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30.06.2021, Santa Teresa di Gallura
Die Sonne scheint, ich sitze auf dem Balkon, trinke einen Espresso und schaue aufs Meer. In der Ferne miaut eine Katze. Klingt wie eine Mischung aus Babyweinen, Möwenkreischen und einer Polizeisirene. Vielleicht ist es eine spezielle sardische Katzenart. Oder eine Katze, die Geräusche imitieren kann. Der Michael Winslow unter den Katzen. Oder ich bin nach 20 Jahren in der Großstadt der Tierwelt so entfremdet, dass ich vergessen habe, wie sich Katzenmiauen anhört.
Egal, ich nehme noch einen Schluck Espresso und schaue aufs Meer.
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Wir bestehen den ersten Mülltest. Der Müllmann nimmt die Mülltüten ohne Beanstandung mit und wirft sie nicht zurück auf unseren Balkon. Top!
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Es ist kurz nach neun und ich jogge durch die malerische Landschaft Nordsardiniens. Rechts von mir erheben sich Hügel, die mit etwas bewachsen sind, was ich nicht benennen kann, weil mir dazu das botanische Wissen fehlt. Links von mir erstreckt sich das türkisblaue Meer. Allerdings habe ich gerade keinen Blick für die Schönheit der Natur und zwar wortwörtlich. Ein Gemisch aus Schweiß und Sonnenmilch läuft in meine Augen und ich vergieße mehr Tränen als Jack Shepherd in einer durchschnittlichen Lost-Folge. (Kleiner Insider für meine Frau.)
Mit meinem vollgeschwitzten Funktionsshirt reibe ich in meinen Augen rum. Das bringt keine Linderung, sondern verstärkt das Brennen und den Tränenfluss. Vielleicht sollte ich dieses Schweiß-Sonnenmilch-Gemisch an die Berliner Polizei verkaufen. Als umweltfreundliche Alternative zum Tränengas für die nächste Querdeppen-Demo.
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Die Bäckerei, in der ich morgens die Brötchen hole, liegt knapp 200 Meter von unserem Ferienhaus entfernt, an der steilen Via Verdi, direkt gegenüber der Kirche der Heiligen Theresa. Der Laden ist klein und urig, mit dunkelbraunen Regalen an den Wänden und einer großen Glasvitrine mit verwirrend vielen Brötchensorten. Davon geht im rechten Winkel eine weitere Theke ab, in der süßes Gebäck, zuckrige Kekse, klebrige Teilchen und kleine Küchlein ausliegen. Am Ausgang steht ein weiteres Regal mit regionalen Marmeladen- und Honigsorten sowie ein Kühlschrank mit kalten Getränken.
Detaillierter kann ich die Einrichtung und das Angebot leider nicht beschreiben, denn ich muss mich dort immer voll und ganz auf den Bestellvorgang fokussieren. Außerdem gehe ich in Berlin ja auch nicht in eine Bäckerei und sage: „Danke, ich möchte mich nur ein wenig umschauen.“
Dazu fehlt mir hier ohnehin das Vokabular. Ich könnte höchstens „Venio et video.“ sagen. Das ist Lateinisch und heißt „Ich komme und ich sehe.“ (Glaube ich zumindest.) Aber das macht nicht wirklich viel Sinn. Dann gelte ich auch schnell als dieser verstrahlte Deutsche, der immer so eine merkwürdige Phantasie-Sprache spricht, und muss mir eine neue Bäckerei suchen und das wäre doch schade.
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Unser genialer Plan vom ersten Tag, ganz viel zu besorgen, damit wir nicht so häufig einkaufen müssen, ist nur zur Hälfte aufgegangen. Da wir heute bereits zum dritten Mal in den Supermarkt gehen, können Sie sich selbst denken, um welche Hälfte es sich handelt.
Unter anderem benötigen wir neues Toilettenpapier. Als umweltbewusste Konsument:innen hatten wir uns beim letzten Mal für einlagiges Recycling-Klopapier entschieden. Das ist aber so dünn, dass du auch Seidenpapier oder gleich die bloße Hand verwenden könntest. (Falls Sie das hier beim Frühstück lesen: Es tut mir leid. Lassen Sie sich Ihr Brötchen mit Schoko-Aufstrich trotzdem schmecken.)
Nun stehe ich vor einem großen Regal mit einer unübersichtlich großen Toilettenpapier-Auswahl und kann mich nicht entscheiden. Die merkwürdigen Motive auf den Verpackungen helfen mir auch nicht weiter:
- Auf einem Paket ist ein süßer Hundewelpen abgebildet. Hundebabys sind natürlich niedlich, zum Hintern abputzen scheinen sie mir jedoch nicht besonders geeignet zu sein.
- Auf einer anderen Verpackung kuschelt sich eine kleine Comic-Frau in das Toilettenpapier, als wolle sie gleich ein Nickerchen machen. Wahrscheinlich soll das suggerieren, wie weich das Toilettenpapier ist, aber ich fände es befremdlich, mir mit dem Bettzeug der Comic-Frau den Po zu säubern.
- Eine andere Firma hält es für eine gute Idee, eine Insektenfigur – ich glaube, es ist eine Ameise – von der Verpackung winken zu lassen. Da kribbelt es nicht nur in der Poritze, sondern am ganzen Körper.
Wenn ich mir das hier so anschaue, komme ich zu dem Schluss, das italienische Toilettenpapier-Verpackungsdesigner zu viel am Textmarker schnüffeln. Fairerweise muss ich aber gestehen, dass ich nicht weiß, ob deutsche Toilettenpapier-Verpackungen besser aussehen. Zuhause kaufe ich schon seit Jahren eine Öko-Marke, auf der ein Baum abgebildet ist. Wahrscheinlich soll dir das ein Gefühl von Freiheit vermitteln, das du empfindest, wenn du in der freien Natur dein Geschäft verrichtest. Da kribbelt es dann allerdings wahrscheinlich auch in der Poritze.
Ich entscheide mich schließlich für ein Toilettenpapier, dessen Verpackung schlicht gehalten ist und das einen entscheidenden Vorzug hat: Es ist 4-lagig!
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Am Strand stehen vor unseren Handtüchern drei junge Männer, ungefähr Anfang 20, und sprechen ein paar Mädchen an. Die sind allerdings erst 14 oder höchstes 15. Die Tochter fragt sich, ob die Typen sehr schlecht im Alterschätzen oder einfach nur eklig sind. Ich werfe ein, dass sie sich vielleicht aufwärmen, um etwas später Frauen in ihrem Alter anzusprechen. Quasi ein paar Flirt-Dehnungen. Oder ein Schäker-Stretching. Die Tochter findet, das sei auch eklig.
Direkt an der Wasserlinie spielen eine Frau und ein Mann Beachtennis. Der Mann korrigiert die Frau fortwährend, sie solle den Schläger höher nehmen, mehr in die Knie gehen, weiter ausholen und besser zielen. So wie die Frau ihn anschaut, ist sie von den Trainingstipps nicht besonders begeistert. Bei der nächsten Bemerkung zimmert sie ihm wahrscheinlich eine. Mit erhobenem Schläger, aus den Knien heraus, mit weiter Ausholbewegung und perfekt gezielt.
Der Sohn und ich verbessern den Wasser-Volleyball-Rekord auf 111. Hätte die deutsche Nationalmannschaft doch nur unsere Entschlossenheit und unsere Klasse gehabt!
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Nach dem Abendessen gehen wir zu der Steilküste oberhalb des Strandes, um uns den Sonnenuntergang anzuschauen. Und um Fotos zu machen, damit wir auf unseren Social-Media-Kanälen demonstrieren können, dass wir uns den Sonnenuntergang angeschaut haben.
Wie es sich beim Beobachten von Sonnenuntergängen gehört, versichern wir uns immer wieder gegenseitig, wie wunderschön die Sonne aussieht, wie sie sich allmählich rot verfärbt und nach und nach im Meer versinkt. Der Sonne wird das irgendwann zu doof. „Leute, kriegt euch mal wieder ein, ich mache das jeden Abend. Außerdem gehe ich nicht unter, sondern die Erde dreht sich, ihr egozentrischen Trottel.“ Dann haut sie ab.
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Die Europameisterschaft ist für die deutsche Mannschaft zwar beendet, aber das heißt nicht, dass der Sportsommer keine Dramatik zu bieten hat. Ich werfe den ersten Doppelkniffel des Urlaubs und rücke bis auf neun Punkte an den erstplatzierten Sohn ran.
Vielleicht haben ARD und ZDF ja Interesse an den Live-Rechten unseres Urlaub-Kniffelturniers. Oder wenigstens DAZN.
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Als letzten Adrenalinkick des Tages gibt es eine doppelte Müllchallenge. Wir müssen sowohl Biomüll als auch das Altglas, das nur alle 14 Tage abgeholt wird, rausstellen. Morgen früh werden wir sehen, ob ich a) die Übersetzungs-App bedienen und b) den Müllkalender korrekt interpretieren kann. Es bleibt spannend. Ob ARD und ZDF vielleicht Interesse an den Live-Rechten unserer Mülltrennungsbemühungen haben? Oder wenigstens DAZN?
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Wie ich mich gerade jeden Abend freue wenn der neue Sardinienbericht online steht – beim Lesen ist es fast ein bisschen so, als wär man selbst im Urlaub 😎
ich feiere die berichte ab, hammer.
die sache mit dem toilettenpapier … ich kann ein lied davon singen.
und nebenher, die bilder auf den verpackungen, der sinn erschließt sich mir auch nicht :-).
jens