Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
12. August 2024, Berlin
Merkwürdiger Traum heute Nacht, in dem wir noch ein drittes Kind hatten, einen circa einjährigen Jungen. Du musst kein professioneller Traumdeuter oder Küchenpsychologe sein, um da hineinzuinterpretieren, dass mein Unterbewusstsein verarbeitet, dass die Tochter seit zwei Wochen mit C. in Kiel wohnt, der Sohn bald volljährig wird und die beiden auf eigenen Füßen stehen. (Mehr oder weniger.)
In dem Traum kletterte das kleine Kind immer wieder in die hohen Fächer unseres Bücherregals, wo ich es dann runterholen musste. Keine Ahnung, was mein Unterbewusstsein mir damit sagen will.
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Start der Vorbereitung auf den Köln-Marathon im Oktober. A. und ich haben dort noch etwas gut zu machen, denn vor zwei Jahren erreichten wir das Ziel gar nicht beziehungsweise nur weite Teile der Strecke gehend.
Die Erfolgsaussichten der Mission Wiedergutmachung sind allerdings nur so mittel. Bedingt durch meinen lädierten Fuß und durch Corona war ich zum Start einer Marathonvorbereitung noch nie so unfit. Zu wenige Laufkilometer in den letzten Monaten und damit kausal verbunden zu viele Kilos auf den Rippen. Die nächsten acht Wochen werden lustig. Also, so lustig wie quietschendes Styropor oder sich ein Interview mit Christian Lindner anschauen.
Den heutigen so genannten „intensiven Dauerlauf“ bekomme ich aber ganz gut hin. Dreizehn Kilometer in anspruchsvollem Tempo, das ich nicht als übermäßig flott empfinde. Anschließend fühle ich mich einigermaßen fit. Meine Laufuhr ist anderer Meinung. Sie zeigt beim Trainingszustand in drohendem Rot „Überbelastung“ an und schlägt vor, zur Erholung fünf Tage Pause einzulegen.
13. August 2024, Berlin
Suche im Wohnzimmer nach einem Buch, als ich draußen Lärm vernehme. Meinen Fensterrentnerpflichten nachkommend, kontrolliere ich vom Balkon aus, was da los ist. Ein großer, blonder Mann in blauer Latzhose geht die Straße hinunter. Er ist ungefähr mein Alter, sieht etwas abgerissen aus und singt lauthals ein mir unbekanntes Lied. Beeindruckend text- und tonsicher, ohne Scheu vor überbordenden Handgesten.
In einem Abstand von knapp 50 Metern folgt der Prediger. Das könnte spannend werden, denn der ist manchmal etwas krawallig drauf. Heute aber nicht, als der singende Mann eine kurze Pause macht, stimmt er „No woman, no cry“ an. Ebenfalls mit außergewöhnlich voluminöser Stimme. Das ständige Predigen scheint vorteilhaft für die musikalische Stimmbildung zu sein.
Der Latzhosenträger dreht sich um, der Prediger verstummt und die beiden schauen sich an. Die Szenerie hat etwas von High Noon. Nach einem kurzen Moment holt der Prediger Luft und legt mit „The Rivers of Babylon“ los. Die Miene des Anderen hellt sich auf und er fällt mit ein. Zweistimmig singend, ein paar kunstvolle Vokalimprovisationen einstreuend und die Hüften schwingend, gehen die beiden Richtung Turmstraße. Was für ein Schauspiel. Am liebsten würde ich hinterherlaufen, um ihnen weiter zuzuhören.
Heute ist zwar erst Dienstag, aber sofern ich in den nächsten Tagen keine Welpen streicheln darf oder am Samstag im Lotto gewinne, war das definitiv mein Highlight der Woche.
14. August 2024, Berlin
Halb drei. Wache auf, weil jemand auf der Straße in nicht mehr Zimmerlautstärke „Eine gute Nachricht“ von Danger Dan spielt. Bedauerlicherweise entdecke ich vom Balkon aus niemanden, den ich für seinen guten Musikgeschmack beglückwünschen könnte.
Stelle dann fest, dass die Musik gar nicht von draußen, sondern aus unserem Badezimmer kommt. Der Sohn duscht – wann auch sonst – und Danger Dan dient ihm als Hintergrundbeschallung.
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Ungebetener abendlicher Besuch im Wohnzimmer. Meine Frau und ich netflixen auf dem Sofa, als plötzlich etwas durch die geöffnete Balkontür hineinflattert. Denke zunächst, es handelt sich um den Schmetterling, den ich heute Mittag mit einem Glas gefangen und rausgesetzt habe.
Der Eindringling entpuppt sich allerdings als Fledermaus. Da scheidet eine Fangmission mit Wasserglas aus. Anstatt auf direktem Wege wieder rauszufliegen, schwirrt sie durchs Wohnzimmer und kommt uns immer wieder gefährlich nah. Wir verziehen uns in den Flur, die Fledermaus dreht ein paar Runden um die Deckenlampe, bis ihr das zu langweilig wird, und düst dann den Flur auf und ab, bevor sie einen Abstecher ins Zimmer des Sohns macht.
Mein Frau und ich laufen derweil würdelos in gebückter Haltung durch die Wohnung und schließen die Türen der Zimmer, in denen sich die Fledermaus nicht aufhält. Ich trage ein Sofakissen als Schutzschild vor mir her und schwitze unnormal stark, was die Würdelosigkeit der Situation verstärkt.
Wir ziehen uns in die Küche zurück und beobachten durch den Türspalt, ob die Fledermaus noch durch den Flur und im Wohnzimmer rumflattert. Meine Frau stürmt todesmutig zum Zimmer des Sohns und verschließt auch dort die Tür.
Ich googele derweil, was bei Fledermäusen in der Wohnung zu tun ist. NABU schlägt vor, Gardinen und Fenster auf- und das Licht auszumachen, dann fänden die Tiere in den meisten Fällen von allein wieder raus. Ich bin mehr an den wenigen Fällen interessiert, in denen sie das nicht schaffen, finde aber nichts dazu.
Stattdessen steht in dem Beitrag, nur wenige Menschen reagierten verärgert auf die Fledermäuse in den eigenen vier Wänden, viele freuten sich sogar, dass auf diese Weise die Natur zu ihnen käme und bauten sogar extra Fledermausnistkästen. (Ob sie die in der Wohnung aufstellen, ist nicht überliefert.)
Ich gehöre definitiv nicht zu diesen Menschen, die sich freuen, wenn die Natur ihnen einen Besuch abstattet. Im Gegenteil, ich bin sehr froh, wenn die Natur da bleibt, wo sie hingehört. Wir haben uns schließlich nicht entschieden, im Wald zu leben, sondern haben eine Wohnung angemietet, die als Grenze zwischen uns und der Natur fungiert.
Bei Deutschlandfunk Nova lese ich, zwischen Mitte August und Mitte September suchten Fledermäuse Nistplätzen und insbesondere Jungtiere verirrten sich dabei schon mal durch geöffnete oder gekippte Fenster in Wohnungen und Häuser. Die Tiere seien aber ungefährlich und hätten wahrscheinlich mehr Angst vor Menschen als umgekehrt.
Bei dem Exemplar in unserer Wohnung bin ich mir da nicht so sicher. Sonst könnte sie ja einfach durch die weit offenstehende Balkontür abhauen. Tut sie aber nicht. Vielleicht hat sie das Angst-Memo nicht bekommen und weiß nicht, dass sie sich vor mir fürchten muss.
Von Fledermäusen ginge auch keine direkte Gefahr aus, heißt es in dem Beitrag. Tom Wegner vom Bonner Arbeitskreis für Fledermausschutz sagt dazu: „Wir sind als Nahrung für Fledermäuse absolut ungeeignet, viel zu groß und sperrig.“ Schönen Dank auch, Tom Wegner. Allein ihr Größennachteil hält unsere Fledermaus also davon ab, mich zu verspeisen. Wahrscheinlich denkt sie gerade: „Schade, dass der Typ nicht etwas kleiner ist, sonst wäre das ein leckerer Abendsnack.“ Warum gibt es keinen Arbeitskreis für Christian-Hanne-Schutz?
In dem Artikel steht weiter, Fledermäuse seien soziale Tiere und häufig zu mehreren unterwegs oder ihre Rufe lockten weitere Artgenossen an. Da könne es schon mal passieren, dass zwei oder drei Fledermäuse in eine Wohnung kämen. Oder 30. What? Die Vorstellung, 30 Fledermäuse rasen durchs Wohnzimmer, treibt meine Schweißdrüsen zu weiteren Höchstleistungen an.
Nach einer halben Stunde ist von der Fledermaus nichts mehr zu sehen. Ganz vorsichtig und immer noch mit Sofakissen im Anschlag inspizieren wir die Wohnung und schauen in Ecken und Gardinen nach, ob sich das Tier es nicht irgendwo gemütlich gemacht hat. Sie scheint aber weg zu sein.
Zumindest wissen wir nach dieser Episode, dass wir etwas mit Batman gemeinsam haben. Der hat auch Angst vor Fledermäusen.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Irgendwas anderes.
Ich würde gerne Sanddornbonbons gerne probieren.
Ich lese wöchentlich alle Beiträge mir großem Vergnügen…
…gibt es mal wieder eine Fortsetzungsfolge von dem „Tod…und…“?
Danke für die Verlosung!
Herzliche Grüße aus dem Süden Deutschlands
Sicherlich gibt es auch mal wieder ein Gespräch mit dem Tod. Ich weiß nur noch nicht wann. (Eine sehr unbefriedigende Antwort, ich weiß.)
Sanddorn! Du für immer!
und es Morden die Überröcke
und Mordende Versenker
sind so zerfleischt
ach so aktiv
Hallo Christian,
Ich lese deine Kolumne und die Familientweets schon ewig wöchentlich gerne. Für mich mindestens 1 mal pro Nordsee Urlaub Quark Sanddorn Eis. Das Buch würde ich mit in die Herbstferien an der Nordsee nehmen.