Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
06. September 2021, Berlin
Wichtige Erkenntnis zum Montag: Der Start in den Morgen, in den Tag, in die Woche verläuft eher suboptimal, wenn dir der volle Kaffeebecher aus der Hand rutscht und du die komplette Arbeitsfläche plus Kaffeemaschine, Wasserkocher und Aufbewahrungsdosen abwischen musst. Und das alles, bevor du deinen ersten Kaffee trinken konntest.
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Heute ist Kampf-gegen-die-Prokrastination-Tag. Eine Information, die ich beim Surfen im Internet lese, während ich eigentlich eine Präsentation für einen Kunden erstellen müsste. Als Speerspitze der Prokrastinationsbekämpfung scheine ich nur bedingt geeignet zu sein.
07. September 2021, Berlin
Wir haben kein warmes Wasser und die Heizung funktioniert auch nicht. Wie schon im Januar. Im September fällt das nicht so auf, denn da musst du deine Wohnung in der Regel nicht aufheizen und auch Duschen mit 35° Wassertemperatur ist nicht zwingend erforderlich. Nur kaltes Wasser zu haben, ist allerdings zu jeder Jahreszeit doof, wenn du keine Spülmaschine hast und von Hand abwaschen musst. Das ist nicht nur sensorisch eine unschöne Erfahrung, sondern auch höchst unhygienisch.
Vielleicht sollten wir essbares Geschirr und Besteck besorgen. Dann entfällt das lästige Abwaschen ganz. Eine Idee, die sicherlich die Zustimmung der Kinder findet. (Und der Eltern.)
08. September 2021, Berlin
Wichtige Erkenntnis zum Mittwoch: Kein warmes Wasser zu haben, ist nicht nur beim Abwaschen zu jeder Jahreszeit doof, sondern auch beim Duschen. Kalt zu duschen, mag zwar den Kreislauf so richtig schön in Schwung bringen, aber auch das Herz so richtig unschön zum Stillstand.
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Es ist 17 Uhr, ich sitze am Schreibtisch und schreibe für ein neues Buchprojekt an einem Kapitel über Wutausbrüche bei Kleinkindern in der Trotz- beziehungsweise Autonomiephase, als draußen eine Mutter mit ihrem übermüdeten Kind vorbeiläuft.
Die Mutter fordert das Töchterlein immer wieder sanft auf, doch ein wenig schneller zu machen, damit sie nach Hause kommen. Dabei legt sie eine Gelassen- und Ausgeglichenheit an den Tag gegen die der Dalai Lama wie ein tobsüchtiger Choleriker wirkt. Die Kleine ist nach einem langen Kita-Tag allerdings nur bedingt kooperationsbereit und nicht willens, sich zu beeilen.
„Aber Spätzchen, sonst können wir heute Abend gar keine Kürbissuppe mehr machen“, flötet die Mutter. Dem epischen Tobsuchtsanfall, der darauf folgt, entnehme ich, dass Spätzchen einen Scheiß auf Kürbissuppe zum Abendessen gibt und gar nicht daran denkt, sein Tempo auch nur um ein µ zu erhöhen.
Streiche schweren Herzens „Kürbissuppe als Belohnungssystem“ von meiner Liste mit hilfreichen Tipps im Umgang mit trotzenden Kleinkindern.
09. September 2021, Berlin
Warmes Wasser immer noch Fehlanzeige. Ich betrachte das kalte Duschen als meinen Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise, das macht wenigstens warme Gedanken. Das kalte Duschen wird dadurch allerdings auch nicht angenehmer.
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Das Spätzchen von gestern läuft wieder an unserem Haus vorbei. Seine Stimmung ist erneut eher semi und es brüllt: „Ich hasse dich.“ Die Mutter legt wieder eine Sanftmut an den Tag, die mich vermuten lässt, dass sie sich entweder in eine Art Trance-Zustand meditiert hat, oder hochgradig Beruhigungsmittel abhängig ist, und fragt das Töchterlein zärtlich: „Das meinst du gar nicht, oder?“ „Doch, von ganzem Herzen!“, erwidert das Kind in der Lautstärke eines Düsenjets beim Schalldurchbruch.
Ich glaube, Spätzchen fühlt sich wie wir alle nach einem langen, anstrengenden Bürotag, und es hat mein tiefstes Mitgefühl. Trotzdem bin ich froh, dass unsere Kinder schon groß sind.
10. September 2021, Berlin
Wir haben endlich wieder warmes Wasser. Das macht das Duscherlebnis doch wesentlich angenehmer. Fast wie eine Wellness-Behandlung. Wobei ich Wellness gar nicht mag und die Vorstellung, dass eine fremde Person an mir rumtatscht oder mich mit irgendetwas einschmiert, wenig erquicklich finde. Warmes Duschen ist aber trotzdem super.
11. September 2021, Berlin
Der Postbote bringt mir eine Buchsendung, die nicht in den Briefkasten passt, an die Tür. Ich bin etwas verwirrt, denn ich habe gar kein Buch bestellt. Der Umschlag enthält einen Ratgeber – beziehungsweise die Simulation eines Ratgebers – mit dem wenig erhellenden und wenig inspirierenden Titel „Wissen macht Umsatz – aber was bringt Gewinn?“ und dem noch weniger erhellenden und noch weniger inspirierenden Untertitel „Wie man als Berater, Trainer oder Experte digital vom Milliardenmarkt Coaching profitiert und 7-stellige Jahresumsätze erreicht.” (Was denn nun? Geht es um Umsatz oder Gewinn?)
Auf dem Cover posieren zwei junge Männer so jungunternehmer- und FDP-mäßig, dass selbst Christian Lindner unangenehm berührt wäre. Rechts oben auf dem Buchdeckel klebt ein gelbes Post-it mit der handschriftlichen Notiz ,,Habe beim Lesen an dich gedacht!” Kurz denke ich, meine Kollegin hat irgendwas geraucht und mir das Buch zukommen lassen. Es ist aber eine Werbe-Maßnahme, die wohl eine persönliche Note suggerieren soll. Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Du willst doch von niemandem hören: „Hey, ich habe ein Buch gelesen, auf dem zwei geleckte Arschgeigen abgebildet sind, und musste dabei an dich denken.“ Da kündigst du doch gleich die Freundschaft.
In einem Anflug von Faszination des Grauens und einer gehörigen Portion Selbsthass blättere ich kurz in dem Buch. Es liest sich größtenteils, als hätte jemand wahllos Sätze aus einer Berater-Bullshit-Bingo-Phrasendreschmaschine aneinander gestückelt. Mein Lieblingssatz lautet: „Ich trage die Rolex nur, damit ich mich selbst daran erinnere, wie wertvoll meine eigene Zeit ist.” Was für Amateure! Jede*r weiß doch, dass nur neureiche Emporkömmlinge mit Rolex-Uhren protzen. Altes Geld stellt seinen Reichtum mit einer Audemars Piguet oder einer Patek Philippe zur Schau.
Der „Ratgeber“ endet mit der schönen Botschaft: „Doch falls du dieses Buch bis zum Ende gelesen hast und immer noch nichts von dem glaubst, was wir nach außen kommunizieren, dann hast du es schlicht und einfach verdient, diese Chance hier zu verpassen und nicht von unseren Fähigkeiten zu profitieren.“
Es geht doch nichts über ein bisschen Publikumsbeschimpfung: „Wenn du zu dumm für mein Angebot bist, bist du selbst schuld.“
12. September 2021, Berlin
Der Sohn hat heute Berliner Einzelmeisterschaften. Sein letztes Judo-Turnier ist 18 Monate, knapp 20 Zentimeter und fast 16 Kilo her.
Nun muss der Sohn in der U18 antreten, wo er im ungünstigsten Fall Gegner hat, die fast 18 sind und aussehen, als würden sie zum Frühstück kleine Kinder essen. Ich würde ihm gerne helfen, aber wie gesagt, die Gegner sehen aus, als würden sie zum Frühstück kleine Kinder essen.
Wegen Corona findet das Turnier ohne Zuschauer*innen statt. Ich glaube eher, dass der Judo-Verband das als Vorwand nutzt, um sich nervige Eltern vom Leib zu halten. Das wäre mehr als verständlich. Dafür es einen Video-Feed, so dass wir uns das Turnier bequem auf dem Sofa anschauen und dabei Kaffee trinken können. Perfekt!
Die schlechte Nachricht: Der Sohn verliert seine drei Kämpfe. Die gute Nachricht. Er wird nicht aufgegessen.
Buch-Tipp der Woche
Ich bekomme immer mal wieder Bücher von Verlagen oder Autor:innen zugeschickt. Da mir die Zeit für aufwändige Rezensionen fehlt, sollen sie wenigstens hier Erwähnung finden.
Das heutige Werk stammt aus der Feder der Großen Köpfe Alu Kitzerow und Konstantin Manthey, die sich gemeinsam mit dem Erziehungs-Veteran Jan-Uwe Rogge Gedanken zum Thema Geschwister gemacht haben. Entsprechend lautet der Titel des am 01. September veröffentlichen Buchs: „Geschwister – eine ganz besondere Liebe: So gelingt es Eltern, jedem Kind gerecht zu werden“ Während Jan-Uwe Rogge den pädagogischen Überbau liefert, berichten Alu und Konsti vom liebevoll-chaotischen Familienalltag mit drei Kindern, was das Buch besonders lesenswert macht. (Die Formulierung „liebevoll-chaotisch“ würde ich mir selbstverständlich niemals anmaßen, sondern plappere hier nur die Buchbeschreibung nach.)
Jan-Uwe Rogge, Alu Kitzerow, Konstantin Manthey: Geschwister – eine ganz besondere Liebe: So gelingt es Eltern, jedem Kind gerecht zu werden. GRÄFE UND UNZER Verlag 2021. (Affiliate Link)
Unter allen Leser:innen, die bis Donnerstag, den 23.09., einen liebevoll-chaotischen oder anderweitigen Kommentar unter diesem Beitrag hinterlassen, verlose ich mein Leseexemplar. Der Rechtsweg ist ebenso wie der Linksweg ausgeschlossen, eine Auszahlung des Gewinns ist nicht möglich, alle E-Mail-Adressen werden nach Abschluss der Verlosung DSGVO-konform gelöscht, blablabla …
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Würde ich gerne lesen.
Dank unserer liebevoll-chaotischen Verhütungsmethode ist ein dritter Chaosverstärker nicht ausgeschlossen und da wäre das Buch zum verstärken der liebevollen Hälfte sehr hilfreich.
Ich würde mich über das Exemplar sehr freuen
Es fühlt sich an, als wäre das zu verlosende Buch EXAKT unsere Lösung, denn K1 und K1 scheinen nur den Modus Streit, Kloppen, Anschreien, Wegschubsen, um Mama buhlen, um Papa buhlen, Beschuldigen …. Usw. Und so fort zu kennen… was soll ich da noch sagen….
Ob es nicht nur Fühlen sondern auch wirklich so ist, können wir gerne rückmelden…
….das Buch würde ich gerne lesen….mit ebenfalls drei Kindern zuhause geht es bei uns zumeist chaotisch, aber auch liebevoll zu….
Und für einen Moment erschien es mir als ob es um das Beraterbuch ginge. Aber eins über Geschwister kann man doch gut gebrauchen, für mehr Liebe im Chaos, oder Chaos in der Liebe oder was auch immer.
Ich habe gerade den Anfängerfehler gemacht und deinen Text beim Zubettbringen gelesen.
„Mama, warum lachst du?“
Da hier gerade K3 unterwegs ist, könnte so ein Wirtschafts- äh Geschwisterratgeber hier ganz gute Dienste leisten. 😊
Seit 10 Wochen ist Nummer 3 mit im Chaosboot und tatsächlich stellen wir uns schon schon jetzt manchmal die Frage, wie wir allen dreien gerecht werden. Daher würden auch wir uns über das Buch freuen. 🙂
..würde mich auch über das Buch freuen! könnte noch paar Tipps zur Geschwister Beziehung brauchen…;-)
Berlin, wo das Wasser so kalt aus der Wand kommt, dass es den Kreislauf anregt und gleichzeitig (!) das Herz zum Stillstehen bringt. 😂
Puh ich hatte auch schon bedenken, dass beraterbuch ist das Buch der Woche 😅
Geschwisterbeziehung ist hier nach einem Jahr noch sehr liebevoll. Aber da der kleine godzilla jetzt gern durch die duplo-jurassic-park-gehege des großen Bruders wütet, sehe ich schon erste Risse in den rosaroten geschwisterliebewolken. Si ein Buch wäre also sehr hilfreich hier🙃
Die Wochenschau ist für mich immer eine schöne Erheiterung am Sonntagabend :-) danke dafür!
Das Buch hört sich interessant an, da würde ich gerne mal drin schmökern…
Viele Grüße
Sonja
Na, das wäre doch mal was, endlich schwarz auf weiß nachlesen zu können, dass sich meine Jungs allein deshalb von morgens bis abends anzicken, weil sie sich lieben ;)
Ich als Einzelkind bewundere und bestaune jeden Tag die Beziehung zwischen meinen Kindern. Wie innig, wie schaurig, wie schön 😍!
Ich hab schon so viele Bücher gelesen… die Kinder motzen dennoch. Und der Mann. Ich glaube der Hund auch. Und ich sowieso. Vielleicht hilft ja dieses… 😀
Würde ich sehr gerne lesen! Bei uns ist auch nicht immer Friede Freude Eierkuchen. Neuer Input wäre daher willkommen!
Nachdem K3 jetzt mobil wird und das Familienchaos damit gefühlt verfünffacht, fände ich etwas neuen Input echt toll
Klingt sehr interessant. Vielleicht würde ich es sogar schaffen, es zu lesen, bevor die Kinder ausziehen.
“Liebevoll-chaotisch” ist hier noch mehr als die Beziehung der Geschwister untereinander.
Für den Moment haben wir Eltern uns darauf geeinigt einfach allen Dreien, uns als Paar, uns als Individum, dem Haushalt und unserer Erwerbsarbeit ~nicht~ gerecht werden.
Aber wir streben Veränderung an, daher wäre ich hocherfreut über den Gewinn des Buches.
Liebe! Chaos! Hurra!
Selber Einzelkind, schockieren mich unsere zwei doch immer wieder – gefühlt haben wir morgens 5 s Ruhe, bevor mdas Angezicke losgeht … das kann doch nicht normal sein – oder doch? Vielleicht klärt mich ja dieses Buch auf….
Liebevoll- chaotischer Kommentar hinterlassen. Das überfordert mich total. Hoffe, das gilt trotzdem 😀
Unsere Kinder sind auch noch liebevoll-chaotisch. Zumindest mal mehr, mal weniger. Manchmal gibt’s auch ein bisschen weniger liebevolles Verhalten, aber wem sag ich das… Ist ja normal. Obwohl ich das schon weiß, wäre so ein Buch sicherlich sehr erhellend.
Da K1 und K2 in fast allen Dingen extrem rivalisieren, könnte ich ein bisschen Hilfestellung gut gebrauchen. Schon allein, damit K3 in all dem Trubel nicht zu kurz kommt…
Würde mich über das Buch sehr freuen. ☺️ Das Buch „Ohje, ich wachse“ hat mir in der Trotzphase sehr viel weitergeholfen und vll hat das Buch ja auch wieder viele Tips die mir im Alltag weiterhelfen wenn ich erziehungstechnisch mal nicht weiterweiß…