jahre her.

In dem Sportgeschäft muss der Sohn zunächst aufs Laufband. Damit der Verkäufer sich einen Eindruck von seiner Laufbewegung sowie etwaigen Fehlstellungen und -belastungen verschaffen kann. Das Laufband ist irrtümlich auf 22km/h eingestellt und der Sohn muss im Marathon-Weltrekord-Tempo rennen, um nicht von dem Band befördert zu werden.

Der Verkäufer ist peinlich berührt, ob der falschen Einstellung der Maschine, und gleichzeitig schwer beeindruckt, dass der Sohn die Geschwindigkeit geschafft hat. Nun wissen wir, dass der Sohn fit genug ist, 30 Sekunden mit Eliud Kipchoge mitzuhalten. Nun haben wir noch knapp elf Monate Zeit, damit seine Kondition für 42 Kilometer reicht.

03. Januar 2025, Berlin

Seit Dezember ist „Wenn ich groß bin, werde ich Gott“ im Buchhandel erhältlich. Deswegen muss ich zwei Exemplare an die Deutsche Nationalbibliothek und eins an die Zentral- und Landesbibliothek schicken. Das schreibt das Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek (DNBG) und die Pflichtablieferungsverordnung (PflAV) sowie das Pflichtexemplargesetz (PflExG) vor.

Zuwiderhandlungen können mit bis zu 10.000 Euro bestraft werden. Da musst du schon eine Menge Bücher verkaufen, um das zu bezahlen.

Ich finde die Vorstellung ein wenig bizarr, dass die Deutsche Nationalbibliothek in Frankfurt und Leipzig Millionen von Büchern aufbewahrt. Noch bizarrer ist die Vorstellung, dass dort mein Büchlein neben Werken wie „Der Zauberberg“, „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ oder „Der geteilte Himmel“ steht. Müssten Thomas Mann, Heinrich Böll und Christa Wolf das noch erleben, würden sie sich wahrscheinlich erschießen. Damit sie sich dann im Grabe umdrehen könnten.

04. Januar 2025, Berlin

Sitze in der Küche und fummle mir mit einem Wattestäbchen im Mund an der Wange rum. Das Wattestäbchen ist Teil eines DNA-Kits, das meine Frau dem Sohn und mir zu Weihnachten geschenkt hat und mit dem du eine Gen-Analyse durchführen lassen kannst, woher deine Vorfahren stammen.

Ich bin ein wenig skeptisch. DNA-Test, Gen-Analyse und ethnische Abstammung hat einen leicht unangenehmen Beigeschmack von Rassenlehre. Außerdem hast du keine Ahnung, was der Anbieter mit deinen DNA-Informationen alles macht. (Dazu hätte ich beim Registrieren das Kleingedruckte lesen müssen.)

Anderseits finde ich es interessant, mehr über meine Herkunft zu erfahren. Meine Frau und die Tochter haben den Test bereits vor ein paar Jahren gemacht. Dabei kam unter anderem raus, dass die Tochter einen mehr als 16-prozentigen skandinavischen Teil in sich trägt, den meine Frau nicht hat.

Folglich muss er aus meiner Familie kommen und ich kann darauf hoffen, dass meine Urahnen Wikinger waren. Das wäre ein interessantes Small-Talk-Thema. Außerdem könnte ich in Unterhaltungen regelmäßig einflechten: „Wie wir Wikinger zu sagen pflegen.“ Allein dafür lohnt sich der Test.

05. Januar 2025, Berlin

Das neue Jahr ist fast schon eine Woche alt. Aber immer noch jung genug, um sich etwas vorzunehmen. Gute Vorsätze fassen, Ziel formulieren, einen Plan schmieden. Einen guten Plan. Vielleicht auch einen nicht so guten. Hauptsache irgendeinen. Damit ich nicht planlos durch 2025 irre.

Ich mag gute Vorsätze und Jahrespläne. Dann sehe ich mein zukünftiges Ich vor mir und das gefällt mir so viel besser als mein gegenwärtiges. Der Ende-2025-Christian ernährt sich ausgewogen und dehnt sich regelmäßig, ist zielstrebig und prokrastiniert weniger, meldet sich bei alten Freunden und vergisst keine Geburtstage, ist nicht so lethargisch und unternimmt Sachen, informiert und engagiert sich. Ein toller Typ.

Ein Jahresplan ist quasi die halbe Miete. Wie früher an der Uni, wenn du Texte kopiert hast. Da hattest du das gute Gefühl, dass du schon etwas getan hast. Bis du nicht mehr verdrängen konntest, dass du noch gar nichts gelernt hast, sondern dafür die Artikel sorgfältig lesen und verstehen musst. Das war richtig mühselig.

Genauso ist das mit Jahresplänen. Da ist die Umsetzung auch total anstrengend. Um mein neues und vor allem besseres Ich zu werden, muss ich mich ausgewogener ernähren und regelmäßig dehnen, mich bei alten Freunden melden und keine Geburtstage vergessen, zielstrebig sein und weniger prokrastinieren, nicht so lethargisch sein und Sachen unternehmen, mich informieren und engagieren. Puh.

Vielleicht sollte ich mir für 2025 lieber vornehmen, nachsichtiger und zufriedener mit meinem Gegenwarts-Ich zu sein. (Und mich etwas ausgewogener ernähren.)


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Eine kleine Wochenschau | KW01/2025: Alles neu?

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


30. Dezember 2024, Berlin

Jahresendeinkauf bei Penny. Die Situation im Eingangsbereich ist unübersichtlich. Die einen warten auf Einkaufswägen, die anderen stehen am Pfandautomaten an.

Ein abgerissener Typ spricht mich an. Ob ich auch Pfand zurückgeben wolle. Ich verneine, ich bräuchte einen Wagen.

Dann fragt er unvermittelt, ob ich ABBA kenne. „Die Band?“, frage ich zurück. Er nickt. „Ja“, erwidere ich zögerlich. „Die Lieder habe ich gesungen“, sagt er. „In einer Cover-Band?“, frage ich. Er schüttelt den Kopf. „Die Lieder sind von mir.“ Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Vor allem weil er danach sagt: „Die von den Beatles auch. Und von Tupac.“

Aufkleber auf einem Laternenpfahl, auf dem steht: Something about nix.
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Familien-Gedöns der Woche (531)

Die DSGVO, so beliebt wie Zitronat, Orangeat, Rosenkohl und Kapern. Daher auch diese Woche der Hinweis: Durch die eingebetteten Posts der diversen Social-Media-Plattformen können deren Betreiber wahrscheinlich irgendetwas herausfinden, was Sie im Internet so machen. Und zwar weil ich die Posts nicht hinter leserinnenunfreundlichen opt-in-Verfahren versteckt habe. Wenn Sie das nicht möchten, ziehen Sie am besten schnell weiter. Allen anderen viel Spaß beim Lesen.

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Wie jeden Freitag, das beste Familien-Gedöns der Woche. Auch diesmal ist die Auswahl gekennzeichnet durch Intransparenz, Subjektivität und Inkompetenz.

Der Tag neigt sich, die Teenager werden aktiv. Man kennt es auch von Chinchillas oder Hamstern.

— Buddenbohm (@buddenbohm.bsky.social) 31. Dezember 2024 um 18:02
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Eine kleine Wochenschau | KW52/2024: Besuch in der Heimat (Teil 2)

Teil 1


27. Dezember 2024, Westerburg/Stahlhofen

Nachmittagsspaziergang am Wiesensee. Bewegung tut ja immer gut und außerdem ist es ganz schön, mal anderthalb Stunden nichts zu essen.

Der Wiesensee ist ein circa 80 Hektar großer, aufgestauter, künstlicher See. Mit Golfhotel, Segelverein und Seecafé. Aber zurzeit ohne Wasser. Das wurde vor ungefähr zwei Jahren abgelassen, um die Stauanlage und den Damm zu sanieren. Somit ist der Wiesensee eigentlich kein See mehr, sondern nur noch Wiese.

Weil in der Zwischenzeit das Gras so hoch gewachsen war, wurde der See, der kein See mehr ist, mit Spezialmaschinen gemäht. Bei SWR 4 lassen sich dazu mehrere Berichte finden.

Weil der wasserlose See die Menschen vor Ort bewegt. Ende Juli fand sogar eine Demo mit rund 120 Teilnehmer*innen statt. So richtig mit Schildern und Sprechchören. Organisiert hatte den Protest die Initiative „Wasser für den Wiesensee“, die sich bei der Namensgebung anscheinend von „Brot für die Welt” inspirieren ließ.

Auf der Kundgebung übergab die Initiative eine Liste mit 2.200 Unterschriften an den Verbandsgemeindebürgermeister. Der musste sich dann rechtfertigen, warum die Wasserlosigkeit des Wiesensees schon so lange anhält. In dem Medienbericht ist von einer aufgeheizten Stimmung die Rede, mit Zwischenrufen und Pfiffen der Demonstrierenden.

Mit dem Verbandsgemeindebürgermeister bin ich auch zur Schule gegangen. Wir waren im gleichen Mathe-LK. Was wohl aus mir geworden wäre, wenn ich im Westerwald geblieben wäre? Vielleicht wäre ich sein Pressesprecher. Eher unwahrscheinlich, da er bei der CDU ist. Dann schon eher mittelloser Stadtschreiber, der bei seinen Eltern wohnt, weil er sich keine eigene Wohnung leisten kann. (Wahrscheinlich bekommen meine Mutter und mein Vater beim Lesen gerade nervöses Augenzucken.)

Unser Spaziergang um den See ist auch ohne Wasser idyllisch. Der Himmel ist blau und die Sonne strahlt. Ich weiß nicht, wann ich in Berlin das letzte Mal die Sonne gesehen habe.

Auf dem Rückweg spricht uns an einem Parkplatz eine Frau an. Ihr Autoschlüssel tue nicht das, was er soll, nämlich das Auto öffnen. Der Ersatzschlüssel läge in ihrem Rucksack im Fußraum unter der Rückbank und sie wisse nicht weiter.

Nach mehreren Versuchen öffnet sich zumindest der Kofferraum. Durch die halb umgeklappte Rückwand quetsche ich mich mit wenig Geschick, noch weniger Anmut und gar keiner Würde nach vorne und angle den Rucksack hervor.

Der Ersatzschlüssel funktioniert zunächst ebenfalls nicht richtig. Der Sohn krabbelt daher bis nach vorne zum Fahrersitz, um die Tür von Hand zu öffnen, wobei er auch nicht gerade aussieht, als verdiene er seinen Lebensunterhalt als Schlangenmensch im chinesischen Staatszirkus. (Ich schreibe dies mit größter väterlicher Zuneigung.)

Schließlich lässt sich das Auto mit dem Ersatzschlüssel wenigstens manuell öffnen. Die Frau ist erleichtert und wir haben unsere gute Tat des Tages vollbracht.

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Meine Frau und ich schlafen in meinem alten Kinderzimmer, von dem außer ein paar aufgeklebten Sternen an der Decke und meinem alten Schreibtisch nicht viel kinderzimmeriges übriggeblieben ist.

Auf ein Schränkchen haben meine Eltern einen Adventskalender hingestellt, den ich für sie zur Grundschulzeit gebastelt habe. Aus 24 Streichholzschachteln, in vier Sechser-Reihen, mit Goldpapier und aufgemalten Sternen verziert.

Den Inhalt haben meine Eltern ebenfalls aufgehoben. Kleine Bildchen, Mini-Basteleien, erstaunlich viele Ein-Pfennig-Münzen und verschiedene Gutscheine:

  • Einmal Frühstückstisch decken
  • Einmal Straße Keren (Schnee schippen)
  • Zweimal abtrocknen

Außerdem, aus welchen Gründen auch immer, für eine Tube U-hu für meinen Vater. Keine Ahnung warum. Ich kann mich nicht erinnern, dass er viel gebastelt hätte. Vielleicht hatte ich seinen Kleber bei der Herstellung des Adventskalenders aufgebraucht und wollte ihm per Gutschein einen neuen zukommen lassen.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Gutscheine jemals eingelöst habe. Möglicherweise ist der Adventskalender ein Wink meiner Eltern, ich solle endlich die verdammte Straße kehren, und mein Vater hätte gerne mit 40-jähriger Verspätung seinen Alleskleber.

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Abends, viertel nach zehn. Warte mit dem Sohn nicht am Erlebnis- sondern am Busbahnhof auf den 460er nach Montabaur. Von dort fährt der Sohn um 23.10 Uhr mit zurück nach Berlin, weil er morgen wieder ins Brauhaus muss.

Ein Bus fährt ein, mir ist unklar, ob es unserer ist. Ich gehe an die Tür, der Fahrer ignoriert mich zunächst, erst als ich dezent an die Scheibe klopfe, betätigt er missmutig den Türöffner. Auf meine Frage, ob er nach Montabaur führe, erwidert er in einem Tonfall, der heimelige Berlin-Gefühle ihn mir hervorruft, was denn an dem Bus stünde.

Trete einen Schritt zurück und lese laut vor: „ww mobility“. „Genau, ich hab’ Feierabend“, grummelt der Busfahrer.

Dass mobility und Feierabend kaum gegensätzlicher sein können und dass da eher „ww immobility“ stehen müsste, verkneife ich mir. Ich habe nicht den Eindruck, dass der Mann an einem herrschaftsfreien Diskurs im Habermasschen Sinne interessiert ist, bei dem nur das bessere Argument zählt.

Schließlich kommt doch noch der 460er. Über den Gang weg sitzen zwei junge Frauen, circa Anfang 20. So wie sie sich aufgebrezelt haben, vermute ich, sie sind auf dem Weg zu irgendeinem Club. Mit einer Dose „Monster“ trinken sie sich die nötige Energie für die Nacht an.

Eine der beiden ruft irgendwo an. Ihre Freundin trüge eine Jeans, ob sie damit reinkäme, will sie wissen. „Eine Belanciara“, raunt die andere, in der Hoffnung damit zu punkten. Der Gesprächspartner teilt ihr mit, das sei in Ordnung, so lange niemand aussähe, als ginge er zum Sport.

Angesichts meiner schwarzen Jogginghose hätte ich demnach keine Chance an der Tür. Mein Alter könnte auch ein Problem sein. (Stichwort: „Kommen die jetzt schon zum Sterben hier hin?“)

In Montabaur leiste ich dem Sohn noch eine halbe Stunde in der zugigen Bahnhofshalle Gesellschaft. Der Warteraum ist geschlossen. Ein Zettel weist darauf hin, dieser sei aufgrund wiederholter Vandalismusvorfälle nur zu den Arbeitszeiten des Service-Personals geöffnet. Mein Vater meint später dazu, dann sei er wohl nie auf.

Auf der Rückfahrt sitzen wir immerhin zu neunt im Bus. Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Menschen nachts um kurz vor halb zwölf mit dem ÖPNV durch den Westerwald fahren.

Als wir Westerburg erreichen, fährt kurze Zeit später auch noch ein Zug nach Limburg. Da soll noch einer sagen, der ländliche Raum hätte nichts vom Deutschlandticket.

28. Dezember 2024, Montabaur/Berlin

11.20 Uhr. Der ICE von Montabaur nach Köln ist ungewöhnlich voll. Während meine Frau und ich uns zu unseren reservierten Plätzen vorwühlen, bleibt die Tochter im Eingangsbereich stehen. Der Schaffner, der sie kontrolliert, lässt sie in der angrenzenden ersten Klasse sitzen („Mein Weihnachtsgeschenk für Sie.“) und einen Lieblingsgast-Keks gibt er ihr auch noch.

Als er zu uns kommt, sind die Kekse alle und wir gehen leer aus. Schlimm, diese Zweiklassengesellschaft. Oder wir sind für ihn einfach keine Lieblingsgäste. Auch schlimm.

Später ist der Gott der Bahnreisenden nicht mehr ganz so gnädig mit der Tochter. Ihr Zug nach Kiel hat ordentlich Verspätung. Aber nicht genug. Ihr Zug kommt in Kiel 57 Minuten später als geplant an und damit drei Minuten zu früh für die 25-Prozent-Entschädigung.

Meine Frau und ich müssen von Köln nach Berlin wieder im 6er-Abteil sitzen. Mit einer weiteren Frau und einer alleinreisenden Mutter mit ihrem circa achtjährigen Sohn und ihrer knapp einjährigen Tochter. Das Baby ist gut gelaunt und bietet mir ihren angesabberten Haferkeks an, ich lehne dankend ab.

In Hagen steigen die drei um. Während sich die Mutter umzieht, drückt sie mir ihre Tochter in den Arm. Entweder sehe ich sehr, sehr vertrauenswürdig aus oder die Frau ist sehr, sehr leichtsinnig. Die Kleine bedankt sich, indem sie mir fröhlich lachend auf die Brille tatscht.

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Der Rest der Fahrt verläuft ereignisarm. Als wir am Berliner Hauptbahnhof ankommen, sind in der Ferne Böller zu hören. Willkommen zuhause.


Ein herzliches Dankeschön allen Leser*innen, die das ganze Jahr über so fleißig die Wochenschau gelesen, kommentiert und geteilt haben. Ich wünsche Ihnen einen ruhigen Silvesterabend und einen guten Start ins neue Jahr. Möge 2025 phantastisch werden.


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Eine kleine Wochenschau | KW52/2024: Besuch in der Heimat

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


25. Dezember 2024, Berlin/Westerburg

Kurz nach 11. Im Zug auf dem Weg zum Weihnachtsbesuch im Westerwald. Meine Frau, die Tochter und ich sitzen in einem 6er-Abteil. Meiner Stimmung ist das nicht besonders zuträglich. Und mit „nicht besonders“ meine ich „überhaupt nicht“. Ich mag 6er-Abteile nicht. Du bist fremden Menschen auf engstem Raum ausgeliefert, kannst deine Beine nicht ausstrecken und meistens ist es stickig.

In einer Mischung aus schlechtem Zeitmanagement, Stress und Trägheit konnte ich mich erst vor drei Tagen um die Tickets kümmern, was dazu führte, dass es in keinem einzigen Großraum-Abteil mehr drei freie zusammenliegende Plätze gab. Ihre Antwort spektakulär fehleinschätzend fragte ich meine Frau, ob sie lieber zusammen im Abteil oder verstreut im Großraum sitzen möchte, sie entschied sich für das Gemeinschaftserlebnis im 6er-Abteil.

Das war doof, nun konnte ich nicht mehr sagen, dass ich mich auf keinen Fall zu sechst mit mir unbekannten Personen einpferchen lassen möchte, denn dann hätte ich sie ja gar nicht erst fragen müssen. Stattdessen hätte ich die Einzelplätze reservieren und gegebenenfalls erklären können, dies wären die einzigen noch freien gewesen. (Kleingeistige Moralapostel bezeichnend dies möglicherweise als Lüge, für mich fällt das in einer langjährigen Paarbeziehung unter harmoniefördernde Diskussionsvermeidung.)

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Familien-Gedöns der Woche (530)

Die DSGVO, so beliebt wie Zitronat, Orangeat, Rosenkohl und Kapern. Daher auch diese Woche der Hinweis: Durch die eingebetteten Posts der diversen Social-Media-Plattformen können deren Betreiber wahrscheinlich irgendetwas herausfinden, was Sie im Internet so machen. Und zwar weil ich die Posts nicht hinter leserinnenunfreundlichen opt-in-Verfahren versteckt habe. Wenn Sie das nicht möchten, ziehen Sie am besten schnell weiter. Allen anderen viel Spaß beim Lesen.

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Wie jeden Freitag, das beste Familien-Gedöns der Woche. Auch diesmal ist die Auswahl gekennzeichnet durch Intransparenz, Subjektivität und Inkompetenz.

Treffe meine Kollegin heute Morgen nach der Weihnachtsfeier: „Hattest du heute auch zur 1. Stunde?“ „Ich hab zwei kleine Kinder: ich hab IMMER zur 1. Stunde.“ 😭

— Marsen (@marsen.bsky.social) 19. Dezember 2024 um 19:28
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Eine kleine Wochenschau | KW50/2024 (Teil 2)

Teil 1


12. Dezember 2024, Berlin

Heute ist Internationaler Tag der Neutralität. Oder wie es in der Schweiz heißt: Donnerstag.

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Höre in den letzten Tagen sehr viel Fatoni, einen Deutsch-Rapper, den ich durch Patricia Cammarata entdeckt habe, da sie ihn auf ihre Musterbruch-Spotify-Playlist gepackt hat.

Ich bin mir bewusst, dass mit Ende 40 Deutsch-Rap zu hören, nur bedingt mit dem Konzept des „in Würde altern“ einhergeht. Trotzdem erfreue ich mich an Textzeilen wie „alle Arme gehen von links nach rechts wie Horst Mahler“, „ich bin kein Sexist, ich mansplaine auch Männer“ oder „ich bin nicht besonders klug, ihr seid nur besonders dumm“.

Allerdings muss ich mich nun bei Kundenanrufen immer etwas runter regulieren, damit ich sie nicht mit „Yo, was geht?“ begrüße. Obendrein sind Auftraggeber wahrscheinlich auch nur mäßig begeistert, wenn ich ihre Mails mit „Ihr habt wieder alle nur am Watschenbaum gerüttelt“ beantworte.

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Abendlicher Weihnachtsfilm: „Die highligen drei Könige“, über die Freund Ethan, Isaac und Chris, die jeden Heiligabend ausgiebig in New York feiern. Dieses Jahr zum letzten Mal, weil Isaac und seine Frau Betsy ein Kind erwarten.

Wie der Titel vermuten lässt, spielt der Konsum von Drogen in der Storyline eine nicht unerhebliche Rolle und der Film ist eine Art weihnachtliches „Hangover“, geht damit aber leider nicht all-in. Alles in allem dreieinhalb Dominosteine.

13. Dezember 2024, Berlin

Heute ist Tag der Violine. Ich verzichte darauf, ihn zu begehen, indem ich meine alte Geige auspacke und auf ihr spiele. Ich denke, sie ist dafür sehr dankbar. Und alle Nachbarn ebenso.

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Seit zwei Tagen spielt mir der Insta-Algorithmus Werbung für Pyjamas ein. Das ist eher nach meinem Geschmack als die Hüftbruch-Todesprophezeiungen. Gut, es handelt sich um Schlafanzüge für Frauen, aber in Zeiten fließender Gender-Kategorien ist das egal.

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Erreiche morgens ein neues Selbsthass-Level, indem ich vor dem Spiegel Frühsport mache und, weil ich anschließend noch laufen gehen will, dabei ein hautenges Funktions-Shirt trage. In der Vorweihnachtszeit ist das nicht besonders empfehlenswert. Zumindest weiß ich nun, wo die Plätzchen, Lebkuchen und Dominosteine, die ich in letzter Zeit verputzt habe, gelandet sind: Auf meinen Hüften.

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Heute Abend schauen wir „Let it snow“ (auf Deutsch „Tage wie diese“), eine Jugendbuch-Verfilmung nach einer Vorlage von John Green („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“), Maureen Johnson und Lauren Myracle, in der eine Gruppe von Highschool-Schüler*innen die Liebe und das Leben erleben und vor großen Entscheidungen stehen, die noch viel größer wirken, wenn du 18 bist. Ein ganz wunderbarer Film mit Joan Cusack als weise Aluhut-Trägerin und einer großartigen Interpretation von „The whole of the moon“. Das verdient fünf Dominosteine.

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Als ich später im Bett liege, singt-grölt ein Mann in der Ferne. Irgendwas mit Fotzen und Hurensöhnen. Schön, diese vorweihnachtliche Besinnlichkeit.

14. Dezember 2024, Berlin

Der Judoverein des Sohns richtet sein jährliches Weihnachtsturnier aus und meine Frau und ich begehen unsere gute Tat des Jahres, indem wir helfen. Unsere Aufgabe besteht darin, von den Teilnehmenden Startgebühren zu kassieren und Wiegekarten auszugeben.

Zur Vorbereitung haben wir in den letzten Tagen fast 400 Karten ausgedruckt, zugeschnitten und sortiert. Dabei musste ich feststellen, dass ich für jemanden, der sein Geld mit Schreiben verdient, erstaunlich oft das Alphabet aufsagen muss, um sich zu vergewissern, dass das R vor dem T kommt. Und das L vor dem M.

Um rechtzeitig vor Ort zu sein, müssen wir um 5 Uhr aufstehen, fast anderthalb Stunden Bus fahren und zweimal umsteigen. Das ist alles eher unschön. Dafür kannst du bei dem Turnier aber in Jogginghosen rumlaufen, ohne als Assi zu gelten. Es sind die kleinen Dinge, die zählen.

15. Dezember 2024, Berlin

Wir feiern heute unsere alljährliche Plätzchenparty. Mit Plätzchen, Stollen, Glühwein, und Punsch. Über den Tag verteilt werden knapp 100 Freunde, Bekannte, Kollegen und Nachbarn vorbeikommen. Ich hoffe, das ufert nicht aus wie bei „Dirty Office Party”. Wobei ein echtes Rentier in der Wohnung schon ein Hingucker wäre.


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09. Dezember 2024, Berlin

Heute ist Welt-Anti-Korruptionstag. Den nehme ich das erste Mal bewusst wahr. Weil meine Frau letzte Woche am ersten Tag der Adventskalender-Verlosung im Ministerium gezogen wurde. Die potenziellen Gewinne: Geschenke, die Ministeriums-Mitarbeitende nicht annehmen durften, weil sie über der 10-Euro-Compliance-Grenze lagen. Stattdessen mussten sie im Korruptions-Referat abgegeben werden. (Meine Frau nennt das Referat so. Ich glaube aber, das heißt eher Anti-Korruptions-Referat oder so ähnlich.)

Die gesetzesnonkonformen Präsente werden nicht vernichtet, sondern zum Jahresende verlost. Mir scheint, dass dieses Vorgehen, die Grenzen der Regeln zur Verhinderung von Vorteilsannahmen bis aufs Äußerste ausreizen. (Oder wie es bei Japser Ffordes „Shades of Grey“ heißt: „loopholery at its best“.

Meine Frau wusste zunächst nicht, was sie gewonnen hatte. Ihren Preis bekam sie nach ein paar Tagen per Hauspost zugestellt. So lange durfte sie auf eine goldene Uhr hoffen, die möglicherweise der Ministerin überreicht worden war. Der Gewinn entpuppte sich dann als weniger glamourös und noch weniger luxuriös: Es war eine 0,3-Liter-Trinkflasche. Oder wie ihr Kollege sagte: „Wer zur Hölle gibt so etwas im Korruptionsreferat ab?“

Titelbild mit einem kindlichen Ritter, der auf die Wand einer Grundschule gemalt ist
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