Eine kleine Wochenschau | KW09-2022

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


28. Februar 2022, Berlin

Heute ist Schlaf-in-der-Öffentlichkeit-Tag. Ein Tag, der meines Erachtens viel zu wenig beachtet wird. Schließlich ist Schlafen gesund. Und wenn du schläfst, kannst du keine Nachrichten lesen und das ist auch gesund.

Orte, an denen ich den Schlaf-in-der-Öffentlichkeit-Tag in der Vergangenheit begangen habe (unabhängig vom 28. Februar):

  • im Flugzeug, in der Bahn, im Taxi, im Reisebus, aber nicht auf dem Fahrrad
  • an den Stränden in Esquibien, auf Föhr und in Santa Teresa (Strandschlaf ist einfach phantastisch. Zumindest sofern du nicht ohne Sonnenschutz einnickst und dann nach ein paar Stunden wie ein hummerartiges Wesen wieder aufwachst.)
  • im Schlosspark Charlottenburg (Als die Kinder noch klein waren und du dir jede Minute Schlaf holen musstest, wo du sie bekommen konntest.)
  • während einer Zauberflöte-Aufführung an der Komischen Oper (Schöne Aufführung eigentlich, aber es war an einem Samstagabend, nachdem wir tagsüber ein 18.000-teiliges Hochbett aufgebaut hatten.)
  • im Studium regelmäßig am Dienstagnachmittag während der Skalierungsvorlesung (Diese fand ungünstigerweise direkt nach der Mittagspause statt und Dienstags war in der Mensa immer Schnitzel-Tag, so dass sich mein Geist anschließend nicht mit höherer Statistik beschäftigen konnte, weil der Körper ermüdende Verdauungsprozesse verrichten musste.)
  • in der Oberstufe regelmäßig am Donnerstag in der vierten Stunde im Englischunterricht (Dieser fand ungünstigerweise direkt nach einer Freistunde statt, in der wir uns immer beim Bäcker mit Teilchen versorgten, so dass sich mein Geist anschließend nicht mit englischer Grammatik oder Literatur beschäftigen konnte, weil der Körper ermüdende Verdauungsprozesse verrichten musste. Außerdem vermute ich bis heute, dass während der Englischstunde durch die Belüftungsanlage Valium versprüht wurde, so dass es unmöglich war, wach zu bleiben.)

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Kontrolliere nachmittags unseren Kontostand. Unerfreulicherweise sind wir deutlich in den Miesen. Das ist bei uns am Monatsende eher unüblich, denn da bekommt meine Frau ihr Gehalt. Meine Vermutung, ihr Geld sei noch nicht eingegangen, bestätigt sich leider nicht. Das macht das Minus vor unserem Kontostand umso unerfreulicher.

Nach einer kurzen Recherche stelle ich fest, dass ich vor ein paar Tagen die Miete der Tochter versehentlich in Euro statt in Kronen überwiesen habe. Aber trotzdem mit dem Kronenbetrag. Also 4.700 Euro. Anscheinend hatte ich da Schlaf-beim-Geld-Überweisen-Tag.

01. März 2022, Berlin

Der Sohn erzählt von einem Videoprojekt, das er für die Schule machen muss. Irgendein Wettbewerb zum Thema Ökonomie und Soziale Marktwirtschaft. Mehr wisse er nicht. Wahrscheinlich stellt es für ihn einen zu hohen Energieaufwand dar, in den Tiefen seines Großhirns nach Informationen über einen Wettbewerb zu suchen, der in der Lebenswirklichkeit eines 15-jährigen eine kaum zu unterbietende Bedeutungslosigkeit hat. Möglicherweise weiß er es aber wirklich nicht, weil sein Limbisches System, das im Gehirn so eine Art Gatekeeper-Funktion innehat, die Informationen als irrelevant eingestuft und direkt aussortiert hat, so dass sie nie im Großhirn ankamen. (Wie bei mir Namen von Menschen, die mir neu vorgestellt werden.)

Wir mussten damals in der zehnten Klasse auch bei einem Wirtschafts-Wettbewerb mitmachen: dem Planspiel Börse. (Die Älteren, die im Westen sozialisiert wurden, erinnern sich vielleicht.) Da bekamst du eine fiktive Geldsumme, mit der du an der Börse spekulieren musstest und wer am Ende den meisten Gewinn gemacht hatte, hatte gewonnen.

Ich war mit meinen Freunden Patrick, Thomas und Andreas in einer Gruppe und wir hatten keine rechte Lust auf den Wettbewerb. (Nicht aus Protest gegen das kapitalistische Ausbeutungssystem oder weil wir Geld nicht zu schätzen gewusst hätten, sondern weil wir faul waren. Und weil es fiktives Geld war.) Daher steckten wir – gegen den Rat des bedauernswerten Sparkassen-Mitarbeiters – unser gesamtes Spielgeld in Brauerei-Aktien und kümmerten uns dann nicht weiter darum.

Eigentlich ein krisensicheres Investment, denn gesoffen wird schließlich immer. Aber so krisensicher anscheinend doch nicht, denn zu einem vorderen Platz reichte unsere Anlagestrategie dann doch nicht. Das Gute daran: Wir mussten wenigstens nicht auf eine Exkursion zur Frankfurter Börse fahren.

02. März 2022, Berlin

Heute ist Aschermittwoch und damit beginnt die Fastenzeit. Da ich nicht Karneval gefeiert und dieses Jahr bereits gesaftfastet habe, halte ich es nicht für nötig, mich in den nächsten sechs Wochen in Verzicht zu üben.

Der leider bereits verstorbene Blogger Johannes Korten hatte immer zum Empörungsfasten aufgerufen. Sich nicht über jede Kleinigkeit aufregen, nicht jede Sau durchs Social-Media-Dorf treiben, nicht über jedes Stöckchen springen, das einem im Internet hingehalten wird und das doch nur auf Click-Baiting abzielt.

Ich finde das gut. Sich weniger zu empören. Allerdings empöre ich mich ohnehin nicht übermäßig viel. Andere Menschen missinterpretieren das manchmal als Toleranz und Gelassenheit und bewundern das gar an mir. Ich befürchte allerdings, dass meine Empörungslosigkeit eher aus einer Mischung aus Apathie, Phlegma und privilegierter Trägheit resultiert. Vielleicht sollte ich mir daher lieber kein Empörungsfasten, sondern ein Nicht-Empörungsfasten auferlegen. Mich mehr aufregen, mehr echauffieren, mehr ärgern. Aber in Zeiten von Pandemie, Krieg und Klimakatastrophe ist das auch nicht gerade gesundheitsfördernd. Da kommst du aus dem Schimpfen, dem Anprangern und dem Zürnen gar nicht mehr raus. Dann doch lieber Süßigkeiten fasten.

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Am MOA Bogen, einer Mischung aus Einkaufszentrum und Bürokomplex bei uns in der Nähe, fällt mir über dem Eingang ein riesiger Schriftzug auf: MEET STAY WORK EAT. Ich bin mir nicht sicher, ob es sich dabei um ein Angebot, eine Aufforderung oder einen Befehl handelt. (Ruf! Mich! An!) Wie dem auch sei, mir erscheint von diesen vier imperativ daherkommenden Verben lediglich EAT eine attraktive Handlungsoption zu sein.

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