Eine kleine Wochenschau | KW45-2021

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


08. November 2021, Berlin

Ich liege kränklich im Bett und höre Radio. Den ganzen Tag. Das ist zwar informativ, aber die immer wiederkehrende gleiche Werbung raubt mir den letzten Nerv. Ich bin nur noch einen Carglass-Spot davon entfernt, auf die Straße zu rennen und Windschutzscheiben zu demolieren, wenn mir der Seitenbacher-Mann noch einmal ins Ohr plärrt, wie lecker sein beschissenes Müsli ist, verwüste ich irgendein Reformhaus und ich schwöre, beim nächsten Mal, wenn „Der Zorn des Oktopus“ von Dirk Rossmann angepriesen wird, zünde ich wahllos Drogerien an. (Oder das Berliner Aquarium.)

Ansonsten bin ich auf dem Weg der Besserung. Zumindest körperlich.

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Merksatz für den Corona-Selbsttest: Wenn die Augen nicht tränen, war das Stäbchen nicht tief genug in der Nase!

09. November 2021, Berlin

Morgen wird die neue Spülmaschine geliefert und angeschlossen. Ein Ereignis, das mich mit Vorfreude erfüllen sollte, mich aber ein wenig nervös macht. Bei Begegnungen mit Handwerkern habe ich immer das Gefühl, dass sie mich für einen totalen DIY-Trottel halten – was der Realität entspricht –, und dass mich dafür verachten. Welcher richtige Mann ist schon zu doof dafür, eine Spülmaschine selbst anzuschließen?

Frauen haben es da viel leichter. (Ein Satz, der sich sehr nach altem, weißem Mann anhört.) Die müssen keinerlei handwerkliche Kenntnisse vorweisen, sondern können vollkommen unbeschwert zuschauen, wie jemand unter der Spüle einen Schlauch an einen Wasserhahn anschraubt und sogar fragen: „Und Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche ziehen und dann ist das fertig?“ Da stört sich dann niemand daran.

Als Mann kannst du dir das nicht erlauben. Schon wenn du nur danebenstehst, gar nichts sagst und einfach zuschaust, was der Handwerker so macht, bist du sofort der Beta im Raum und stehst auf der Fressleiter ganz unten. Wer würde da keine Minderwertigkeitskomplexe entwickeln?

Möglicherweise bin ich aber auch ein moderner Mann, der sensibel ist, keine Angst hat, sich verletzlich zu zeigen, und damit Geschlechtergrenzen einreißt. Oder doch einfach ein weinerlicher, wehleidiger Lappen, der zu doof ist, eine Spülmaschine selbst anzuschließen.

10. November 2021, Berlin

Meine Nervosität wegen der Spülmaschinen-Lieferung war vollkommen unbegründet. Die beiden Männer, die das Gerät bringen, sind zwei sehr sympathische Zeitgenossen. Der jüngere trägt die Maschine auf dem Buckel zu uns in den ersten Stock, der ältere schließt sie an. Dabei gibt er mir zu keiner Zeit das Gefühl, mich für einen inkompetenten DIY-Trottel zu halten. Nicht einmal, als er mir erklärt, dass der Verlängerungsschlauch, den ich besorgt habe, nicht so gut sei, weil er aus Gummi ist, und mir empfiehlt, besser einen Panzerschlauch zu nehmen. Den habe er praktischerweise dabei und der koste auch nur 20 Euro. Selbstverständlich willige ich sofort in den Kauf ein, denn wer bin ich, dass ich mir erlauben würde, die kompetente Fachmeinung eines Alphas anzuzweifeln.

Nach gewissenhafter Überprüfung der Anschlüsse gibt mir der Mann seine Handynummer. Sie seien noch ein paar Stunden in der Gegend. Falls doch noch etwas tropfe oder nicht funktioniere, soll ich anrufen. Dann käme er und würde sich das anschauen.

Das finde ich einen tollen Service. Schließlich müsste er das nicht machen. Vielleicht gehört das zu seinem Spülmaschinen-Anschließer-Ethos. Oder – und das ist viel wahrscheinlicher – er hält mich doch für einen inkompetenten DIY-Trottel und die Vorstellung, dass ich mit meinen ungeschickten Händen an den Schläuchen rumhantiere, ist für ihn so unerträglich, dass er lieber mit seinem LKW quer durch Berlin fährt, um sich selbst darum zu kümmern, als mich auch nur in die Nähe der Anschlüsse zu lassen.

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Abends läuft die Spülmaschine das erste Mal. Nach mehr als drei Monaten Abwasch von Hand bin ich geneigt zu sagen, dass heute der glücklichste Tag meines Lebens ist. Die Geburt unserer Kinder eingeschlossen.

Das klingt im ersten Moment übertrieben, aber nicht, wenn du genauer darüber nachdenkst:

  • Kinder machen Dreck, sind laut und wollen andauernd irgendetwas. (Essen, Taschengeld, neue Handys und so weiter)
  • Die neue Spülmaschine macht dagegen Dreck weg, ist extrem leise und scheint mir eine sehr genügsame Zeitgenossin zu sein. Zumindest hat sie seit ihrer Ankunft noch keine übertriebenen monetären oder kulinarischen Ansprüche gestellt. Sie wollte nur einen Spül-Tab, sonst nichts.

Also ein klarer Punktsieg für die Spülmaschine!

11. November 2021, Berlin

Ein Nachbar kommt vorbei und holt ein Paket ab, das ich für ihn angenommen habe. Der Karton ist relativ schmal, aber circa 1,20 m hoch und unten relativ schwer. Der Nachbar erklärt mir, es handele sich um einen kabellosen Dyson-Staubsauger. Seine Augen leuchten, während er davon schwärmt, was für ein tolles Gerät das sei. Er strahlt eine ins Zärtliche spielende Begeisterung aus, die Männern zu eigen ist, wenn sie über Technik reden.

Durch den kabellosen Dyson habe das Staubsaugen für ihn eine geradezu meditative Qualität, erzählt der Nachbar. Verdammt, hätte ich das gewusst, hätte ich dem Nachbarn gesagt, dass kein Paket angekommen sei, und hätte den Staubsauger für mich behalten. Zu spät.

Am besten lade ich den Nachbarn einfach am Samstag auf einen Kaffee ein, damit er mir die Vorzüge seines Wunderstaubsaugers praktisch demonstriert.

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Später klingelt ein anderer Nachbar, um ebenfalls ein Paket abzuholen. Diesmal in der Größe eines großen Schuhkartons. Da sei ein Original-Colt-Seavers-Truck mit Fernsteuerung drin, erklärt er mir. Für seinen Sohn, der am Wochenende Geburtstag hat.

Nochmal verdammt! Warum bekommen alle im Haus so tolle Päckchen und ich bin der Trottel, der sie nur annimmt?

Dabei habe ich gar kein Faible für Autos. Weder für echte, noch für ferngesteuerte. Den Colt-Seavers-Modell-Truck hätte ich trotzdem gerne, weil „Ein Colt für alle Fälle“ eine nostalgische Kindheitserinnerung für mich ist. Wobei ich mich schon damals weniger für die Verfolgungsjagden interessierte, sondern mehr für die blonde Jody, die sich im Vorspann immer im Bikini an der Tür räkelte. (Neben der fa-Dusch-Werbung mein erstes erotisches TV-Erlebnis.)

Wenn ich Glück habe, bestellt sich jemand aus der Nachbarschaft irgendwann eine Original-Jody-Aufblaspuppe. Die werde ich dann definitiv behalten!

12. November 2021, Berlin

Nach zwei Tagen muss ich feststellen, dass die neue Spülmaschine doch einen kleinen Nachteil hat: Sie muss immer wieder ausgeräumt werden!

13. November 2021, Berlin

In Zeiten der Klimakrise und totbringender Pandemien beschäftigt sich der Spiegel mit den wirklich wichtigen Themen: Mit dem Peniswurm.

Dieser Wurm hat die letzten rund 500 Millionen Jahre auf dem Meeresboden überlebt, indem er sich häuslich in Muscheln einrichtet. Es ist doch eine schöne Vorstellung, dass, nachdem sich die Menschheit durch Naturkatastrophen, Kriege und Viren ausgerottet hat, der Peniswurm immer noch fröhlich durch die Weltmeere schwimmt und dann als Krönung der Schöpfung gilt. Toll!

14. November 2021, Berlin

Ich backe heute den ersten Stollen. Damit ist nicht nur die Weihnachtsbäckerei offiziell eröffnet, sondern auch die Weihnachtslieder-Saison. Für mich ist das ein schöner und lange herbeigesehnten Moment, für die Familie sind die nächsten Wochen dagegen die „Können wir nicht mal was anderes hören?“-Zeit.

Nein, können wir nicht! Ich habe eine fast elfstündige Weihnachts-Playlist mit mehr als 200 Liedern, da ist ja wohl für genügend Abwechslung gesorgt. Okay, bis zum Ende des 2. Weihnachtsfeiertag sind es 1.056 Stunden, das heißt, bis dahin läuft die Liste 96-mal. Da habe ich schon ein wenig Verständnis, dass „Stop the cavalary“ oder „Feliz navidad“ nach dem hundertsten Mal bei meiner Frau und den Kindern nervöses Augenzucken hervorrufen.

Aber nur ein ganz klein wenig. Schließlich bin ich ansonsten ein treusorgender Familienvater, der nicht trinkt, nicht dem Glücksspiel frönt und nicht zu Gewalttätigkeit neigt. Da wird mir die Familie ja wohl meinen kleinen Weihnachtsmusik-Spleen nachsehen.

Außerdem ist Weihnachten das Fest der Liebe und wie kann Liebe besser ausgedrückt werden als durch Musik? Eventuell durch Christstollen, denn Liebe geht bekanntlich auch durch den Magen. Und dann irgendwann durch den Darm, dann ins Klo und von dort durch die Kanalisation ins Klärwerk, was aber eine nicht ganz so romantische Vorstellung ist. In diesem Sinne ein fröhliches „Last Christmas“!


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44 Kommentare zu “Eine kleine Wochenschau | KW45-2021

  1. Wollte mich mal kurz für die Playlist bedanken. Höre sie jetzt, während ich mich beruflich mit Adventskalendern beschäftige und was soll ich sagen – bin innerlich kurz vor Bescherung. Frohes Fest und allzeit genug Käsekuchen! 🎄


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