Eine kleine Wochenschau | KW25/26-2024

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


17. Juni 2024, Berlin

Meine Eltern haben Hochzeitstag. 60-jährigen. In Worten sechzigjährigen. Diamantene Hochzeit also.

Anlässlich dieses Jubiläums erhalten sie unter anderem ein Glückwunschschreiben der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin. Zwei Tage später erklärt Malu Dreyer ihren Rücktritt. Weil ihre Kraft und Energie nicht mehr für die Ausübung des Amtes ausreichen. Ich gehe aber nicht davon aus, dass ihr diese Erkenntnis kam, als sie den Brief an meine Eltern unterschrieb.

Titelbild mit einem handgemalten Werbeschild für französischen Honig, mit einer Biene mit roter Mütze.
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Eine kleine Wochenschau | KW25/26-2024 (Teil 2)

Teil 1


23. Juni 2024, Berlin

Die französische Staatsbahn denkt sich, was die Deutsche Bahn kann, können wir schon lange: Unser TGV in Straßburg hat 70 Minuten Verspätung. Dadurch erreichen wir den Anschluss in Mannheim nicht und können erst eine Stunde später weiterfahren. Somit schaffen wir es nicht rechtzeitig zur ersten Halbzeit des Deutschland-Spiels nach Hause. Dafür haben wir gute Chancen, über die Fahrgastrechte ein Viertel unseres Ticketpreises zurückzubekommen. Immerhin fast 80 Euro. Dazu müssen wir mindestens 60 Minuten später als geplant ankommen.

Allerdings erwischen wir in Mannheim einen vollkommen übermotivierten ICE-Fahrer, der auf der Strecke nach Berlin Minute um Minute Zeit gut macht. Wir erreichen den Hauptbahnhof mit 59 Minuten Verspätung. Adieu, 80 Euro. Die erste Halbzeit verpassen wir trotzdem.

24. Juni 2024, Berlin

Begleite meine Frau abends als „plus 1“ auf eine Preisverleihung. Die Konferenz der Europäischen Rabbiner zeichnet den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung mit dem Rabbiner Moshe Rosen-Preis aus. Das Publikum ist ziemlich männlich und ziemlich grau. (Sowohl die Haare als auch die Anzüge.)

Unter den Gästen ist Margot Friedländer, was mich mit tiefer Demut erfüllt. Aufgrund ihrer Lebensleistung und ihres unermüdlichen Kampfes für Toleranz und Menschlichkeit. („Schaut nicht auf das, was euch trennt. Schaut auf das, was euch verbindet. Seid Menschen, seid vernünftig.“) Aber auch weil ich kaum die Energie aufgebracht habe, hier zu erscheinen, während sie fröhlich und vital in den Saal spaziert. Mit 102! Allerdings hat sie auch einen Rollator. Mit dem macht sie die 54 Jahre Altersunterschied wett.

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Beim Tippspiel hat sich in den letzten Tagen kaum etwas getan, da wir alle fast keine Punkte gemacht haben. Lediglich bei Spaniens Sieg gegen Albanien lagen wir richtig, aber das war auch nicht allzu schwer vorherzusagen. Außer für C., der ein 1:1 getippt hatte. Da muss er sich dann auch nicht wundern, wenn er auf dem letzten Platz liegt.

25. Juni 2024, Berlin

Arbeite am Computer an einer Präsentation, als mein Telefon klingelt. Die Tochter ist gerade im Kino und bitte mich, ihr geschwind etwas Geld zu überweisen. Bei den Snacks und Getränken könne man ausschließlich mit Karte bezahlen, sie habe aber nur Bares dabei und nicht mehr genügend auf dem Konto. So 20, 25 Euro reichten, erklärt die Tochter, sie gäbe mir das später zurück. (Wahrscheinlich von dem Bargeld, das sie sich gestern von mir geliehen hat.)

Eine Minute später ruft der Sohn an. Ob ich mal kurz sein Girokonto checken könne. (Da er seit drei Jahren nicht dazu gekommen ist, die Zugangsdaten fürs Online-Banking zu besorgen, müssen meine Frau oder ich ihn regelmäßig über seine Liquidität informieren.) Falls dort nicht mehr so viel drauf sei, wäre es hilfreich, wenn ich ihm eine kleinere Summe überweisen würde, fährt er fort. Er wolle mit einem Freund Döner essen und anschließend zur Fanmeile gehen. Ohne Geld sei das alles etwas schwierig.

Nachdem ich meinen väterlich-buchhalterischen Pflichten nachgekommen bin, überlege ich nun meinen Vater anzurufen und ihn seinerseits um eine finanzielle Zuwendung zu bitten.

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EM-Abendspiel England gegen Slowenien. Zwei Stunden meines Lebens, die ich nicht wieder zurückbekomme.

Zum Glück sind Donnerstag und Freitag spielfrei. Da komme ich endlich mal wieder zeitig ins Bett. Gut, niemand zwingt mich, die 21-Uhr-Begegnungen bis zum Schluss zu schauen. Ich könnte auch jetzt schon früher Schlafen gehen. Aber machen wir uns nichts vor: Das wird nicht passieren.

26. Juni 2024, Berlin

Die Tochter und C. haben die Zusage für eine Wohnung in Kiel bekommen. Da hat es sich doch gelohnt, dass meine Frau und ich entgegen unseren Naturellen beim Ausfüllen der Eltern-Bürgschaft etwas dicker aufgetragen haben. Ich habe das erste Mal in meinem Leben die Berufsbezeichnung Geschäftsführer gewählt und meine Frau das erste Mal seit zehn Jahren in einem Formular ihren Doktor-Titel eingetragen. Außerdem hat sie beim Aufschreiben ihres Arbeitgebers bei dem Wort Bundesministerium etwas fester mit dem Stift aufgedrückt.

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Der heutige Tippspiel-Tag war für mich eine Katastrophe. In vier Begegnungen hole ich ganze zwei Punkte, der Sohn liegt dagegen bei Slowakei gegen Rumänien (1:1) und Türkei gegen Tschechien (2:1) richtig und übernimmt die Führung. Als Dritter habe ich drei Punkte Rückstand auf ihn.

C. erweist sich als guter Gast und ist leicht abgeschlagen Fünfter. Allerdings hat er auch bei zwei Spielen vergessen zu tippen. Was aber kaum ins Gewicht fällt, denn selbst wenn er die beiden Partien korrekt vorhergesagt hätte, läge er trotzdem auf dem letzten Platz. Sollte Deutschland ins Finale kommen, werde ich ihm Geld geben, damit er im Wettbüro auf den Gegner setzt.

27. Juni 2024, Berlin

Meine Frau hat eine neue Kollegin. Eine Bürosachbearbeiterin, die gerade ihre Ausbildung abgeschlossen hat. Sie ist 18. In Worten: achtzehn. Mit 49 gehört meine Frau zu den Älteren in ihrem Referat. Dass die Kolleginnen jünger als unsere Kinder sind, ist aber doch neu.

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Wie vorgenommen, nutzen wir den spielfreien Abend und gehen schon gegen 22 Uhr ins Bett. Allerdings kann ich nicht einschlafen und wälze mich bis halb zwei hin und her. Dafür wache ich um kurz vor fünf schon wieder auf. Anscheinend habe ich während der EM das Schlafen verlernt.

28. Juni 2024, Berlin

Der Sohn bringt seine Bücher in die Schulbibliothek zurück. Zumindest die, die er noch gefunden hat. Zwei sind verschollen, was ihn dennoch überrascht, da er mit mehr gerechnet hatte. Bis Montag muss er die fehlenden Bücher ersetzen. Ich bin gespannt, ob er auch positiv überrascht ist, wenn er erfährt, dass er sie von seinem Taschengeld bezahlen muss.

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Wieder spielfrei bei der EM. In den letzten zwei Tagen habe ich nur unwesentlich weniger Punkte bei unserem Tippspiel gemacht als in den drei Tagen zuvor.

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Auf Berliner Rundfunk läuft abends „Tausendmal berührt“ von Klaus Lage. Der Titelsong eines Schimanski-Tatorts in den 80ern. Ein merkwürdiges Gefühl der Nostalgie und Wehmut breitet sich in mir aus. Ich weiß nicht warum. Ich mag Klaus Lage gar nicht. (Also, seine Musik, zu ihm selbst habe ich keine Meinung.)

29: Juni 2024, Berlin

Achtelfinale. Deutschland gegen Dänemark. Das erste Mal, dass ich die deutsche gegen die dänische Mannschaft gesehen habe, war bei der WM 1986 in Mexiko. Die Dänen gewannen 2:O. Genauso wie 1992 im EM-Finale.

Kein gutes Omen. Ich tippe trotzdem auf ein 3:2 für Deutschland. Dass mein Tipp in Erfüllung geht, verhindern die beiden Torhüter, der Video-Schiedsrichter und die Zielungenauigkeit von Kai Havertz.

30. Juni 2024, Berlin

Vor unserem Haus hat jemand allerlei „Zum Verschenken“-Sachen ausgebreitet. Schuhe, Bücher, Küchenutensilien, Klamotten und vieles mehr.

P. aus der Studi-WG im vierten Stock schaut sich interessiert ein Bügelbrett an. Seine Freundin fragt, was er damit wolle, er hätte doch noch nie in seinem Leben gebügelt. P. erklärt, sie hätten aber inzwischen zwei Bügeleisen, da könne das durchaus mal praktisch sein. Obwohl die Freundin weiterhin nicht überzeugt ist, nimmt er das Bügelbrett mit. Damit hält er sich zumindest die Option des Bügelns offen.


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Familien-Gedöns der Woche (508)

Die DSGVO, so beliebt wie Zitronat, Orangeat, Rosenkohl und Kapern. Daher auch diese Woche der Hinweis: Durch die eingebetteten Posts der diversen Social-Media-Plattformen können deren Betreiber wahrscheinlich irgendetwas herausfinden, was Sie im Internet so machen. Und zwar weil ich die Posts nicht hinter leserinnenunfreundlichen opt-in-Verfahren versteckt habe. Wenn Sie das nicht möchten, ziehen Sie am besten schnell weiter. Allen anderen viel Spaß beim Lesen.

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Wie jeden Freitag, das beste Familien-Gedöns der Woche. Auch diesmal ist die Auswahl gekennzeichnet durch Intransparenz, Subjektivität und Inkompetenz.

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Eine kleine Wochenschau | KW24-2024

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


10. Juni 2024, Berlin

Noch zwei Tage bis zum mündlichen Abi. Der Sohn erzählt, er habe heute zwei Stunden am Stück gelernt. Mehr als in der ganzen letzten Woche zusammen. Ich denke, das wird am Mittwoch eine sehr interessante Prüfung.

Der Sohn macht fast auf den Tag genau drei Jahrzehnte nach mir Abitur. Das klingt sehr unschön. Drei Jahrzehnte. Aber es ist nicht zu leugnen. Vor allem, weil wir am Wochenende 30-jähriges-Abi-Treffen im Westerwald hatten. Ich konnte nicht hinfahren, aber in der WhatsApp-Gruppe wurden fleißig Bilder geteilt. Auf den Fotos waren allerdings nicht meine alten Klassenkamerad*innen, sondern irgendwelche alten Menschen. Merkwürdig.

Titelbild mit einem Straßenlaternen-Aufkleber, auf dem ein Hamster abgebildet ist und unter dem steht: Ghetto Herbert
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Eine kleine Wochenschau | KW24-2024 (Teil 2)

Teil 1


Zu seiner großen Zufriedenheit muss der Sohn nicht über Nacht bleiben, wie ursprünglich gedacht, sondern kann am späten Nachmittag nach Hause. Das ist ihm sehr recht, vor allem weil er einen Zimmernachbarn hat, der sehr laut schnarcht.

Dass der Mann viel schläft, ist aber auch besser, denn er hatte am Montag einen Arbeitsunfall, bei dem eine drei Tonnen schwere Betonplatte involviert war. Nach drei Operationen ist sein linker Arm mit einem Metallgestänge verschraubt, der rechte steckt in einer Schlaufe.

Als wir uns verabschieden, erkundigt er sich, ob einer von uns raucht. Wir verneinen. Dann fragt er sich, ob die Cafeteria vielleicht Zigaretten in ihrem Sortiment führt. Da wir uns in einem Krankenhaus befinden, bezweifle ich das.

Das würde ihm ohnehin nicht viel nützen, denn in seinem Zustand könnte er gar nicht dort hingehen. Und mit seinen verschraubten und verschlauften Armen wäre er auch nicht in der Lage, sich eine Kippe an die Lippen zu führen. Vielleicht hat er deswegen gehofft, dass wir Raucher sind und ihm ein wenig Zigarettenqualm direkt in den Mund pusten.

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Zuhause liest sich meine Frau mit Unterstützung von Google den Arztbrief durch. Das Handgelenk des Sohns wurde arthroskopiert, der Diskus geglättet und das Handgelenk gereinigt. Klingt weniger nach OP, sondern mehr nach Ölwechsel.

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Abends Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft. Wir bestellen Pizza, denn wenn du Menschen dabei zuschaust, wie sie über einen Fußballplatz rennen, musst du fettige, ungesunde Sachen essen, so will es das Gesetz.

Meine Frau ordert versehentlich zwei Margherita zu viel. Somit gelingt der EM-Auftakt für die deutsche Mannschaft sportlich und für uns kulinarisch. Die Waage im Bad ist möglicherweise anderer Meinung.

15. Juni 2024, Berlin

Habe mir nach Monaten endlich einen Termin zum Haareschneiden gemacht. Gleich zu Beginn verwirrt mich der Friseur. Zuerst siezt er mich, dann duzt er und schließlich geht er wieder zum „Sie“ über. Nun weiß ich nicht, wie ich ihn ansprechen soll und flüchte mich in komische Passivkonstruktionen. („Wird heute Abend Fußball geschaut?“) Was aber immer noch besser ist, als ihn in der dritten Person anzusprechen, wie ein König, der mit einem Untertanen redet. („Schauet er des heutigen Abends Fußball?“)

Während ich die Haare geschnitten bekomme, winkt ein arabischstämmiger Mann durch die offene Ladentür und unterhält sich kurz mit dem Friseur, der seines Zeichens Palästinenser ist. Die beiden begrüßen sich mit „Moinsen“ und „Tachchen“ und nach einem kurzen Austausch beenden sie das Gespräch mit „Alles Klärchen“ und „Tschüssikowski“. Mehr Integration geht nicht.

16. Juni 2024, Berlin

Meine Krankenkasse hat mir einen kostenlosen Zugang zu einer Sport-App geschickt. Diese bietet unter anderem verschiedene Programme mit Dehnübungen an. Was ich gut gebrauchen kann, da meine Beweglichkeit ein wenig zu wünschen übriglässt. Eine euphemistische Umschreibung dafür, dass ich über die Gelenkigkeit eines Stocks verfüge.

Zunächst scannt die App meinen Bewegungsapparat. Dazu muss ich mit erhobenen Armen eine tiefe Kniebeuge machen. Anschließend erscheint auf dem Handy eine Strichmännchen-Anmutung, wie ich die Übung ausgeführt habe.

Bisher war ich der Ansicht, meine motorischen Fähigkeiten durchaus realistisch einzuschätzen. Ich bin mir selbstverständlich bewusst, dass ich nicht über die Geschmeidigkeit und den Elan eines Balletttänzers verfüge, dachte aber, dass ich mich im Großen und Ganzen einigermaßen okay bewege.

Anscheinend eine spektakuläre Fehlwahrnehmung. Mein Strichmännchen-Alter-Ego zittert und wackelt, als hätte es sich fünf Bier reingeschädelt, 18-mal um die eigene Achse gedreht und dann mit verbundenen Augen versucht, tief in die Hocke zu gehen.

Die App bewertet meine Kniebeugen-Ausführung mit zwölf Prozent. Das liegt unterhalb des Durchschnitts. Für meinen zweiten Versuch bekomme ich 55 Prozent. Das ist wiederum oberhalb des Durchschnitts. Was aber kein Grund für übermäßigen Stolz sein sollte, sondern lediglich aussagt, dass sich die große Mehrheit der anderen Nutzer*innen wie Störche mit Gleichgewichtsstörungen bewegt.


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Familien-Gedöns der Woche (507)

Die DSGVO, so beliebt wie Zitronat, Orangeat, Rosenkohl und Kapern. Daher auch diese Woche der Hinweis: Durch die eingebetteten Posts der diversen Social-Media-Plattformen können deren Betreiber wahrscheinlich irgendetwas herausfinden, was Sie im Internet so machen. Und zwar weil ich die Posts nicht hinter leserinnenunfreundlichen opt-in-Verfahren versteckt habe. Wenn Sie das nicht möchten, ziehen Sie am besten schnell weiter. Allen anderen viel Spaß beim Lesen.

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Wie jeden Freitag, das beste Familien-Gedöns der Woche. Auch diesmal ist die Auswahl gekennzeichnet durch Intransparenz, Subjektivität und Inkompetenz.

Beitrag von @stefnhs
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Eine kleine Wochenschau | KW23-2024

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


03. Juni 2024, Berlin

Kundentermin. Zunächst gemeinsames Mittagessen, anschließend Strategie-Workshop. Eine jüngere Kollegin, nicht älter als Mitte 20, fragt in der Kaffeepause, ob sie Kekse und Kuchen besorgen solle.

Die Ü45-Männer im Raum werden blass. Da wir nicht mehr über den Stoffwechsel von Teenagern verfügen, müssen wir, um ein Stückchen Gebäck kalorisch zu verarbeiten, mindestens achteinhalb Stunden Ausdauersport treiben. Nur dann können wir hoffen, nicht mehr als anderthalb Kilo zuzunehmen. Aus Rücksicht auf uns wird auf Süßes verzichtet.

Titelbild mit einem Toastbrot auf dem mit Nutella zwei Augen und ein Strichmund gemalt wurden
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Eine kleine Wochenschau | KW23-2024 (Teil 2)

Teil 1


07. Juni 2024, Berlin

Heute ist Tag des Videorekorders. Das scheint mir etwas aus der Zeit gefallen zu sein. Warum nicht gleich Tag der Höhlenmalerei?

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10.30 Uhr, Interview mit einer Journalistin der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“. Anlässlich des Vatertags, der in Austria am Sonntag begangen wird. Die Dame hatte mich ursprünglich angeschrieben, weil sie einen Gesprächspartner zum Thema junge Väter suchte. Zu ihrer – und meiner Enttäuschung – musste ich ihr erklären, dass ich kein junger Vater bin, nicht einmal bei der Geburt meiner Kinder einer war und es nie sein werde. (Junger Großvater könnte noch klappen, aber das muss nicht sein.)

Stattdessen wollte sie dann mit mir als Experten für das erste Jahr mit Kind sprechen. Ich würde mich selbst nicht unbedingt als Fachmann auf diesem Gebiet bezeichnen. Gut, ich habe das zweimal mitgemacht, aber das liegt schon 17 und 20 Jahre zurück. Die Bücher, die ich dazu geschrieben habe, würde ich auch nicht als Fachliteratur einordnen. Eher als Comedy. Aber das reicht anscheinend als Nachweis meiner Expertise. (Sorry an alle studierten und promovierten Erziehungswissenschaftler*innen.)

Aufgrund des österreichischen Dialekts der Interviewerin verstehe ich bei ihren Fragen ungefähr so viel wie bei Unterhaltungen mit C.: Ungefähr 70 bis 80 Prozent. Beim Rest nicke und lächle ich.

Insgesamt verläuft das Gespräch sehr angenehm. Lediglich bei ein paar ganz wenigen Sätzen denke ich, während ich sie ausspreche: „Alter, was redest du da eigentlich für einen Unsinn?“ Wahrscheinlich nickt und lächelt die Journalistin währenddessen.

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In fünf Tagen hat der Sohn mündliche Prüfung. In Geschichte. Dann ist er mit dem Abi durch. Als ich in sein Zimmer komme, prügelt er sich gerade an der Playstation in einem Käfigkampf mit einem hünenhaften Gegner. Durch ein paar gezielte Fausthiebe ins Gesicht, begleitet von einigen Kniestößen in die Seite, streckt er ihn zu Boden.

So ganz im Lernmodus scheint er mir nach seiner Präsentationsprüfung letzte Woche noch nicht wieder angekommen zu sein. Zumindest erschließt sich mir der Zusammenhang zwischen einem MMA-Kampf und seinem Prüfungsthema „Demokratie im antiken Griechenland“ nicht vollumfänglich.

Aber es ist ja sein Abi. Dafür kann er lernen, wie er es für richtig hält. Da musst du als Vater loslassen. Oder es zumindest versuchen. Außerdem, wer bin, Mr. Spielt-statt-Mathe-zu-lernen-so-lange-Tetris-bis-Spielsteine-vor-seinen-geschlossenen-Augen-hinabrieseln, dass ich seine Prüfungsvorbereitung kritisiere?

08. Juni 2024, Berlin

Heute ist Was-willst-du-trinken-Tag. Das haben sich Bots schon vor über 40 Jahren so ähnlich gefragt.

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Der Bruder meiner Frau und J., sein dreizehnjähriger Sohn, sind zu Besuch. Heute Abend gehen sie zur Zitadelle Spandau auf ein Festival. Die US-amerikanische Punkrock-Band NOFX sind Headliner. Meine Frage, ob das sein erstes Konzert sei, verneint J. Er war schon mal bei „Deine Freunde“.

09. Juni 2024, Berlin

Wahlsonntag. Unser Wahllokal befindet sich in einer Kita. Vor ein paar Jahren haben wir noch in einem Gymnasium unsere Stimme abgegeben, zuletzt in einer Grundschule. Wenn das so weiter geht, wählen wir demnächst auf einer Neugeborenen-Station.

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Meine LinkedIn-Jobvorschläge für diesee Woche:

  • Warenverräumung bei Rewe, Lidl und Penny
  • Flexible Aushilfe bei Tommy Hilfiger und Nike
  • Gastronomie-Mitarbeiter bei IKEA
  • Entrepreneur in Residence bei soonami.io (Ich weiß weder, was ein „Entrepreneur in Residence“ ist, noch was soonami.io macht.)
  • CEO im Ehrenamt bei der Bundesverbraucherhilfe e. V. (Dann doch lieber Warenverräumung oder flexible Aushilfe.)

Außerdem empfiehlt mir LinkedIn Robert Habeck als Kontakt. Keine schlechte Idee. Ich sollte ihm mal schreiben. Vielleicht bekommt er auch diese Jobvorschläge. Dann könnten wir gemeinsam bei Lidl Regale einräumen. Oder bei IKEA Köttbullar braten. Aber als Minister in Residence ist Robi wahrscheinlich schon ausgelastet.


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Familien-Gedöns der Woche (506)

Die DSGVO, so beliebt wie Zitronat, Orangeat, Rosenkohl und Kapern. Daher auch diese Woche der Hinweis: Durch die eingebetteten Posts der diversen Social-Media-Plattformen können deren Betreiber wahrscheinlich irgendetwas herausfinden, was Sie im Internet so machen. Und zwar weil ich die Posts nicht hinter leserinnenunfreundlichen opt-in-Verfahren versteckt habe. Wenn Sie das nicht möchten, ziehen Sie am besten schnell weiter. Allen anderen viel Spaß beim Lesen.

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Wie jeden Freitag, das beste Familien-Gedöns der Woche. Auch diesmal ist die Auswahl gekennzeichnet durch Intransparenz, Subjektivität und Inkompetenz.

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Eine kleine Wochenschau | KW22-2024 (Teil 2)

Teil 1


Der Sohn und sein Freund liegen in den letzten Zügen der Vorbereitung ihrer morgigen Abi-Präsentationsprüfung. Das Thema: „Ritalin-Fluch oder Segen?“ Ob das ADHS-Medikament beim Lernen helfen kann, und was die biologischen, aber auch ethischen Probleme sind.

Die beiden hatten der Lehrerin vorgeschlagen, im Selbstversuch Ritalin zu nehmen, um aus erster Hand über die Wirkungen berichten zu können. Die meinte, das sei eine originelle Idee, für einen Abi-Vortrag aber nicht ganz angemessen. Was die freundliche Umschreibung ist für „Ihr habt wohl nicht alle Latten am Zaun.“.

Ich gehe mit den beiden ihre PowerPoint-Präsentation durch. Wir optimieren das Layout ein wenig, justieren Grafiken und feilen an Formulierungen. Zum Schluss hören wir im Internet nach, wie „Cochrane Developmental, Psychosocial & Learning Problems Group” korrekt ausgesprochen wird. Ein fürchterlicher Zungenbrecher in einem Vortrag. Genauso wie die Worte Phenylethylamine, Monoaminoxidasen, vesikulärer Monoamintransporter und Methylphenidat. Ich bin sehr froh, dass ich die Präsentation nicht halten muss.

Anschließend machen sich die Jungs erstmal einen Latte Macchiato – getreu dem Motto „First things first“ – dann schreiben sie ihre Vortragskarten, recherchieren noch ein paar Sachen nach, essen zwischendurch eine Kleinigkeit, arbeiten weiter an den Karten und sind um 23 Uhr schließlich so weit, einen Probedurchlauf vor meiner Frau und mir durchzuführen. Der läuft schon recht gut, mit leichten Abstrichen beim Fazit, das sie noch ein wenig freestylen, weil sie es sich gerade erst ausgedacht haben.

Danach nehmen die beiden kleinere Verbesserungen an den Folien vor, trinken ein paar weitere Latte, passen ihre Vortragsnotizen an, tragen sich ihre Teile noch ein paar Mal gegenseitig vor, bis sie schließlich gegen 2 Uhr ins Bett gehen. Wie so richtige Studenten vor einem Referat.

31. Mai 2024, Berlin

Tag der Präsentationsprüfungsentscheidung. Der Sohn und der Freund sind nun doch ein wenig aufgeregt. Vor allem als ihnen einfällt, dass sie noch keine Quellenübersicht vorbereitet haben. Hektisch kopieren sie Internetlinks zusammen und verteilen diese auf zwei Folien. Ich bin beeindruckt vom Umfang der von ihnen bearbeiteten Literatur. Allerdings nur so lange, bis die beiden freimütig erzählen, sie hätten sich das gar nicht alles angeschaut, aber das sähe gut aus, wenn da so viel stünde.

Ob das gut geht? Eigentlich sollte ihr Freund J. ihnen eine Warnung sein. Der hatte in seinem Quellenverzeichnis einen 300-Seiten-Schmöker aufgeführt, den er nur zur Hälfte kursorisch gelesen hatte. Im Gegensatz zu seinem Lehrer, der sich das Buch aus Interesse zulegte, durcharbeitete und J. im Prüfungsgespräch mit einigen spezifischen Detailfragen überraschte.

Der Sohn und der Freund bleiben von so etwas verschont. Sie tragen flüssig vor, gehen souverän mit kleinen Verhasplern um und das Fazit funktionierte auch einwandfrei. Sie argumentieren, dass die Frage, ob Ritalin Fluch oder Segen am eigentlichen Problem vorbeigehe, denn viel wichtiger wäre, sich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zu beschäftigen, die dazu führen, dass junge Menschen sich überhaupt gehirndopen wollen. Wie so richtige Wissenschaftler. Wenn du etwas nicht beantworten kannst, stellst du einfach eine neue Frage.

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Abends kommen ein paar Freunde des Sohns zu uns. Um ihre Prüfungen zu feiern und für eine spätere Party vorzuglühen. Wir haben Chili con carne gekocht und die Jungs dürfen Gin Tonic trinken. Von dem guten, was sie leicht überfordert.

N., einer der Freunde, erzählt von einer unangenehmen Begegnung mit seinem Deutschlehrer. Der hatte sich eine neue Brille zugelegt, durch die er nun große Ähnlichkeiten mit dem Serienmörder Jeffrey Dahmer aufweist. Was nicht weiter problematisch wäre, hätte er nicht gefragt, was N. von der Brille halte. Der redete sich ausweichen mit einem „Das ist mal etwas anderes.“ heraus. An Stelle des Lehrers hätte ich nach so einer Antwort die Brille unverzüglich weggeworfen.

01. Juni 2024, Berlin

Heute sind sowohl Internationaler Kindertag als auch Weltelterntag. Was die Frage, aufwirft, wer besoffen mit dem Bollerwagen durch die Lande ziehen darf.

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Komme in die Küche, als C. gerade einen leeren Milchkarton kleinstmöglich zusammenfaltet und in den Eimer mit dem Plastikmüll wirft. Wieder verspüre ich ein eigenartiges Gefühl der Befriedigung. Weil der Freund meiner Tochter Müll platzsparend entsorgt? Warum ist mir das wichtig? Wohnt in mir nicht nur ein 50-er-Jahre-Patriarch, sondern auch eine schwäbische Hausfrau?

02. Juni 2024, Berlin

Erneuter Polizeieinsatz vor unserem Haus. Über Lautsprecher fordert ein Streifenwagen einen Rollerfahrer knackend und krächzend auf, anzuhalten. Irgendetwas stimmt mit dem Nummernschild nicht. Die Angelegenheit wird diesmal ohne gezückte Waffen und Handschellen geklärt und der Mann darf weiterfahren. Somit ist meine Serienidee „Law and Order Moabit“ hinfällig. Schade