Eine kleine Wochenschau | KW03-2024 (Teil 2)

Teil 1


17. Januar 2024, Berlin

Heute ist Wirf-Deine-Jahresvorsätze-über-Bord-Tag. Ich glaube nicht, dass bei allzu vielen die guten Vorsätze zweieinhalb Wochen gehalten haben.

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Auf meiner Laufrunde durch den Volkspark Rehberge entdecke ich an einem Gitter einen Zettel. Werbung für einen Fotokalender. „TXL forever“. Mit Motiven vom Flughafen Tegel.

Ich habe meine Zweifel, ob der Volkspark Rehberge der richtige Ort ist, um einen Flughafen-Fotokalender zu bewerben. Eine gewisse räumliche Nähe zu Tegel ist zwar gegeben, aber Parkbesucher*innen stehen wahrscheinlich eher auf Bäume, Pflanzen und Natur und weniger auf Flughäfen, die nicht mehr in Betrieb sind. Da hat der Kalender-Anbieter einen ziemlichen Streuverlust mit seiner Volkspark-Rehberge-Marketing-Kampagne.

Darüber hinaus fehlt der Kampagne die nötige Breitenwirkung. Im ganzen Park hängt nur dieses eine Poster. Das nicht einmal ein Poster ist, sondern ein DIN A4-Ausdruck in einer Klarsichthülle. Um die Werbebotschaft bei den potenziellen Käufer*innen nachhaltig zu penetrieren, reicht das wohl nicht.

Für mich allerdings schon. Zuhause schaue ich mir die Etsy-Seite zu dem Foto-Kalender an. Die Bilder für die verschiedenen Monate sind nach meiner unfachmännischen Einschätzung nur bedingt künstlerisch wertvoll. Der Anbieter weist aber auch darauf hin, dass es sich lediglich um Schnappschüsse und keine professionellen Fotografien handelt. Deswegen kostet der Kalender auch nur 16,50 Euro.

Ich frage mich, wer sich so etwas kauft. Enthusiastischen Tegel-Fans, die sich Kalender mit Bildern des 2020 stillgelegten Flughafens in ihre Wohnung hängen, scheint mir eine sehr spitze Zielgruppe zu sein. Aber Geschmäcker sind ja sehr verschieden.

Ein Bekannter von mir hatte beispielsweise nie einen rechten Draht zu seinem Schwiegervater. Bis er ihm einen hochwertigen Bildband mit Aufnahmen von Landwirtschaftsmaschinen geschenkt hat. Beim gemeinsamen Anschauen der Bilder und Fachsimpeln über Traktoren, Mähdrescher und Erntemaschinen haben sie dann gebondet. Vielleicht würden die beiden sich über einen Flughafen-Fotokalender freuen.

18. Januar 2024, Berlin

Schaue nach dem Aufstehen aus dem Fenster. Das mit dem Schnee scheint erstmal zu bleiben. Toll.

Wobei Berlin, was die Schneemengen angeht, noch glimpflich weggekommen ist. In NRW hat es in den letzten Tagen mehr als 30 Zentimeter geschneit. Dort fällt in vielen Landkreisen die Schule aus. Berliner Schüler*innen empfinden das nicht als „glimpflich weggekommen”, sondern als himmelschreiende Ungerechtigkeit.

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Radio Eins berichtet, dass nach den Bauern nun die LKW-Fahrer in Berlin protestieren. Oder wie die Moderatorin sagt: „Nach den Treckern kommen die Brummis.“ Heute gäbe es eine Mahnwache in der Straße des 17. Junis und morgen eine Kundgebung am Brandenburger Tor. (Sicherlich wird ihm wieder gehuldigt.)

Durch die vielen Lastwagen in der Stadt sei mit Verkehrsbehinderungen zu rechnen, erklärt der Nachrichtensprecher. Außerdem würden Bauen eine Autobahn-Auffahrt in Brandenburg blockieren. Wahrscheinlich fragt sich die letzte Generation gerade, wo sie sich noch hinkleben kann.

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Abends laufe ich vom Gendarmenmarkt nach Hause und komme an der LKW-Mahnwache vorbei. Die reicht von kurz hinterm Brandenburger Tor bis zur Siegessäule und dann noch ein größeres Stück der Altonaer Straße. Ungefähr drei Kilometer lang mit circa 500 Fahrzeugen.

Ab und an hupt einer der Lastwagen-Fahrer, einige andere stimmen dann mit ein. Ansonsten stehen viele Männer rum, ein paar Grillen und es wird Bier getrunken. Hat ein bisschen was von Betriebsausflug.

Ein paar Fahrer haben in einer rostigen Tonne ein Feuer entfacht, um sich zu wärmen. Ein Touristen-Pärchen stellt sich dazu und hält die Hände an die Flammen. „Is there a protest?“, fragt der Mann in gebrochenem Englisch. Nachdem du tausende Meter an einer Kolonne von riesigen Lastern vorbeigelaufen ist, die mit Postern, Transparenten und Bannern behängt sind, ist das ungefähr so, als stündest du vor einem brennenden Haus und fragst: „Is this house burning?“

Viele Fahrer stehen nicht draußen in der Kälte, sondern sitzen in ihren Brummis. Die Motoren lassen sie laufen, um sich an der Standheizung zu wärmen. Wenn ich das richtig verstehe, sind hunderte von LKW-Fahrern mit ihren Lastern durch ganz Deutschland nach Berlin gefahren und sitzen jetzt stundenlang mit laufenden Motoren bei ihrer Mahnwache rum und verbrauchen noch mehr Sprit. Da verliert das Argument, die Benzinpreise und die CO2-Bepreisung seien zu hoch, doch ein wenig an Glaubwürdigkeit.

19. Januar 2024, Berlin

Ich telefoniere mit der Tochter. Sie friert. Weil Gas so teuer ist, haben sie und ihre Mitbewohner*innen die Heiz-Zeiten eingeschränkt. Die Heizung wird nur zwischen 8 und 9, 13 und 14 und 20 und 22 Uhr angemacht. Dazwischen behelfen sie sich mit dicken Pullovern, Wärmflaschen und Tee.

Heute Abend würden sie alle zusammen weggehen, erzählt die Tochter noch. Irgendwie muss das eingesparte Heizgeld ja ausgegeben werden.

20. Januar 2024, Berlin

Habe heute Nacht geträumt und erinnere mich nach dem Aufwachen noch daran. Das passiert sehr selten. Im Traum stand ich im Supermarkt an der Kasse. Das Kassenband war sehr lang, bestimmt 25 Meter und voll mit Lebensmitteln. Nachdem ich bezahlt hatte, waren meine Einkäufe plötzlich alle verschwunden und unauffindbar.

Ich weiß nicht, ob das in die Kategorie Albtraum fällt oder mir mein Unterbewusstsein sagen will, ich solle gefälligst weniger essen.

21. Januar 2024, Berlin

Wenn die Bauern und die Brummi-Fahrer demonstrieren können, können wir das auch. Meine Frau und ich gehen zur „Zusammen gegen Rechts“-Demo am Bundestag. 100.000 andere auch. Keine Ahnung, ob das was bringt. Ich hoffe es.


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2 Kommentare zu “Eine kleine Wochenschau | KW03-2024 (Teil 2)

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