Eine kleine Wochenschau | KW17-2024

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


22. April 2024, Köln

Beobachtungen beim Stadtspaziergang durch Köln:

  • Das „Atelier de Vries“ bietet Haustier-Portraits an. Weird, aber immer noch besser, als Bello, Miezi oder Pieps ausstopfen zu lassen und sich ins Wohnzimmer zu stellen.
  • Verein „Dritte Lebensphase“. Wer ist die Zielgruppe? Gehöre ich schon dazu? (Phase 1: Schule, Phase 2: Studium, Phase 3: Job) Oder bin ich schon in der vierten Phase, weil ich vor der Schule im Kindergarten war?
  • Unklares Speisenangebot im Restaurant „Katzen-Tempel“. Gibt es dort Essen für Katzen oder Katzen als Essen?
  • Wort-Bild-Schere bei „Sushi de Lux“. Der Laden sieht maximal unluxuriös aus. Passenderer Name wäre „Sushi de Trash“.
  • Wort-Wort-Schere beim Brettspiel-Café „Bingo Club“, denn Bingo ist kein Brettspiel. Nerdquote im Café: 137 Prozent. (Konservative Schätzung)
  • Toilette mit der Aufschrift „Holy Shit“. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Scheiß.
Titelbild mit einem großen Döner

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Abends Treffen mit A. in der Zülpicher Straße. Studierendenviertel. Wenn wir Glück haben, halten uns die jungen Menschen für Professoren oder Dozenten, wenn wir Pech haben für Langzeitstudenten, denen nur noch fünf Scheine fehlen, damit sie ihr Philosophie-Vordiplom machen können.

Dass ich definitiv kein Student bin, merke ich, weil ich bei der Hälfte der Kneipen denke: „Die sieht aber ranzig aus.“

Landen schließlich in Gilbert’s Pinte. Laut Website-Beschreibung die älteste Studentenkneipe im Kwartier Latäng. Das Publikum sieht nicht nach Studis, sondern nach Langzeit-Stammkundschaft aus. Vielleicht hocken die schon seit den 60ern.

Nach dem vierten Kölsch bedaure ich, keine Stammkneipe zu haben. Wo du reinkommst und dich heimisch fühlst. Wo der Wirt oder die Wirtin dir dein Getränk hinstellt, ohne dass du etwas sagen musst. Wo du an der Theke mit Menschen sprichst, mit denen du dich sonst nie unterhalten würdest. Ein alberner Gedanke. Ich würde nie mit fremden Menschen reden. Zumindest braucht es dazu mehr als vier Kölsch.

Höre auf dem Heimweg „Die Durchnummerierten im Irish“ von Fortuna Ehrenfeld. „Was für die einen ‘nen Traum mit vier Wänden, ist für die andern ‘nen dunkles Verließ, was für die einen nach Pappe und Spiritus riecht, ist für andere ‘nen Stück Paradies.“

23. April 2024, Köln/Berlin

Auf dem Bahnsteig am Kölner Hauptbahnhof. Ein junger Mann isst Lakritzschnecken. Rollt sie auf und zuzzelt sie sich genüsslich in den Mund. Ich persönlich finde Lakritz widerlich. Sowohl Konsistenz als auch Geschmack. E-k-e-l- h-a-f. t. Aber dafür kann der Typ ja nichts.

Im Zug. Die Zugbegleiterin spricht bei den englischen Durchsagen das deutscheste TH, das du dir vorstellen kannst, gleichzeitig rollt sie das r amerikanischer als jeder Amerikaner.

Ein Mann schräg vor mir telefoniert sehr laut. Mein innerer Boomer schaut sich um, ob wir im Ruheabteil sitzen, um sich zu empören. (Er würde aber natürlich nichts sagen. Das wäre ja spießig.) Es ist aber ein normales Abteil. Somit ist das Telefonieren vollkommen in Ordnung. Mein innerer Boomer empört sich trotzdem.

Über den Gang sitzt eine junge Frau mit einem Tattoo neben ihrem Knöchel. Ein Martini-Glas mit Olive. Wie gerne musst du Martini trinken, dass du dir das tätowieren lässt? Vielleicht lasse ich mir ein Stück Käsekuchen aufs Handgelenk stechen.

24. April 2024, Berlin

Vor „Gianni“ steht ein Mann und isst Eis. Ein 1,90-Hüne in blauer Arbeitskleidung und schweren Schuhen. Er löffelt aus einem Becherchen, das in seinen Pranken grotesk winzig aussieht. Himbeere und Vanille. Irgendwie rührt mich das. Verspüre den Drang, ihn in den Arm zu nehmen, aber ich glaube, das wäre ihm nicht recht. Und mir auch nicht.

25. April 2024, Berlin

Laufeinheit im TSV-GutsMuths-Stadion. Eine junge Frau in langen Lauftights, Joggingschuhen und Laufjacke dreht auf der Außenbahn ihre Runden. So weit, so normal. Sie läuft nicht, sondern geht. Auch das kommt gelegentlich vor. (Wenn auch eher bei älteren Sportler*innen.) Ungewöhnlich ist allerdings, dass die Frau einen Kinderwagen vor sich herschiebt. Einen Zwillingswagen. Nach circa 20 Minuten verlässt sie das Stadion und zieht weiter.

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Abiklausur Nummer 2 für den Sohn. Deutsch. Eine literarische Erörterung zu Woyzeck. 0b Woyzeck Subjekt oder Objekt ist. Oder so ähnlich.

Woyzeck musste ich in der Schule auch lesen. In der Mittelstufe. Ich kann mich aber nicht ein μ an die Handlung erinnern. Obwohl wir es zusätzlich als Theaterstück angeschaut haben, habe ich nicht den Hauch einer Ahnung, um was es in dem Buch geht. Anscheinend bin ich weder ein lesender noch ein sehender Lerntyp.

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Zur Feier des Tages will der Sohn mit uns Döner essen. Bei „Rüya Gemüse Kebap“ in der Otto-Suhr-Allee. Dort gäbe es den besten Döner in ganz Berlin.

Da das Ergebnis seiner Deutschklausur noch nicht feststeht, gibt es eigentlich noch gar nichts zu feiern. Das soll uns aber nicht davon abhalten, Döner zu essen. Vor allem, wenn es der Beste in ganz Berlin sein soll.

Der Döner ist wirklich sehr lecker. Vor allem die scharfe Soße ist fantastisch. Aber bei Döner ist und bleibt das große Problem: Du kannst ihn nicht würdevoll essen, sondern siehst immer aus wie jemand, der das erste Mal in seinem Leben isst und dem die Hälfte aus dem Mund fällt. Bei jedem einzelnen Bissen.

26. April 2024, Berlin

Die Tochter macht mit einer Freundin einen Kurztrip nach Belfast. Bei Belfast denke ich als erstes an IRA, Bombenanschläge und patrouillierende Soldaten. Das kommt davon, wenn du in den 80ern/90ern musikalisch mit Liedern wie „Sunday, bloody Sunday“, „Belfast Child“ und „Zombie“ sozialisiert worden bist.

Unter anderem besucht die Tochter das Titanic-Museum. Die Titanic wurde zwischen 1909 und 1912 in Belfast gebaut. Auf dem Gelände der Werft Harland & Wolff steht heute das Museum. Der Eintritt liegt bei happigen 22 Euro. Und das ist schon der ermäßigte Studierenden-Preis.

Interessante Entscheidung des Belfaster Stadtmarketings, wenn die Stadt in erster Linie mit Bürgerkrieg assoziiert wird, ein Museum zu bauen, das dem bekanntesten Schiffunglück aller Zeiten gewidmet ist.

27. April 2024, Berlin

Letzter langer Lauf vor dem Cuxhaven-Marathon nächste Woche. Auf dem Weg zum Grunewald sehe ich in der Leibnizstraße über einem Laden ein Schild. „Sing-le.“ Aus der Ferne kann nicht erkennen, ob es ein asiatisches Restaurant ist oder ein Treffpunkt für Alleinstehende auf der Suche nach Partner*innen. Vielleicht ist es beides. Ein asiatisches Date-Lokal.

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Meine Frau erklärt dem Sohn sehr ausführlich, sehr langsam und in sehr einfachen Worten, welche Aufgaben er heute erledigen soll: Schmutzwäsche ins Bad bringen, das schmutzige Geschirr aus seinem Zimmer in Spülmaschine bringen, den Bio-, Papier- und Plastikmüll entsorgen.

Der Sohn ist genervt. Sie müsse mit ihm nicht sprechen, als sei er geistig beeinträchtigt, er sei schließlich kein Kind mehr. So wie sein Zimmer aussieht, bin ich mir da nicht so sicher wie er.

28. April 2024, Berlin

Im Bad steht seit ein paar Tagen eine neue Dose mit Körperlotion. „Brazilian Bum Bum Cream.“

Ich weiß nicht warum, aber mir fällt als erstes dazu ein, dass Pelé mal Werbung für Viagra gemacht hat. Um auf das Tabu-Thema erektile Dysfunktion aufmerksam zu machen. Dabei betonte er übertrieben oft, dass er selbst davon aber nicht betroffen sei. Das machte ihn in meinen Augen zu einem nur mäßig glaubwürdigen Testimonial.

Besser wäre doch folgendes Statement gewesen: „Ich habe Erektionsprobleme und trotzdem sieben Kinder. Danke, Viagra.“


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2 Kommentare zu “Eine kleine Wochenschau | KW17-2024

  1. Ganz vielleicht hat mein Gehirn sich in einem Lachkrampf gewunden, als ich das Wort „austopfen“ las und dachte… „Müsste das nicht „eintopfen“ heißen? Und wieso ist es weirder ein Portrait anfertigen zu lassen, als sein Haustier einzutopfen und sich das ins Wohnzimmer zu stellen.“

    Glücklicherweise fehlt hier aber nur ein s und niemand muss seine Haustiere in Blumenpötten beisetzen. Wobei das bis zu einer gewissen Größe sicherlich möglich wäre… Aber das führt jetzt zu weit!

    Vielen Dank für die humorigen Wochenberichte 🙂

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