Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
26. Februar 2024, Berlin
Die Woche beginnt hoffnungsvoll. In meiner Inbox ist eine Mail von LOTTO Berlin. Betreff „Gewinnbenachrichtigung.“
Nachdem ich in meinem Kundenkonto kontrolliert habe, wie viel wir gewonnen haben, ist die Woche doch eher ernüchternd: Unser Gewinn beträgt 6 Euro. Meine Frau sieht das positiver als ich: „Cool, dann können wir uns einen Döner kaufen.“
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Die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette wurde festgenommen. Sie gehörte zur sogenannten dritten Generation der RAF. Daniela ist ein Name, der nicht so recht zu einer Person, passen will die wegen Bombenanschlägen, schweren Raubüberfällen und versuchtem Mord gesucht wird. Aber welcher Name tut das schon? (Ulrike, Gudrun und Andreas auf jeden Fall nicht.)
Daniela Klette ist vor 35 Jahren untergetaucht. Damals war ich dreizehn, las TKKG-Bücher und auf der Post hingen die Fahndungsplakate mit den schwarzweiß Portraits der RAF-Terrorist*innen. Als Kind hatte ich Angst, dass bei uns im Ort Anschläge verübt werden. Eine irrationale Furcht, denn es war ziemlich unwahrscheinlich, dass der Umsturz des imperialistisch-kapitalistischen Systems mit seiner faschistischen Regierung in Westerburg herbeigebombt wird.
Im Studium schrieb ich meine Vordiplomsarbeit über die RAF. Das war 1997/98. Eine Konfliktanalyse. Ich bekam sogar eine 1,0, habe aber nicht mehr den geringsten Schimmer, was meine genaue Frage-stellung war. Ist ja auch schon mehr als 25 Jahre her. Daniela Klette war damals seit fast zehn Jahren auf der Flucht.
Gefasst wurde Daniela Klette jetzt in Kreuzberg. Dort lebte sie über 18 Jahre. Kein sonderlich originelles Versteck für eine gesuchte Linksterroristin. Sie war im örtlichen Capoeira-Verein aktiv, wovon es Bilder auf Facebook gibt. Einmal wurde sie sogar auf einem Plakat als „Spezialgast“ angekündigt.
Für die Fahnder stelle ich mir das sehr ernüchternd vor. Du suchst mehr als drei Jahrzehnte nach einer Person und dann findest du heraus, dass sie fröhlich in den sozialen Medien unterwegs ist. Okay, nicht unter ihrem richtigen Namen und sie trug bei ihren Capoeira-Auftritten auch keine T-Shirts mit RAF-Logo, aber dennoch. Für ein „normales“ bürgerliches Leben hatte Daniela Klette lediglich zu viele Waffen in ihrer Wohnung. Ansonsten kann ihr Alltag kaum als „im Untergrund leben“ beschrieben werden.
Ich weiß nicht, ob Daniela Klette einem sozialversicherungspflichten Bürojob nachging. Falls ja, würde es mich nicht wundern, wenn an ihrem Arbeitsplatz ein schlecht ausgedruckter und schon leicht verblasster DIN A4-Zettel hing:
„Keine Hektik. Ich bin hier auf der Arbeit, nicht auf der Flucht.“
27. Februar 2024, Berlin
Sitze vor meinem Rechner, schaue auf der Website oneminutefocus.com auf einen schwarzen pulsierenden Punkt und atme. Das sollst du für eine Minute machen, um den mentalen Fokus für deine nächste Aufgabe zu verbessern. Mein gesamter mentaler Fokus ist darauf ausgerichtet, zu überlegen, wie lange es noch dauert, bis die 60 Sekunden rum sind.
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Mein Instagram-Werbealgorithmus spinnt auch diese Woche. Mir wird eine Ausbildung zum Fitness-Trainer vorgeschlagen. Eine andere Werbe-Kachel wirft die Fragen auf, ob ich ein Vermögen von über 500.000 € habe und noch keinen Masterplan. Ersteres kann ich verneinen, letzteres bejahen.
28. Februar 2024, Berlin
Treffe mich mit meinem alten Kollegen I. Wir haben vor über 20 Jahren bei einer Agentur zusammengearbeitet. Er als Account Manager, ich als Volontär.
Wir gehen in ein kleines italienisches Lokal. Ich bestelle Penne mit veganer Bolognese. Der Besitzer meint, er habe auch richtige Bolognese, ich bleibe jedoch bei meiner Wahl. Er meint, gut, dann bekäme ich halt das Plastikzeug. Eine merkwürdige Art deinen Kunden eine Speise schmackhaft zu machen.
Die vegane Bolognese ist trotzdem köstlich. Schmeckt eigentlich wie Hackfleisch-Bolo. Möglicherweise hat mir der Besitzer die untergejubelt, weil er veganes Essen hasst und das steht nur pro forma für die Mitte-Hipster auf der Speisekarte.
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Der Sohn musste heute Englisch schreiben. Gestern Abend beklagte er sich, dass er nachmittags nicht chillen könne, weil er dann für die Philo-Klausur am Freitag lernen müsse. Als ich nachmittags nach Hause komme und den Sohn begrüßen möchte, liegt er im Bett und macht ein kleines Nickerchen.
Aber Schlaf ist ja auch wichtig, damit das Gehirn Informationen verarbeiten kann. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob der Sohn seinem Gehirn schon Philo-Informationen zugefügt hat.
29. Februar 2024, Berlin
Heute ist ein besonderer Tag: Schalttag. Außerdem hat mein Vater 60-jähriges Abitur. Da der Schalttag aber nur alle vier Jahre ist, ist es eigentlich erst sein 15-jähriges Abitur.
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Der Februar verabschiedet sich mit einer weiteren Gewinnbenachrichtigung von LOTTO Berlin. 11,80 Euro. In kleinen, aber stetigen Schritten nähern wir uns dem Millionen-Jackpot.
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Artikel in der FAZ: „Wie vererbe ich mein Vermögen?“ Ein Ehepaar mit drei Kindern hat vier Millionen Euro angespart und bekommt Tipps für ihr Testament. Aus der Reihe „Probleme, die ich auch gerne hätte.“
Wobei: Noch 450.000 Lotto-Gewinnbenachrichtigungen und der Artikel wird für mich relevant.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)