07. Juni 2024, Berlin
Heute ist Tag des Videorekorders. Das scheint mir etwas aus der Zeit gefallen zu sein. Warum nicht gleich Tag der Höhlenmalerei?
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10.30 Uhr, Interview mit einer Journalistin der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“. Anlässlich des Vatertags, der in Austria am Sonntag begangen wird. Die Dame hatte mich ursprünglich angeschrieben, weil sie einen Gesprächspartner zum Thema junge Väter suchte. Zu ihrer – und meiner Enttäuschung – musste ich ihr erklären, dass ich kein junger Vater bin, nicht einmal bei der Geburt meiner Kinder einer war und es nie sein werde. (Junger Großvater könnte noch klappen, aber das muss nicht sein.)
Stattdessen wollte sie dann mit mir als Experten für das erste Jahr mit Kind sprechen. Ich würde mich selbst nicht unbedingt als Fachmann auf diesem Gebiet bezeichnen. Gut, ich habe das zweimal mitgemacht, aber das liegt schon 17 und 20 Jahre zurück. Die Bücher, die ich dazu geschrieben habe, würde ich auch nicht als Fachliteratur einordnen. Eher als Comedy. Aber das reicht anscheinend als Nachweis meiner Expertise. (Sorry an alle studierten und promovierten Erziehungswissenschaftler*innen.)
Aufgrund des österreichischen Dialekts der Interviewerin verstehe ich bei ihren Fragen ungefähr so viel wie bei Unterhaltungen mit C.: Ungefähr 70 bis 80 Prozent. Beim Rest nicke und lächle ich.
Insgesamt verläuft das Gespräch sehr angenehm. Lediglich bei ein paar ganz wenigen Sätzen denke ich, während ich sie ausspreche: „Alter, was redest du da eigentlich für einen Unsinn?“ Wahrscheinlich nickt und lächelt die Journalistin währenddessen.
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In fünf Tagen hat der Sohn mündliche Prüfung. In Geschichte. Dann ist er mit dem Abi durch. Als ich in sein Zimmer komme, prügelt er sich gerade an der Playstation in einem Käfigkampf mit einem hünenhaften Gegner. Durch ein paar gezielte Fausthiebe ins Gesicht, begleitet von einigen Kniestößen in die Seite, streckt er ihn zu Boden.
So ganz im Lernmodus scheint er mir nach seiner Präsentationsprüfung letzte Woche noch nicht wieder angekommen zu sein. Zumindest erschließt sich mir der Zusammenhang zwischen einem MMA-Kampf und seinem Prüfungsthema „Demokratie im antiken Griechenland“ nicht vollumfänglich.
Aber es ist ja sein Abi. Dafür kann er lernen, wie er es für richtig hält. Da musst du als Vater loslassen. Oder es zumindest versuchen. Außerdem, wer bin, Mr. Spielt-statt-Mathe-zu-lernen-so-lange-Tetris-bis-Spielsteine-vor-seinen-geschlossenen-Augen-hinabrieseln, dass ich seine Prüfungsvorbereitung kritisiere?
08. Juni 2024, Berlin
Heute ist Was-willst-du-trinken-Tag. Das haben sich Bots schon vor über 40 Jahren so ähnlich gefragt.
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Der Bruder meiner Frau und J., sein dreizehnjähriger Sohn, sind zu Besuch. Heute Abend gehen sie zur Zitadelle Spandau auf ein Festival. Die US-amerikanische Punkrock-Band NOFX sind Headliner. Meine Frage, ob das sein erstes Konzert sei, verneint J. Er war schon mal bei „Deine Freunde“.
09. Juni 2024, Berlin
Wahlsonntag. Unser Wahllokal befindet sich in einer Kita. Vor ein paar Jahren haben wir noch in einem Gymnasium unsere Stimme abgegeben, zuletzt in einer Grundschule. Wenn das so weiter geht, wählen wir demnächst auf einer Neugeborenen-Station.
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Meine LinkedIn-Jobvorschläge für diesee Woche:
- Warenverräumung bei Rewe, Lidl und Penny
- Flexible Aushilfe bei Tommy Hilfiger und Nike
- Gastronomie-Mitarbeiter bei IKEA
- Entrepreneur in Residence bei soonami.io (Ich weiß weder, was ein „Entrepreneur in Residence“ ist, noch was soonami.io macht.)
- CEO im Ehrenamt bei der Bundesverbraucherhilfe e. V. (Dann doch lieber Warenverräumung oder flexible Aushilfe.)
Außerdem empfiehlt mir LinkedIn Robert Habeck als Kontakt. Keine schlechte Idee. Ich sollte ihm mal schreiben. Vielleicht bekommt er auch diese Jobvorschläge. Dann könnten wir gemeinsam bei Lidl Regale einräumen. Oder bei IKEA Köttbullar braten. Aber als Minister in Residence ist Robi wahrscheinlich schon ausgelastet.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Als studierte Erziehungswissenschaftlerin kann ich voller Inbrunst behaupten, dass 10 Semester und eine Diplomarbeit mich in absolut keinster Weise zur Expertin für das erste Jahr mit Kind gemacht haben. Für alle folgenden Jahre im übrigen auch nicht.🤦🏽 Meine Tochter wird das bestimmt gerne bestätigen😉