Eine kleine Wochenschau | KW40/41-2022 (Teil 2)

Teil 1


13. Oktober 2022, Berlin

Heute ist Internationaler Tag der Skeptiker. Ich glaube nicht, dass der was bringt.

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Bekomme eine Mail von Lotto Berlin mit dem Betreff Gewinnbenachrichtigung. Ich beschließe, in meinem Lotto-Account zu kontrollieren, wie viel wir gewonnen haben, bevor ich mit der Arbeit anfange. Vielleicht erübrigt sich das ja dann mit dem Arbeiten. Tut es aber nicht. (Sonst würden Sie diesen Beitrag nicht lesen.)

Unsere Gewinnsumme beträgt sechs Euro. Das bringt mich nicht wirklich meinem Ziel näher, ein finanziell sorgenloses Leben als Privatier zu führen. Zumindest sind dadurch die nächsten zweieinhalb Lottoeinsätze bezahlt. Und da klappt es dann bestimmt mit dem Millionengewinn. Eine geradezu naiv optimistische Einstellung. Insbesondere am Internationalen Tag der Skeptiker.

14. Oktober 2022, Berlin/Föhr

Kurz nach halb zwei. Wir fahren mit dem Zug Richtung Hamburg. Von dort geht es weiter über Niebüll nach Dagebüll und dann mit der Fähre nach Föhr. Die Reise ist eine Überraschung für meine Schwiegermutter, die am Sonntag einen runden Geburtstag feiert.

Schräg vor mir sitzt ein Mann mit einem Martini-Glas-Tattoo auf dem Unterarm. Warum wohl? Vielleicht trinkt er sehr, sehr gerne Martini und freut sich immer, wenn er auf seinen Unterarm schaut. Oder seine Partnerin oder sein Partner ist ein großer Martini-Fan und die Tätowierung ist ein Liebesbeweis.

Er könnte auch Mitglied einer Barkeeper-Gang sein und das Martini-Glas ist ihr geheimes Erkennungszeichen. Oder er ist objektophil und in ein Martini-Glas verliebt.

So viele Möglichkeiten und ich werde nie erfahren, was die Geschichte hinter der Tätowierung ist.

15. Oktober 2022, Föhr

Zu einem Föhr-Aufenthalt gehört selbstverständlich dazu, am Meer zu joggen. Außerdem werden wir in den nächsten Tagen sehr wahrscheinlich sehr viel essen. Da scheint es mir ratsam zu sein, meine Kalorienbilanz durch ein kleines Läufchen aufzubessern.

Unser Ferienhaus liegt nicht weit vom Meer entfernt. Ich laufe einfach in die Richtung los, in der ich den Strand vermute. Ein geradezu lächerliches Vertrauen in meine Ortskenntnis und in meinen Orientierungssinn. Als hätte ich mein bisheriges Leben nicht mit mir, sondern im Körper eines Survival-Abenteurers verbracht.

Zu meiner eigenen Überraschung erreiche ich tatsächlich nach kurzer Zeit das Wasser. Wenn ich mich nicht täusche, muss ich nun einfach nach links laufen und komme dann irgendwann in Wyk an. Falls ich mich doch irre – und das ist nicht auszuschließen –, werde ich bei irgendeinem der Inseldörfer rauskommen und mich dann wahrscheinlich verlaufen. Egal, denke ich. No risk, no fun.

No fun ist auch, dass es zunächst keinen Promenadenweg gibt. Ich muss durch den tiefen Sand laufen. Bei Rocky sieht so etwas immer kraftvoll und dynamisch aus. Bei mir eher nach altersschwachem Haflinger auf dem Weg zur Notverwurstung.

Ich laufe über den Hundestrand. Dort sind aber nur sehr wenige Hunde und die interessieren sich nicht für mich. Das ist mir recht, denn auf ein Sprintduell mit einem beißwütigen Vierbeiner kann ich gerne verzichten.

Als nächstes kommt der FKK-Abschnitt. Da ist noch weniger los. Das ist mir ebenfalls nicht unrecht. Auf ein Sprintduell mit einem beißwütigen Nackedei hätte ich auch keine Lust.

Schließlich laufe ich in Wyk ein. Mein Orientierungssinn ist anscheinend doch besser, als ich dachte. Oder ich wurde kürzlich von Aliens entführt und mit einem neuen Orientierungssinn ausgestattet.

Um mein Glück nicht überzustrapazieren, laufe ich auf dem Radweg zurück gen Nieblum. Da kann ich mich an den Straßenausschilderungen orientieren. Das funktioniert auch ganz hervorragend. Erst nachdem ich Nieblum verlasse, nehme ich eine falsche Abzweigung, bei der ich irrtümlicherweise davon ausgehe, dass sie mich nach Goting zu unserem Ferienhaus führt. Ein Fehler, den ich schnell mit Hilfe von Google Maps korrigiere. Trotz eingeschaltetem Handy-Navi schaffe ich es, noch einmal in eine falsche Straße abzubiegen. So muss ich noch ein paar Extrameter absolvieren. Das ist der Orientierungssinn, den ich kenne.

Nach 16,5 Kilometern und rund 90 Minuten stehe ich schließlich wieder vor dem Ferienhaus. Etwas weiter und länger als eigentlich geplant. Dafür habe ich laut Laufuhr mehr als 1.100 Kalorien verbraucht. Damit hat der Lauf seinen Zweck erfüllt.

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An diesem Wochenende findet in Wyk der traditionelle Jahrmarkt statt. Ein gesellschaftlich-kultureller Höhepunkt nicht nur für die Insel, sondern auch für die Festländler, die extra mit der Fähre anreisen, um diesem Ereignis beizuwohnen.

Meine Frau, der Sohn, mein Neffe und mein Schwippschwager probieren diverses Fahrgeschäft aus. Von Break Dancer über Jumper und Auto-Scooter bis zur Familienachterbahn. Bei der fährt auch die Tochter mit.

Der ältere Bruder meiner Frau und ich beobachten das alles aus der beobachtenden Halbdistanz. Zu viel Adrenalin ist ja auch nicht gesund. Um doch ein wenig Thrill zu erleben, kaufen wir für 20 Euro Lose, gewinnen aber nichts. Vielleicht ist das besser so. Für einen mannsgroßen Stoffelefanten – dem Hauptgewinn der Losbude – müssten wir auf der Heimreise ein eigenes Zugticket kaufen. So spontan und ohne Bahncard wäre das ganz schön teuer.

16. Oktober 2022, Föhr

Heute ist der runde Geburtstag meiner Schwiegermutter. Sie möchte eigentlich gar nicht darüber reden. Das respektiere ich natürlich. Meine Frau ist 47 und da können Sie sich selbst denken, dass ihre Mutter nicht 60 und auch nicht 100 wird, sondern irgendetwas dazwischen. Ziemlich genau irgendetwas dazwischen, um exakt zu sein.

Happy Birthday!


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