Eine kleine Wochenschau | KW16-2021

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


12. April 2021, Berlin

Es ist 5 Uhr morgens. Ich werde durch ein lautes Spektakel auf dem Fensterbrett vor unserem Schlafzimmer geweckt. Dort sitzt ein Tauberich, der sich zu einer beachtlichen Größe aufgeplustert hat und in einer Lautstärke und Penetranz gurrt, die um diese Uhrzeit nur schwer erträglich ist.

Entweder hatte Herr Taube schon sehr, sehr lange keinen Sex mehr und lässt nun die weibliche Taubenwelt in ganz Moabit wissen, dass er verfügbar und bereit ist. Oder er hat einen sehr, sehr kleinen Penis und muss das mit seiner Lärmerei kompensieren. Hoffentlich steigt er gleich in seinen Porsche und fährt woanders hin.

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Meine Frau hat nachmittags im Wohnzimmer eine Videokonferenz. Allerdings ist die Internetverbindung alles andere als stabil und sie wird immer wieder rausgeworfen, wenn sie sich zu Wort meldet. So wie sie flucht, erwarte ich, dass jeden Moment Capital Bra anruft, um einen Song mit ihr aufzunehmen.

13. April 2021, Berlin

Auf unserem Abendspaziergang entdecke ich an einer Haustür einen Zettel, auf dem “Kanarienvogel zugeflogen” steht. Wie passiert so etwas? Setzt sich der Kanarienvogel auf deine Schulter und kommt mit dir nach Hause? Und wo bewahrst du den Vogel auf, wenn du keinen Käfig zur Hand hast? In irgendeinem Karton? (Luftlöcher nicht vergessen!) Oder lässt du ihn in der Wohnung rumfliegen und er kackt dir dann alles voll? Und was gibst du ihm zu fressen? Als Nicht-Vogelbesitzer hast du ja kein Vogelfutter vorrätig. Und ein Vogel ernährt sich normalerweise nicht von kalter Pizza vom Vorabend. (Außer es ist eine Stadttaube oder eine Stadtkrähe. Dann schon.)

Noch mehr interessiert mich, was sich der Kanarienvogel bei seinem Ausflug gedacht hat. Brauchte er in dieser ganzen Corona-Pandemie-Öde mal einen Tapetenwechsel? So wie unsereins gerne nach Kreta, Sardinien oder Föhr reisen würde, besucht er eine andere Wohnung. Vielleicht hat er auch einen Jochen-Schweizer-Gutschein geschenkt bekommen: „1x Abenteuer-Urlaub in einer anderen Wohnung“.

14. April 2021, Berlin

Zum Abendessen gibt es Pizza und zum Nachtisch Schokoeis. Es ist das Zeugnisessen für die Tochter. Das letzte ihres Lebens. Ab nächster Woche schreibt sie dann Abitur. Dabei war es doch erst gestern, dass ich ihr im Krankenhaus einen altrosafarbenen Frotteestrampler angezogen habe und ihr lief eine einzelne Träne über das kleine Gesicht. Verrückt!

15. April 2021, Berlin

Hatte heute Nacht einen äußerst weirden Traum, in dem ich mit Jens Spahn zum Tennisspielen verabredet war. Das Vorhaben scheiterte jedoch daran, dass sich in meiner Sporttasche nur zwei demolierte Kinderschläger, ein Federballschläger und ein Lacrosse-Schläger befanden, aber kein einsatzfähiger Tennisschläger. Jens Spahn war wegen des ausgefallenen Spiels zuerst etwas missgestimmt. Wir haben dann zusammen Weißwein-Schorle getrunken und da ging es wieder.

Ich habe Fragen an mein Unterbewusstsein. Sehr viele Fragen!

(Um den werten Leser:innen das Kopfkino ein wenig zu verschönern, sei erwähnt, dass Jens Spahn und ich auch beim Weißwein-Schorle-Trinken weiße Tennis-Klamotten trugen und zwar mit recht kurzen Hosen, wie sie in den 70er/80er-Jahren zu Zeiten von Björn Borg und John McEnroe in Mode waren.).

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Die CD wird heute 40 Jahre alt. Ob sie wohl an einer Midlife-Crisis leidet, sich einen schnittigen Sportwagen zulegt und mit vollbusigen Maxi-Singles anbandelt, um sich jung zu fühlen?

Ich bekam meine erste CD zu meinem 13. Geburtstag. (Nein, das ist keine 40 Jahre her.) Es war der Soundtrack zu der ARD-Jugendsendung „Moskito” und enthielt unter anderem fünf Ärzte-Songs über Gabi und Uwe. (Die Älteren erinnern sich.) Beim Hören habe ich mich wie ein harter, rebellischer Punk-Musik-Fan gefühlt. (Eine Selbstwahrnehmung, die im größtmöglichen Widerspruch zu meiner tatsächlichen Erscheinung als milchbubigesichtiger Spätentwickler stand.)

Zum Leidwesen meiner Eltern spielte ich die CD hoch und runter, bis ihnen Lieder wie „Gabi und Uwe in Liebe und Frieden“ oder „Sie tun es“ irgendwann zu den Ohren rauskamen. Aber eigentlich waren sie selbst schuld. Sie hätten mir ja auch zwei CDs schenken können.

16. April 2021, Berlin

Als ich morgens zum Laufen gehen will, treffe ich im Hausflur zwei Mädchen aus dem Haus. Sie sind ungefähr acht, neun Jahre alt und nesteln an der Kette eines Fahrrads rum.

“Braucht ihr vielleicht Hilfe?”, frage ich die beiden. Eine naheliegende Frage, denn Erwachsene sollten Kindern helfen, wenn sie alleine nicht weiterkommen. Angesichts meiner handwerklichen Unfähigkeit ist es trotzdem erstaunlich, dass ich meine Unterstützung anbiete. Da die Mädchen das aber nicht wissen, nicken sie dankbar.

Ich mache mich an der Kette zu schaffen, ohne genau zu wissen, was ich da eigentlich tue. Die kleine Radbesitzerin beschleichen allmählich Zweifel, ob es eine gute Idee war, mein Hilfsangebot anzunehmen. „Ist nicht schlimm, ich kann auch meinen Roller nehmen“, sagt sie. „Hab’s gleich“, erwidere ich mit einer Zuversicht, die an Realitätsverweigerung grenzt.

Als ich nach ein paar Minuten immer noch keine rechten Fortschritte erzielt habe, meldet sich das Mädchen mit leicht verzweifeltem Unterton noch einmal zu Wort: „Ich kann wirklich meinen Roller nehmen. Wir sind schon spät dran.“ Ich knurre etwas Unverständliches.

Zum Glück der Kinder kommt ein anderer Nachbar die Treppe runter. Er ist passionierter Radfahrer und hat sicherlich mehr Fahrradketten-Kompetenz als ich. Das wäre allerdings auch der Fall, wenn er gerade als Steinzeitmensch einer Zeitkapsel entstiegen wäre und noch nie in seinem Leben ein Fahrrad gesehen hätte.

Der Nachbar fragt, ob ich zurechtkäme. Um mein Gesicht zu wahren, murmle ich, das Licht sei so schlecht und ich sähe kaum etwas. „Ich kann es ja mal versuchen“, schlägt er vor und nimmt sich der Sache an. Zu meiner Beruhigung braucht er auch ein wenig, bis die Kette wieder auf dem Kettenblatt sitzt. Wahrscheinlich war er aber einfach nett und hat sich ein wenig Zeit gelassen, um mich vor den Mädchen nicht vollkommen bloßzustellen.

(Kettenblatt ist übrigens ein Wort, das ich nur kenne, weil ich es gegoogelt habe.)

17. April 2021, Berlin

Bestelle beim Bäcker zwei Schusterjungen und zwei Schrippen. „Die beiden Schusterjungen sind von gestern, deswegen bekommen sie die kostenlos“, erklärt mir der Bäcker. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich vier Schusterjungen und keine Schrippen bestellt.

18. April 2021, Berlin

Ich lese auf Spiegel Online einen Bericht, dass ein internationales Forscherteam ein Mischwesen aus Mensch und Affen erschaffen hat. Können wir bitte erstmal die Corona-Pandemie überstehen, bevor wir irgendwelche Chimären züchten, die sich irgendwann über die Menschheit erheben, uns alle töten und die Weltherrschaft an sich reißen.



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