Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
03. Juni 2024, Berlin
Kundentermin. Zunächst gemeinsames Mittagessen, anschließend Strategie-Workshop. Eine jüngere Kollegin, nicht älter als Mitte 20, fragt in der Kaffeepause, ob sie Kekse und Kuchen besorgen solle.
Die Ü45-Männer im Raum werden blass. Da wir nicht mehr über den Stoffwechsel von Teenagern verfügen, müssen wir, um ein Stückchen Gebäck kalorisch zu verarbeiten, mindestens achteinhalb Stunden Ausdauersport treiben. Nur dann können wir hoffen, nicht mehr als anderthalb Kilo zuzunehmen. Aus Rücksicht auf uns wird auf Süßes verzichtet.
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C., der irische Freund der Tochter, ist inzwischen seit zwei Wochen bei uns. Alles in allem verstehen wir sein irisches Englisch ganz gut. Also, so ungefähr 70 bis 80 Prozent. Den Rest reime ich mir zusammen. Manchmal bekomme ich nur 20 bis 30 Prozent zusammen. Ich nicke und lächle mein Unverständnis dann souverän weg. Ab und an flechte ich an Stellen, die mir geeignet erscheinen, ein „interesting“ ein.
Herausfordernd war es letzten Freitag, als C. versuchte, mir die Feinheiten des Gaelic Footballs nahezubringen. In hoher Geschwindigkeit fielen Worte wie goalies, corner, wing und center backs, midfielders, wing, center, corner und full forwards, er redete von carrying, bouncing, kicking und soloing, erläuterte die Unterschiede zwischen points und goals und von sideline, free sowie penalty kicks und erklärte, welche Art von Körperkontakt erlaubt sei und welche nicht. Ich kam aus dem Nicken und Lächeln gar nicht mehr raus.
Gaelic Football ist aber durchaus ein spektakulärer Sport. Auf unserer Dingle-Wanderung letztes Jahr haben wir in einem Pub ein paar Minuten eines Matches gesehen. Da war auf dem Feld eine Menge los. Als hätten sich die Spieler nicht einigen können, ob sie Fußball, Handball oder Rugby spielen, und dann irgendwann gesagt haben: „Egal, lasst uns einfach anfangen.“
04. Juni 2024, Berlin
Heute ist Umarme-deine-Katze-Tag. Fuck, no!
Ich habe noch nie eine Katze gesehen, bei der ich dachte: „Mensch, die hat bestimmt so richtig Bock, sich umarmen zu lassen.“ Und wenn Katzen auf etwas keinen Bock haben, setzen sie in meiner Erfahrung ihre Krallen ein. (Oder pissen dir in die Schuhe.) Wahrscheinlich hat ein katzenloser Mensch den Tag erfunden.
05. Juni 2024, Berlin
In den letzten Tagen sind meine Frau und ich wesentlich später als gewöhnlich ins Bett gegangen. Daher haben wir uns gestern Abend sehr vernünftig eine Stunde früher hingelegt. Was zur Folge hat, dass wir heute Morgen eine Stunde früher aufwachen.
Ein anscheinend weit verbreitetes Phänomen:
Wir sind nicht die einzigen, die um 5 Uhr nicht mehr schlafen. Draußen gurrt ein Tauberich laut und ohne Unterbrechung nach Morgensex. Meine Güte, wie horny kann jemand sein?
Nach einer guten halben Stunde ist aus dem Baum heftiges Flügelschlagen zu hören. Ich weiß nicht, ob der Taubenmann endlich zum Zuge kommt oder die Auserwählte ihn ordentlich verdrischt.
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C. macht seine erste Erfahrung mit der deutschen Verwaltungsbürokratie. In der Berliner Ausprägung. Um den Job im Irish Pub anzutreten, muss er in Deutschland gemeldet sein.
Dazu hat die Tochter gestern verschiedene Formulare runtergeladen und für ihn ausgefüllt, seine Mutter schickte ein Foto einer Geburtsurkunde, wir machten Kopien seines Reisepasses, druckten alle Dokumente doppelt aus – der Deutsche ist stark in mir – und C. unterschrieb überall, wo wir es ihm sagten.
Heute früh um halb sieben, eine halbe Stunde vor Öffnung des Rathaus Tiergartens, reihen sich die Tochter und C. in die Warteschlange ein. Nach 45 Minuten erfahren sie, dass es keine spontanen Resttermine gibt. Der nächste freie Slot ist am 31. Juli.
(Als Vorzeige-Helikoptervater, der ich anscheinend bin, aktualisiere ich den ganzen Vormittag regelmäßig die Kalender-Seite der Berliner Bürgerämter, bis ich schließlich einen Termin für diesen Freitag ergattere. Um 9.36 Uhr in Neukölln.)
06. Juni 2024, Berlin
Auf Radio-Eins erzählt die Morgenshow-Moderatorin, dass Tetris heute 40 wird. Meine prägende Tetris-Erfahrung liegt 30 Jahre zurück, während ich fürs Mathe-Abi lernte. Als ich im Zimmer meines Bruders nach einem Buch suchte, entdeckte ich auf dem Schreibtisch seinen Nintendo und fand, bei der ganzen harten Abi-Büffelei wäre jetzt mal eine kleine Pause mehr als angebracht und die könnte ich mit einer Runde Tetris verbringen.
Ich weiß nicht mehr, wie lange ich vorher über meinen Büchern gebrütet hatte und ob die angestrebte Entspannung tatsächlich verdient war. Aber ich erinnere mich noch, wie ich nach zweieinhalb Stunden das brüderliche Zimmer wankend verließ und sobald ich meine Augen schloss, sah ich Blöcke, Steine und Stäbe herunterrieseln.
In der Matheklausur schrieb ich trotzdem zehn Punkte. Vielleicht wären es ohne die Tetris-Eskalation zwölf geworden. Oder nur acht. Man weiß es nicht.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)