Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
24. Januar 2022, Berlin
Heute ist Tag der Komplimente. Deswegen eine Botschaft an alle, die das hier lesen: Sie sind die besten Leser:innen auf der ganzen Welt.
25. Januar 2022, Berlin
Vor gut zwei Monaten hatte ich ein paar Unterlagen an die Familienkasse geschickt, um weiter Kindergeld für unsere inzwischen volljährige Tochter zu beziehen. Da wir bis heute keinerlei Rückmeldung erhalten haben, versuche ich telefonisch herauszufinden, ob unser Antrag überhaupt angekommen ist. (Der musste nämlich postalisch gesendet werden und da kann ja schon mal etwas schief gehen.)
Bei meinem Telefonat stellt sich heraus, dass meine Frau bei der Familienkasse als alleinstehend registriert ist, ich dagegen überhaupt nicht. (Okay, wir sind erst seit fünf Jahren verheiratet und seit 25 Jahren zusammen, da kann das ja passieren.) Die freundliche Dame von der Familienkasse erklärt mir, dass sie mir aufgrund meiner Nicht-Existenz in ihrer Datenbank aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskunft erteilen dürfe. Ich erkläre, das verstünde ich, aber vielleicht könne sie mir einfach mitteilen, ob unsere Unterlagen eingegangen seien. Nein, das könne sie bedauerlicherweise nicht. Vielleicht könne sie einfach kurz husten, falls ihr der Antrag vorliegt, schlage ich vor. Das könne sie auch nicht, erwidert die Frau.
Nun bin ich verunsichert. Kann sie das nicht, weil sie unsere Unterlagen nicht hat, oder weil es ihr aufgrund der Datenschutz-Vorschriften untersagt ist.
Nun gut, dann muss meine Frau selbst dort anrufen. Dabei hätte ich sie als alleinstehende Mutter doch so gerne unterstützt.
26. Januar 2022, Berlin
Auf Instagram bekomme ich Werbung für einen Service, bei dem du dir ein einzigartiges, handgefertigtes Unterschriften-Logo anfertigen lassen kannst, das deine Persönlichkeit angeblich perfekt zum Ausdruck bringt. Als Kind habe ich immer unterschreiben geübt, damit ich, falls ich mal berühmt werde, schwungvoll mit einer besonders ausgefallenen Unterschrift Autogramme geben könnte. Ist mir aber nie gelungen. Meine Unterschrift besteht bis heute aus meinen Anfangsbuchstaben und jeweils zwei ziemlich flachen Linien. Im Prinzip wie ein EKG kurz vor dem Exitus.
Daher spiele ich – obwohl ich überhaupt keine Verwendung für ein Signatur-Logo habe – mit dem Gedanken, mir für 40 Dollar eine eigens für mich entworfene Unterschrift zu bestellen. Wahrscheinlich hat sich mein Urteilsvermögen nach zwei Jahren Pandemie in Kartoffelbrei verwandelt.
Ich klicke die Werbung dann doch weg. Stattdessen kaufe ich ein Programm, mit dem ich Diagramme erstellen kann, die aussehen, als hätte ich sie handgezeichnet. Wofür ich das gebrauchen könnte, weiß ich auch nicht so genau. Es wird wirklich Zeit, dass die Pandemie vorbei ist.
27. Januar 2022, Berlin
Bizarres Erlebnis bei eBay-Kleinanzeigen: Wir verschenken einen Schreibtisch, den wir nicht mehr benötigen. Alle Nachrichten, die ich erhalte, sind freundlich, fast alle mit Begrüßung und Abschiedsformel und der Tisch wird pünktlich und zum verabredeten Zeitpunkt von zwei freundlichen jungen Männern abgeholt.
Eigentlich ganz schön hier im Paralleluniversum.
28. Januar 2022, Berlin
Heute ist Zeugnistag. Die Notenausbeute des Sohns war auch schonmal besser, spiegelt aber seinen Enthusiasmus für schulische Angelegenheiten jedweder Art doch recht gut wider.
Aber was soll’s. Für einen Fünfzehnjährigen, für den Schule im Allgemeinen und binomische Formeln, griechische Grammatik und Prozesse der Photosynthese im Besonderen so viel Relevanz haben wie die Entwicklung des Bruttosozialprodukts auf Papua-Neuguinea und der seit zwei Jahren unter Pandemie-Bedingungen zur Schule gehen muss, ist das Zeugnis eigentlich in Ordnung.
29. Januar 2022, Berlin
Der Sohn und ich fahren zum Baumarkt. Wir wollen Wandfarbe für sein Zimmer kaufen. Ich fühle mich in Baumärkten immer sehr unwohl. Es gibt keinen Ort, an dem meine Männlichkeit fragiler ist als in einem Baumarkt. (Außer vielleicht in einem Mixed-Martial-Arts-Käfig.)
Die anderen Männer, die hier rumlaufen, tragen schwere Arbeitsschuhe und blaue Hosen aus dickem Stoff, aus deren Taschen irgendwelches Werkzeug schaut, und ihre schwieligen Hände zeugen davon, dass sie harte körperliche Arbeit gewohnt sind. Mit Kennerblick schauen sie sich Feuchtraumleitungen, 2-Wege-Verteiler und Flachverbinder an und sagen Sachen wie „Wenn ich das durch Wagoklemmen ersetze, die Adern ein Stück kürze und alles abisoliere, müsste das eigentlich wieder laufen.“
Ich dagegen irre immer vollkommen unbedarft und unwissend durch Baumärkte und habe Schwierigkeiten mich in diesen riesigen Läden, die per Gesetz mindestens so groß wie 360.000 Fußballfelder – oder ein Saarland – sein müssen, überhaupt zurechtzufinden. Trotzdem traue ich mich nie, nachzufragen, wo die Sachen sind, die ich suche, weil ich Angst habe, etwas Dummes zu sagen und als Betrüger entlarvt zu werden, der hier nichts verloren hat. („Ich suche für unseren Badewannen-Wasserhahn so einen Nupsi zum Wasser umschalten für die Brause. Diesen Nippel, den man hochziehen muss. Wo finde ich die?“) Deswegen bin ich auch froh, dass Mitarbeiter:innen in Baumärkten ohnehin fast nie zu finden sind.
Aber heute bin ich zuversichtlich, mich im Baumarkt nicht zu blamieren. Selbst einen Handwerks-Fail auf zwei Beinen wie mich sollte es nicht überfordern, weiße Wandfarbe zu kaufen. Zumindest denke ich das, bis ich vor einem Regal von der Größe von 8.000 Fußballfeldern – oder 0,02 Saarlands – stehe. Dort muss ich feststellen, dass Weiß nicht gleich Weiß ist. Nein, es gibt Deckweiß, Malerweiß, Arktisweiß, Polarweiß, Powerweiß, Universalweiß, Wohlfühlweiß, Naturweiß, Umweltweiß, Altweiß, Chalk White, Perlweiß, Topweiß und Reinweiß. Da weiß ich dann auch nicht weiter. (Bitte bedenken Sie bei solch unterirdischen Wortwitzen immer, dass das hier alles kostenlos ist.)
Die Farben gibt es dann in den Ausführungen hochglänzend, glänzend, seidenglänzend, seidenmatt, matt, edelmatt und tuchmatt. Außerdem gibt es Latexfarbe, Leimfarbe, Kaseinfarbe, Dispersionsfarbe, Strukturfarbe, Silikatfarbe und vieles mehr. Wie soll da ein normaler Mensch die richtige Farbe auswählen können? Leider sehe ich aber nirgendwo einen Baumarkt-Mitarbeiter, den ich fragen könnte.
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Meine Frau und ich haben heute unseren 25. Jahrestag. Falls Sie sich fragen sollten: „Krass, wie können die beiden schon 25 Jahre zusammen sein? Haben die sich im Kindergarten kennengelernt?“ Ja.
Damit Sie einen Eindruck davon haben, wie lange es schon her ist, dass wir zusammengekommen sind, hier ein paar Fakten zu 1997:
- Angela Merkel war Umweltministerin. Unter Helmut Kohl.
- Oskar Lafontaine war Vorsitzender der SPD.
- Bundestrainer war Berti Vogts.
- Pete Sampras und Martina Hingis gewannen die Australian Open.
- Erfolgreichster Hit des Jahres war „Die längste Single der Welt“ von Wolfgang Petry.
- „Titanic“ war der erfolgreichste Kinofilm des Jahres.
30. Januar 2022, Berlin
Wir verbringen den halben Sonntag damit, das Zimmer des Sohns zu streichen. Ich erkläre ihm, wie er am besten die Leisten abklebt, wo zuerst gestrichen werden muss und was beim Aufbringen der Farbe zu beachten ist. Dabei muss ich die ganze Zeit an das Sprichwort „den Bock zum Gärtner machen“ denken. Beziehungsweise „den Bock zum Anstreicher machen“. Dass ich dem Sohn handwerkliche Tipps gebe, ist wirklich absurd. Das ist ungefähr so, als würde Donald Trump seine Kinder in gewaltfreie, wertschätzende, gendersensible Kommunikationstechniken einführen.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Und welches weiß ist es nun geworden? Bei Arktik weiß hätte ich große Sorge.
Es ist ein harmloses polarweiß geworden.
Dein 15 Jähriger möchte ein weißes Zimmer? Ist das nicht das Alter wo alles schwarz sein muss?