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02.07.2021, Santa Teresa di Gallura
Die Sonne scheint, ich sitze auf dem Balkon, trinke einen Espresso, schaue aufs Meer und bin schlecht gelaunt. Das ist eigentlich inakzeptabel, denn die Sonne scheint, ich sitze auf dem Balkon, trinke Espresso und schaue auf das Meer. Außerdem habe ich Urlaub. Da gibt es keinen Grund für schlechte Laune. Ganz im Gegenteil. Im Urlaub sollst du gut gelaunt sein, dich am guten Wetter, dem leckeren Essen und der freien Zeit erfreuen. Andererseits erzeugt das fast schon einen Gute-Laune-Druck und Druck sollst du im Urlaub selbstverständlich auch keinen haben.
Wie dem auch sei, ich bin schlecht drauf, weil mein rechtes Ohr verstopft ist. Gestern hat mir eine Welle eine ordentliche Ladung Meerwasser plus Sand ins Ohr gespült. Wider besseres Wissen habe ich dann mit dem Finger in meinem Ohr rumgeprokelt und alles, was sich da so nebst Meerwasser und Sand befand, noch tiefer in den Gehörgang geschoben.
Jetzt dringen alle Geräusche nur ganz dumpf wie durch eine kleine Glaskuppel in mein rechtes Ohr und das macht mir schlechte Laune. Ich höre nämlich sehr gerne, was meine Mitmenschen zu mir sagen. Dann kann ich wenigstens selbst entscheiden, ob ich ihnen zuhöre oder nicht.
Nun gut, wenigstens scheint die Sonne, das Meer ist türkisblau und ich habe Espresso. Vielleicht zwitschern sogar irgendwo Vögel. Die höre ich aber nicht.
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Auf meiner morgendlichen Laufrunde komme ich an einem faszinierendem Haus vorbei, an das ich mich noch von unserem letzten Urlaub auf Sardinien erinnere. Es ist ein einstöckiges, flaches Haus im architektonischen Stil der 70er Jahre, das so diskret in den Hügel gebaut ist, dass es auf den ersten Blick gar nicht auffällt. Die Seite zum Meer ist komplett verglast und erlaubt einen freien Blick auf das blaue Wasser und die sardische Küste. Oder du setzt dich auf die Terrasse oder gleich in den Pool, der im Schatten eines großen Felsbrockens angelegt ist, und genießt von dort den grenzenlosen Ausblick. Das Anwesen sieht aus wie das Feriendomizil eines James-Bond-Bösewichts.
Nachteilig ist lediglich, dass das Haus in den Hügeln außerhalb von Santa Teresa liegt. Für die Einkäufe musst du dann immer auf den serpentinenartigen Straßen runter in den Ort zum Supermarkt fahren. Aber als Bond-Bösewicht gehst du natürlich nicht selbst einkaufen, sondern hast Bedienstete, die das für dich erledigen. Währenddessen arbeitest du an deinen Plänen zur Übernahme der Weltherrschaft.
Der Weg zum Strand ist von hier oben ebenfalls beschwerlich und eigentlich ein Minuspunkt bei der Bewertung der Immobilie. Allerdings besitzt ein Bond-Bösewicht natürlich einen Helikopter, mit dem er zur Rena Bianca fliegt, und der außerdem über ein paar wärmegesteuerte Raketengeschosse verfügt, um Platz zu schaffen, falls der Strand ein wenig überlaufen ist.
Alles in allem sind die Nachteile des Hauses also überschaubar. Jetzt muss ich nur noch Bond-Bösewicht werden und dann wird das meine Hütte. Oder Sie kaufen meine Bücher, finanzieren mir die Luxus-Immobilie und verhindern – was noch wichtiger ist –, dass ich die Weltherrschaft übernehme.
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Heute habe ich mir eine besondere Bäckerei-Herausforderung vorgenommen: Ich werde die ausgetretenen Pfade verlassen und fünf statt vier Brötchen kaufen. Das kostet mich Überwindung, denn dazu muss ich „cinque“ sagen und dabei habe ich, wie bereits erwähnt, Sorge, wie ein drittklassiger Italiener-Imitator zu klingen, so dass die Verkäuferin denken könnte, ich mache mich über sie lustig.
Aber nach vier Tagen Bäckerei-Konversation fühle ich mich bereit, mir etwas zuzutrauen, ein Wagnis einzugehen, das Abenteuer zu suchen, ein bisschen Nervenkitzel zu verspüren. Wenn nicht im jetzt, wann dann? Andere Menschen gehen im Urlaub Tiefsee tauchen, besteigen den Mount Everest oder durchqueren auf dem Motorrad die Sahara. Und ich werde heute „cinque” sagen!
Ich trete an die Brötchentheke und sage mit fester Stimme: „Buon giorno! Cinque panini, per favore.“
Die Verkäuferin schaut mich an, ihr Gesicht ist ein einziges Fragezeichen. Ich hebe meine linke Hand und strecke alle Finger aus, als wollte ich sie zu einem High Five auffordern.
Ihre Miene hellt sich auf und sie sagt: „Ah, cinque!“ Genau, habe ich ja gesagt. Vielleicht hört sie nicht mehr so gut, sie ist ja nicht mehr die Jüngste.
Morgen suche ich mir eine neue Challenge und bestelle acht Brötchen. Dann muss ich „otto“ sagen, was „acht“ heißt. Oder vielleicht eine italienische Verhöhnung ist. („Du blöder Otto, du!“) Mehr Nervenkitzel geht nicht!
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Der Strand von Santa Teresa ist nicht nur ein Ort von Spiel, Spaß und Entspannung, sondern auch eine marktwirtschaftliche Begegnungsstätte, wo Kleidung, Schmuck und Essen sowie Dienstleistungen angeboten werden.
Ein paar Meter entfernt von uns baut zum Beispiel eine braungebrannte junge Frau in kurzen Jeans und bauchfreiem Top eine Kleiderstange auf, an der bunt gemusterte Bikini-Oberteile hängen. Das wundert mich ein wenig, denn wer möchte schon am Strand unter Beobachtung von Dutzenden Menschen Bikinis anprobieren. (Die barbusige Sonnenbadende von gestern vielleicht, aber die legt ja gerade keinen Wert auf Bikinis.) Noch mehr wundert es mich, als die Verkäuferin einer interessierten Frau eines der Bikinioberteile um den Kopf bindet. Entweder handelt es sich um ein multifunktionales Textilstück – das Schweizer Taschenmesser unter der Strandbekleidung – oder ich bin nicht ganz auf dem aktuellen Stand, was die neuesten Schnitte von Kopftüchern und Stirnbändern angeht.
Etwas später läuft ein junger Mann mit einem schmalen Köfferchen über den Strand. Aus dem Koffer heraus verkauft er silberne Fußkettchen. Er spricht ausschließlich Frauen an und legt ihnen bei Interesse die Kettchen probeweise um die Fußgelenke. Ihre Männer kommen erst ins Spiel, wenn es ans Bezahlen geht. Frauen, die Schmuck bekommen, und Männer, die dafür bezahlen – eine Szenerie wie geschaffen für ein CDU-Wahlplakat. Der Schmuckverkäufer ist allerdings indischstämmig und damit nicht weiß genug für ein CDU-Plakat. Sorry!
Nachmittags läuft ein großer schwarzer Mann, der einen riesigen Berg von Tüchern und Decken auf dem Kopf balanciert, von Liegeplatz zu Liegeplatz Mit sanfter Stimme ruft er abwechselnd „Un buon prezzo, un buon prezzo“ und „A good price, a good price“. Sein Singsang in Verbindung mit dem Rauschen des Meeres im Hintergrund hat eine angenehm meditative Wirkung. Langsam dämmere ich weg. Ob sich der Mann wohl für zehn Euro eine halbe Stunde neben mein Handtuch setzt und mir „A good price, a good price“ ins Ohr säuseln würde?
Mein Favorit unter den Strandhändler:innen ist aber ein Mitte/Ende 20-jähriger Mann, der unter „granita fresca“-Rufen einen schweren Kühlwagen über den Strand schiebt. Für drei Euro die Portion verkauft er „granita fresca“, eine Art gestoßenes Eis, das durch Zugabe von Sirup, Farbstoffen und künstlichen Aromen den Geschmack von Obst suggeriert. Das Eis finde ich gar nicht so verlockend, aber an dem Kühlwagen ist eine kleine Clowns-Hupe angebracht, um auf das „granita fresca“-Angebot aufmerksam zu machen. Das finde ich großartig, denn es gibt ja wohl kein Geräusch, das lustiger ist als das Tröten einer Clowns-Hupe. (Selbst wenn du ein verstopftes Ohr hast und nicht richtig hörst!) Vielleicht lässt mich der Mann für drei Euro ja mal seine Hupe hupen.
Bei all dem Handel und Treiben sind wir dennoch zu sportlichen Höchstleistungen fähig: Der Sohn und ich verbessern den familieninternen Wasservolleyball-Rekord auf 114.
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Beim abendlichen Kniffeln geht es äußerst knapp zu. Die Tochter wird Vierte mit 241 Punkten, der Sohn mit 245 Punkten Dritter, meine Frau spielt eine 246er-Runde und ich gewinne knapp mit 249 Punkten. Egal, Hauptsache ich habe meine Gesamtführung auf den Sohn um vier Punkte ausgebaut. Es geht ja um Eis!
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
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