Eine kleine Wochenschau | KW47-2021

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


22. November 2021, Berlin

Auf meiner morgendlichen Laufrunde sehe ich eine Frau, die neben einer Bank steht und ihrem Hund – einem schwarzen Riesenschnauzer – das Fell oberhalb der Augenpartie stutzt. Mit einer professionellen Friseurschere.

Der Schnauzer erträgt die Prozedur stoisch. So wie ich, wenn mir mein arabischer Friseur ungefragt die Augenbrauen in Form schneidet.

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Ich bekomme eine Mail von Fahrrad.de. Mir wird meine Bestellung von einem Paar Ellbogenschützern der Größe M sowie einer Protektorenjacke in Kindergröße für den Gesamtpreis von 185,98 Euro bestätigt. Das Irritierende daran: Ich habe gar keine Fahrrad-Schutzbekleidung bestellt.

Früher wäre ich bei so einer Mail in Panik geraten und hätte befürchtet, jemand hat meinen Mail-Account gehackt. Heute weiß ich, dass wahrscheinlich mal wieder mein Namensvetter zugeschlagen hat. Der Christian Hanne, der fast die gleiche Mailadresse hat wie ich und diese regelmäßig falsch eingibt.

Auf der Bestellbestätigung, die der Mail angehängt ist, steht die Privatadresse des anderen Christian Hanne. Vielleicht schreibe ich ihm zu Weihnachten eine Karte.

23. November 2021, Berlin

Ich erhalte eine weitere Mail von Fahrrad.de, in der mir mitgeteilt wird, wie ich meine gestrige Bestellung bezahlen kann. Anscheinend hat sich mein Namensvetter aber bereits darum gekümmert, denn kurz darauf werde ich darüber informiert, dass meine Lieferung unterwegs sei.

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Der Sohn möchte sein Schüler:innenpraktikum nun doch nicht in seinem Judoverein machen, sondern ihm schwebt eher etwas Handwerkliches vor. Seine Lehrerin hat ihm daher die Nummer einer Schreinerei gegeben. Beim Abendbrot erkundige ich mich, ob er dort bereits angerufen hat. Der Sohn sagt, er fände das voll unangenehm und würde eine WhatsApp schicken.

Meine Frau und ich zucken kurz zusammen. Dann erklären wir ihm, dass sei für eine Praktikumsanfrage vollkommen inakzeptabel. Er solle sich vor dem Anruf einfach aufschreiben, was er sagen will, dann wäre das nicht so schlimm. Außerdem würde sich der Schreiner sicherlich darüber freuen, wenn sich ein junger Mensch für seinen Beruf interessiert und ein Praktikum bei ihm machen möchte, versuche ich dem Sohn Mut zu machen. (Das ist natürlich gelogen. Niemand freut sich über Schülerpraktikant:innen, die einem meistens keine Arbeit abnehmen, sondern nur welche verursachen.)

Der Sohn ist nicht überzeugt. Es sei einfach komisch, einen Fremden anzurufen. Das kann ich verstehen, erkläre ich ihm, dann solle er aber wenigstens eine Mail schreiben.

Der Sohn verdreht die Augen. Junge Menschen würden keine Mails verschicken. Mit meinem Mail-Vorschlage habe ich mich anscheinend als Mann aus dem letzten Jahrhundert disqualifiziert, der vollkommen den Anschluss verloren hat, was zeitgemäße Formen der Kommunikation angeht. Wenn der Sohn wüsste, dass ich meine ersten Praktikumsbewerbungen noch per Brief verschickt habe, würde er mich wahrscheinlich sogar für einen Mann aus dem letzten Jahrtausend halten.

24. November 2021, Berlin

Merkwürdige Hunde-Lauf-Begegnung, die Nächste: Ich jogge an einer Frau vorbei, die ihren kleinen Cocker Spaniel auf dem Arm trägt. Der Hund schaut ihr über die Schulter und macht einen sehr zufriedenen Eindruck. Wie ein Dreijähriges, das so lange rumgenölt hat, dass es nicht mehr laufen könne, bis seine Mama es nicht länger ausgehalten und ihr Kind hochgenommen hat, damit das Balg endlich Ruhe gibt.

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Fahrrad.de lässt mich wissen, dass mich meine Bestellung morgen erreichen soll. Toll.

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Die Tochter erzählt beim Abendessen, bald käme der Spotify-Jahresrückblick raus und sie sei schon sehr gespannt, welches ihre meistgespielten Songs 2021 waren. In den nächsten Tagen muss ich dringend ein paar sozial akzeptierte Lieder in Dauerschleife hören, damit meine Top 3 nicht aus dem Pippi-Langstrumpf-Lied, Bumerang von Blümchen und Barbie Girl besteht.

Zu meiner Verteidigung: Das sind alles sehr gute Songs zum Laufen. Trotzdem möchtest ich die nicht in meinem Jahres-Hitparade haben, weil mich dann alle für einen geschmacksverwirrten Psychopathen halten, der sich nie von der gruseligen Musiksozialisation der 90er befreit hat.

25. November 2021, Berlin

Fahrrad. de drückt in einer neuen Mail seine Freude darüber aus, dass meine Bestellung geliefert wurde und wünscht mir viel Spaß mit den Sachen. Ich werde es dem anderen Christian Hanne in meiner Weihnachtskarte ausrichten.

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Nach mehr als anderthalb Jahren macht mir die Corona-Pandemie allmählich auch zu schaffen. Eigentlich kann ich mich nicht beklagen. Wir sind alle gesund, haben keine materiellen Sorgen und mein Sozialleben war auch vor Corona schon eher kontaktarm, so dass mir persönlich irgendwelche Einschränkungen oder die Absage von Weihnachtsmärkten nicht sonderlich viel ausmachen.

Trotzdem zehren die nicht abreißen wollenden schlechten Corona-Nachrichten zunehmend an meinen Nerven. Seit ein paar Wochen begleitet mich eine bleierne Müdigkeit, ich fühle mich dauerschlapp und bin häufig antriebslos. Morgens laufe ich inzwischen so langsam, dass mich gebrechliche ältere Damen fragen, ob bei mir alles in Ordnung sei. Gut, mein Zeitlupentempo könnte auch damit zusammenhängen, dass ich gerade ein paar Kilos mehr mit mir herumtrage als noch im Sommer, aber ich möchte meine schlechte Form doch lieber auf die zermürbende Corona-Situation schieben.

Ich bin nicht nur körperlich, sondern auch psychisch erschöpft. Es fehlt mir immer schwerer, mich morgens zum Schreiben aufzuraffen. Stattdessen erledige ich Sachen, die wenig Kreativität oder mentale Frische erfordern. Rechnungen abheften, Schreibtisch aufräumen oder ähnliche stumpfe Tätigkeiten. Ich bin mental so ausgelaugt, dass ich mich nicht mal motivieren kann, mir eine Pointe zu diesen Gedanken auszudenken.

26. November 2021, Berlin

Meine Freunde von Fahrrad.de melden sich wieder. Da ihnen meine Meinung wichtig ist, würden sie sich freuen, wenn ich ihnen eine Frage beantworten könnte: Wie wahrscheinlich ist es, dass du Freunden oder Kollegen den Service von Fahrrad.de weiterempfiehlst.”

Aufgrund der reibungslosen und stets freundlichen Kommunikation antworte ich mit einer glatten 10.

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Am späten Nachmittag lese ich, dass es eine neue Virusmutation im südlichen Afrika gibt, die potenziell noch ansteckender ist und gegen die der bisherige Impfstoff möglicherweise weniger gut wirkt. Auf Spiegel Online gibt es dazu ein Video mit der clickbaitenden Überschrift „Es ist schwer, sich ein noch ansteckenderes Virus vorzustellen“. Schönen Dank auch!

Die neue Virusvariante hat den Namen Omikron erhalten. Endlich zahlt es sich aus, dass der Sohn sich in der achten Klasse für Altgriechisch als dritte Fremdsprache entschieden hat, und er kann mir erklären, dass Omikron der griechische Buchstabe für O ist. Ich finde, das ist ein ziemlich großer Buchstabensprung von dem Delta-Namen der gegenwärtig dominanten Virus-Variante. Ob die Epsilon-bis Xi-Varianten wohl Minderwertigkeitskomplexe haben, weil sich nie jemand für sie interessiert hat?

27. November 2021, Berlin

Morgen ist der erste Advent. Damit ein wenig vorweihnachtliche Stimmung bei uns einzieht, will meine Frau den Flur schmücken. Dazu muss ich allerdings erst die Kartons mit der Adventsdekoration vom Schlafzimmerschrank runterholen.

Es war eine ziemlich kluger Schachzug von uns, dass wir uns vor ein paar Jahren dazu entschieden haben, die Kisten mit dem Weihnachtsschmuck nicht mehr in unserem Kellerverschlag zu lagern, sondern in der Wohnung zu deponieren. Das erspart mir jedes Jahr im November den beschwerlichen Gang in den Keller. Allerdings schmälert das meinen ohnehin schon fragilen Heldenstatus in der Familie stark, denn der Abstieg in die Katakomben unseres Mietshauses hatte immer etwas von einer Abenteuerexpedition, bei der du nie wissen konntest, ob du sie unbeschadet überstehst oder überhaupt überlebst.

Wenigsten sind die Kisten auf dem Schrank im Lauf der letzten zwölf Monate aber ordentlich eingestaubt, so dass ich mich wie Indiana Jones beim Öffnen der Bundeslade fühlen darf.

28. November 2021, Berlin

Eine schöne Nachricht gab es diese Woche doch. Regierungssprecher Steffen Seibert gab die Playlist bekannt, die Angela Merkel für ihre offizielle Verabschiedung nächste Woche zusammengestellt hat. Als erstes Großer Gott wir loben dich. So weit, so gewöhnlich. Als nächstes wünscht sie sich schon etwas origineller Für mich soll’s rote Rosen regnen von Hildegard Knef.

Richtig grandios ist aber ihre Wahl des Liedes, mit dem sie endgültig verabschiedet werden möchte: Farbfilm vergessen von Nina Hagen. Was für ein phantastischer Boss-Move von Angela Merkel! Und was für ein wohltuender Kontrast zu dem selbstgefälligen My Way-Abgang von Gerhard „Basta“ Schröder vor sechzehn Jahren.

Nun wünsche ich mir, dass nächsten Donnerstag die ganzen geladenen Honoratior:innen zum Abschluss gemeinsam mit Angela Merkel „Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael!“ grölen.

Buch-Tipp der Woche

Meine werten Kolleginnen Lisa und Katharina vom Blog Stadt Land Mama haben wieder schriftstellerisch zugeschlagen. Nachdem ihre ersten beiden WOW MOM-Bücher, wertvolle Tipps für das erste Jahr mit Kind beziehungsweise für das Leben mit Kleinkindern gegeben haben, ist nun das Prequel erschienen: „WOW MOM: Der Mutmacher für deine Schwangerschaft“. Wie der Titel unschwer erraten lässt, dreht sich diesmal alles um das Thema Schwangerschaft und die beiden Autorinnen begleiten ihre schwangeren Leserinnen bei deren Fragen, Vorfreude und auch Zweifeln. (Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das Buch begleitet die schwangeren Leserinnen, nicht Lisa und Katharina persönlich.)

Unter allen Leser*innen, ob schwanger oder auch nicht, die bis Donnerstag, den 02.12., einen Kommentar unter diesem Beitrag hinterlassen, verlose ich ein Exemplar von „WOW MOM: Der Mutmacher für deine Schwangerschaft“. Rechts- und Linksweg sind wie immer ausgeschlossen, eine Auszahlung des Gewinns ist nicht möglich, alle E-Mail-Adressen werden nach Abschluss der Verlosung DSGVO-konform gelöscht, blablabla …

Lisa Harmann & Katharina Nachtsheim: WOW MOM: Der Mutmacher für deine Schwangerschaft. FISCHER Krüger Verlag. 2021. (Affiliate Link)


Alle Beiträge der Wochenschau finden Sie hier.


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48 Kommentare zu “Eine kleine Wochenschau | KW47-2021

  1. Bin sehr schwanger und noch ahnungsloser was wohl die nächsten Monate und Jahre auf mich zukommen wird, daher großes Interesse an dem Buch!
    Ansonsten lieben Dank für die sonntägliche Erheiterung :-)

  2. Einen schönen 1. Advent wünsche ich noch und nutze die Gelegenheit gleich Mal, um mich für das Farbfilm-Video zu bedanken. Die Version kannte ich noch gar nicht. Ansonsten würde ich mich auch freuen das Buch zu gewinnen.
    Viele Grüße!

  3. Ich kann die sinkende Motivation und den steigenden psychischen Stress gut nachvollziehen. Mir geht es eigentlich ganz genauso. Darum freue ich mich immer unwahrscheinlich über die Familientweets und den Wochenrückblick und Danke für deine Ehrlichkeit.
    Meine beste Freundin ist endlich schwanger und das Buch wäre ein prima Geschenk – bevor ich sie (3 Kids) mit meinen gutgemeinten, aber wahrscheinlich nervigen Tipps nerven 😄
    Einen guten Start in diese Woche

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