Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
19. April 2021, Berlin
Auf unserem Abendspaziergang beobachten wir in einem Hauseingang zwei ungefähr dreijährige Jungs. Die beiden hauen sich selbst auf den Po und lachen und glucksen dabei so selbstvergessen, wie nur Dreijährige lachen und glucksen.
Vielleicht sollten wir uns alle ein Beispiel daran nehmen, uns auf den Po hauen und lachen und glucksen. Anders ist dieser Corona-Irrsinn ja nicht zu ertragen.
(Damit keine Missverständnisse aufkommen: Sie sollen nur sich selbst auf den Po hauen, nicht irgendwelchen wildfremden Personen. Die lachen und glucksen dann wahrscheinlich eher nicht.)
###
Die Grünen haben heute verkündet, dass Annalena Baerbock ihre Kanzlerkandidatin ist. Prinzipiell eine gute Entscheidung, finde ich. Allerdings ist sie erst 40. Das ist ein Problem. Nicht, weil ich ihr Erfahrung und Kompetenz abspreche – bei den Kandidaten der anderen Parteien scheint mir die Regierungserfahrung nicht unbedingt ein Pluspunkt zu sein –, sondern weil ich im Falle ihrer Wahl nicht mehr jüngster Bundeskanzler in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland werden kann.
Zum jüngsten Bundestrainer aller Zeiten würde es aber noch reichen. Gleich mal eine Mail an den DFB schicken.
###
Nachts einigt sich die CDU auf Armin Laschet als ihren Kanzlerkandidaten. Endlich hat der unwürdige Gockelkampf mit Markus Söder ein Ende. Dann wird jetzt – hoffentlich –nicht mehr minütlich berichtet, ob einer der beiden gerade ein Flugzeug besteigt, ein Mettbrötchen isst oder aufs Klo geht.
Vielleicht haben die beiden auch gar nicht so lange gestritten, wer Kanzlerkandidat werden darf, sondern wer es werden muss. Wer von der CDU/CSU hat schon Lust Vizekanzler unter einer grünen Bundeskanzlerin zu werden.
20. April 2021, Berlin
Der Sohn geht heute in die Schule. Das erste Mal seit vier Monaten. Seine Begeisterung hält sich in Grenzen. Vielleicht sollte den Schüler:innen erlaubt werden, ihre Gamer-Sessel mitzubringen und während des Unterrichts YouTube-und TikTok-Videos zu schauen. Dann wäre der Übergang vom Home Schooling zum Präsenzunterricht nicht ganz so hart.
21. April 2021, Berlin
Die Tochter schreibt ihre erste Abi-Klausur. In Philosophie. Über Hobbes, Rousseau, Bentham, Kant, Nietzsche, Gehlen und Adorno, über Utilitarismus, naturalistische Fehlschlüsse, Institutionen, das Wesen der Menschen und solche Sachen.
Mir raucht der Kopf, wenn ich das alles nur höre. Bei Philosophie halte ich es mit Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Die Tochter hoffentlich nicht.
22. April 2021, Berlin
Ich treffe morgens das kleine Mädchen aus unserem Haus, dem ich letzte Woche mit der Fahrradkette „geholfen“ habe. Als es mich erblickt, hat es leichte Panik in den Augen. Wahrscheinlich befürchtet sie, ich könnte mich abermals als Fahrradmechaniker andienen, und sie kommt dann wieder zu spät zur Schule. Schnell steigt sie auf ihr Rad und fährt davon.
###
In meinem Spam-Ordner finde ich eine Mail mit mir als Absender. Sie trägt den etwas pathetischen Betreff „Das Ende der Ära des Übergewichts!“ Wie sehr kann sich ein Mensch hassen, dass er sich selbst Spam schickt und sich dabei quasi als fettleibig bezeichnet?
(Sollten Sie, werte Leser:innen, eine solche Mail von meinem Account erhalten, möchte ich darauf hinweisen, dass nicht ich sie verschickt habe, sondern irgendein Spam-Bot. Es käme mir selbstverständlich nie in den Sinn, Sie als dick zu bezeichnen.)
###
Im Tagesspiegel Online gibt es einen Artikel darüber, dass jahrelanger Schlafmangel das Demenzrisiko im Alter erhöht. Angesichts des Schlafverhaltens des Sohns, würde ich davon ausgehen, dass er später keine Gedächtnisproblemen haben wird.
23. April 2021, Berlin
Die Tochter schreibt heute ihre zweite Abi-Klausur. Diesmal in Englisch. Unter anderem zu dystopian literature. Inzwischen ist das ja kaum von zeitgeschichtlicher Gegenwarts- Literatur zu unterscheiden.
###
Die vielen Mails in meinem Spam-Ordner bin ich ja gewohnt. Heute gibt es aber eine Premiere: Spam im Briefkasten. So richtig auf Papier.
Es ist ein DIN A 4-Ausdruck, auf dem Sätze stehen wie “jesus den ersten den ich getroffen habe mohammed mit dem heiligen geist in der moschee in stankt georg in hamburg altona er war da mit dem heiligen geist richte es buddah aus den ich getroffen habe er hat gesagt tu was positives es wird positiv zuruckkommen”. (Und zwar genau in dieser Schreibweise.)
Wer auch immer das geschrieben hat, steht also mit Jesus, Mohammed und Buddah in Kontakt. Da meint es jemand mit der Ökumene so richtig ernst. Oder geht für sein Leben nach dem Tod auf Nummer sicher.
24. April 2021, Berlin
Das Wetter ist heute heiter bis wolkig ohne Niederschläge. Somit gibt es keine Entschuldigung mehr für uns, die Fenster nicht zu putzen. Entsprechend würde ich unsere Stimmung als bedeckt mit Niederschlägen und leichten Gewittern beschreiben.
Im Badezimmer nehme ich mir außerdem den Heizkörper vor. Der ist in den Zwischenräumen ziemlich eingestaubt und mit Wollfusseln bedeckt und muss dringend gesäubert werden. Der Aufsatz für das Staubsaugerrohr ist aber nicht schmal genug und ich muss mich anders behelfen. Ich lege ein Mikrofasertuch über einen Kochlöffel, fixiere es mit einem Gummi und entstaube dann die Heizungszwischenräume mit dieser Konstruktion. Nie habe ich mich mehr als MacGyver gefühlt als in diesem Moment!
25. April 2021, Berlin
Auf unserer morgendlichen Joggingrunde laufen meine Frau und ich am Kanzleramt vorbei. Dort sitzt wie schon seit Monaten ein Mann mit einem Schild, auf dem er kundtut, er fühle sich von der Corona-Diktatur von Frau Merkel misshandelt. Nun ja, das fällt in einer demokratischen Gesellschaft wohl unter die Demonstrations- und Meinungsfreiheit. Da darfst du auch groben Unfug auf Schilder schreiben.
Um die Ecke hat der Typ sein Auto geparkt. Zumindest vermute ich, dass es seins ist, denn auf der Motorhaube steht in weißer Schrift „Freiheit für Mund + Nase“. Ich spiele mit dem Gedanken, den Schriftzug mit meinem Schlüssel nachzuziehen, fürchte aber, dass das nicht unter die Kunstfreiheit fällt.
###
Zum Entsetzen der Kinder haben meine Frau und ich uns bei TikTok angemeldet. Nicht um eigenen Content hochzuladen, sondern um uns Clips anzuschauen. Das haben wir den Kindern aber nicht so deutlich gesagt. Ich denke, es könne für sie eine gute Motivationshilfe sein, ihre Haushaltspflichten ernst zu nehmen, wenn ich ab und an Andeutungen mache, ich könnte sie auch mit einem TikTok-Tanz daran erinnern, den Müll runterzubringen, das Bad zu putzen oder ihre Betten zu beziehen.
Aber auch so zucken die Kinder jetzt immer nervös zusammen, wenn meine Frau oder ich beim Abendbrot erzählen: „Ich habe bei TikTok gesehen, wie …“ Wahrscheinlich finden die Kinder das cringe. Was sie auch cringe finden: Wenn ich das Wort cringe verwende. (Cringe, cringe, cringe.)
@nico_speed ich verstehs net. Das is Raketen Technik für mich🤯😂🤷🏻♂️ ##trend ##viral ##challenge ##lachen ##lustig ##bügeln
♬ Maniac (Flashdance Version) (Re-Recorded / Remastered) – Michael Sembello
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Klasse Wochenschau. Ich lese sie zum ersten Mal (also überhaupt Deine Wochenschau, nicht diese spezielle von KW 17, btw auch ein sehr deutsches Wort, KW; so was gibt es in Kalendern, die man bspw in Lateinamerika kauft, nicht; da ist das dann die Woche vom 26.4. oder die nach Ostern oder sowas).
Und fühlte mich sehr verwandt, denn
a) K1 (aber Sohn) schreibt auch gerade Abi und hat am Fr auch Eng LK geschrieben; aber das Umweltthema gewählt;
b) K2 (auch Sohn) wohl mit Deinem in Punkto „was ist spannender – screen time oder Präsenzunterricht?“ sehr ähnlicher Meinung ist; der Arme hat nur nie einen gamer chair bekommen, sich dafür aber einen teuren Controller extra von seinem Ersparten gekauft, obwohl er einen „normalen“ hatte; und gerade ist playstation auch weniger angesagt, sondern mal wieder Phase anime (nach sehr intensiven „Naruto“-Monaten mit Wunsch eines Auslandsjahres in Nihon wird jetzt „hanta hanta“ geglotzt…Mutti muss dann ab und zu mal erinnern, dass MSA Präsi in weniger als einem Monat ansteht…und dass vor Präsi erstellen idR Inhalt recherchiert werden muss);
c) ich natürlich auch total cringe bin (mein Mann, der viel weniger sagt als ich, hingegen viel weniger), und wenn ich cringe sage natürlich noch viel mehr; und außerdem bin ich soundso viel zuviel auf social media unterwegs, ganz besonders, seit ich vor vier drei, vier Monaten mal wieder mit „insta“ angefangen habe, und K2 mir auch „safe“ nicht folgt, weil irgendwer könnte ja die connection herstellen, und das ist 1000%ig nicht gewollt, weil MOM da wirklich komische Sachen postet vom Haushalt und homeoffice und homeschool und wen bitte interessiert das. Dazwischen fallen Ausdrücke wie „cap“, „no front“, „aus der Hölle“ oder sowas Ähnliches, was ich alles nochmal googeln muss (bei „cringe“ war Artikel von Spiegel-Mann Markus Deggerich hilfreich).
So, jetzt muss ich mal meiner bezahlten Arbeit nachgehen; das mach‘ ich nämlich auch noch ca 8 Stunden am Tag, von Mo bis Do, nur K2 registriert das nur selektiv…
Schöne Woche!!!