17.30 Uhr. Seit mittlerweile fünf Stunden steht unser Zug irgendwo zwischen Madrid und Zamora in der prallen Sonne. Eine circa 80-jährige Frau im angrenzenden Waggon hat Kreislaufprobleme, unter den Reisenden sind zwei Familien mit Säuglingen.
Wir wissen, dass ganz Spanien – und Portugal – keinen Strom haben, ansonsten sind wir von der Außenwelt abgeschnitten. Ohne Informationen, was genau passiert ist und was als nächstes geschehen wird. Ob, wann und wie wir hier wegkommen.
Trotz ausgefallener Klimaanlage, stickiger Luft und nicht mehr funktionsfähigen Toiletten ist die Stimmung entspannt. Geradezu gelöst. Niemand beschwert sich, niemand wird laut, niemand verwünscht Renfe, die spanische Bahn. Die Situation wird hingenommen, wie sie ist. Seneca, der alte Stoiker, wäre begeistert.
Ich möchte mir nicht ausmalen, was in Deutschland in so einer Lage los wäre. Hier scherzen die Menschen miteinander, verteilen Wasser aus dem Bordbistro, erkundigen sich gegenseitig nach dem Wohlbefinden.
So harmonisch wie es hier zugeht, flechten wir uns gleich Haarkränze aus Blumen, tanzen barfuß im Kreis und singen: „Kumbaya, my lord, kumbaya“.


Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)





