Der (fast) alljährliche Urlaubsblog. Diesmal nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Zur besseren zeitlichen Orientierung sei erwähnt, dass der Urlaub Ende Juni / Anfang Juli stattfand. Die kompletten Beiträge finden Sie hier.
Was reimt sich auf heiß? Schweiß!
7.45 Uhr. Wir sind unterwegs zum Bahnhof. Die anderen Familienmitglieder ziehen Koffer diverser Größe hinter sich her, ich bin für den großen Trekking-Rucksack zuständig, der mir seit über 20 Jahren treue Dienste leistet. Bei Trekking-Rucksack denken Sie jetzt möglicherweise, ich hätte als Student abenteuerliche Touren durch den Regenwald unternommen, wäre durch das tibetanische Hochland gereist und hätte die australischen Outbacks zu Fuß durchquert. Das entspricht aber nicht der Realität. Nicht im Geringsten. Schon mit Anfang 20 wusste ich eine behagliche Unterkunft und eine bequeme Schlafstätte zu schätzen. Mein Komfortmindestanspruch war mit Übernachtungen im Zelt und Waschgelegenheiten in einem klapprigen Holzverschlag nicht kompatibel. Das aufregendste Erlebnis, bei dem mich der Rucksack begleitete, war eine Übernachtung in einem 8-Bettzimmer eines schäbigen Student-Hostels in London. Ich schätze, dass sich in der Bettwäsche und den Matratzen mehr Lebewesen aufhielten als in der Insektenabteilung des Berliner Zoos.
(Bei dem Bild fragen Sie sich bestimmt, wie ich in diesem Aufzug überhaupt eine Unterkunft bekommen habe, und ich kann Ihnen keine Antwort darauf geben.)
Den Rucksack hatte ich mir damals zugelegt, weil ich es praktisch fand, beim Reisen die Hände frei zu haben und keinen Koffer tragen zu müssen.. (Hat nicht immer geklappt. Siehe Bild.) Mit Mitte 40 und steigendem körperlichen Verschleiß sind die Pro-Argumente für ein tonnenschweres Gepäckstück, das du auf dem Rücken tragen musst, nicht mehr ganz so überzeugend. Für die frühe Uhrzeit ist es schon ziemlich warm und drückend. Schon nach 50 Metern Fußweg schwitze ich wie bei einem Workout in einer finnischen Dampfsauna. Innerhalb von Minuten überzieht ein dünner Schweißfilm mein Gesicht, Schweißperlen tropfen von meinen Schläfen und an meinem Rücken läuft der Schweiß die Wirbelsäule hinunter direkt in die Unterhose. (Eine Information, auf die Sie sicherlich gerne verzichtet hätten, und die Bilder in Ihrem Kopf hervorruft, die Sie noch lange verfolgen werden.)
Ausgehend von meinen Achseln bilden sich großflächige Schweißflecken auf meinem schwarzen T-Shirt aus und der Geruch, den ich allmählich verströme, würde selbst bei brünstigen Moschusochsen Atemnot hervorrufen. Ich bin gleich im Zug definitiv der Typ, neben dem niemand sitzen will. (Meine Familie eingeschlossen.)
The (un)masked traveller
Für die rund sechsstündige Zugfahrt hätte ich gerne ein 6er-Abteil reserviert. Gab es aber nicht. Normalerweise wäre mir das egal, denn ich bin eigentlich kein großer Fan von 6er-Abteile. Du hast wenig Beinfreiheit, kannst dein Gepäck kaum verstauen und sitzt auf engstem Raum mit wildfremden Menschen, die im schlimmsten Fall eine Unterhaltung anfangen wollen. Alles Faktoren, die ein 6er-Abteil so attraktiv wie eine Koloskopie ohne Betäubung machen. Aber in Zeiten von Corona wäre so ein Abteil für uns schon schön gewesen. Wahrscheinlich hätte sich keiner zu uns setzen wollen – vor allem nicht zu einem verschwitzten, bärtigen Typen –, und wir, unser Gepäck und unsere Viren hätten unter uns bleiben können.
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Der Zug ist zum Glück aber nur zur Hälfte besetzt, so dass uns die Aerosole der Mitreisenden nicht zu nahe kommen sollten. Es tragen auch alle brav Masken und sogar über Mund und Nase. Das korrekte Maskenanlegen klappt ja nicht immer bei allen. Dabei weist der Name doch schon darauf hin. Die Dinger heißen ja Mund-Nase-Masken und nicht Labberig-über-dem-Mund-und-unter-der-Nase-Maske. Das würde auch nichts bringen, denn eine Maske, die die Nase nicht bedeckt, bietet ungefähr so viel Schutz wie ein Kondom, das du dir über die Hoden ziehst.
Einen Maskenverweigerer gibt es aber doch. Zwei Reihen schräg vor mir sitzt ein Typ und isst ein monströses Baguette, aus dem bei jedem Bissen große Mengen Mayonnaise rausquellen. Nun ist es natürlich nicht möglich, während des Essens eine Maske zu tragen, und das ist auch ausdrücklich erlaubt. Der Drosten in mir fragt dennoch, ob es nicht möglich gewesen wäre, Zuhause zu frühstücken, anstatt jetzt im Zug die anderen Mitreisenden mit deinen Viren zu belästigen. War es ihm anscheinend nicht, denn nun widmet er sich erstmal einem bröseligen Franzbrötchen.
Nachdem er die Nahrungsaufnahme beendet hat, hackt der Mann wichtige Sachen in seinen Laptop. Seine Maske hängt dabei lässig um seinen Hals, dazu niest, hustet und prustet er in einer Tour. Selbstverständlich nicht in die Ellenbeuge, sondern in die Hand. Anscheinend ist der Typ so socially distanced, dass es ihm scheißegal ist, eine wandelnde Virenschleuder und ein Gesundheitsrisiko für seine Mitmenschen zu sein. Ich bin genervter, als ich es eigentlich sein will, und obwohl ich prinzipiell ein Befürworter der gewaltfreien Kommunikation bin, juckt es mich in den Fingern, mit ein paar Ohrfeigen die grundlegenden Corona-Hygienemaßnahmen bei ihm aufzufrischen. Da ich dazu aber die 1,50-Meter-Abstandsregel brechen müsste, lasse ich es bleiben. (Dass der Typ 1,95 groß und 100 Kilo schwer ist, könnte auch eine Rolle spielen.)
(Im Sinne der Gender-Gerechtigkeit sei erwähnt, dass ab Hamburg auf dem Zweier-Platz im Gang neben mir eine Frau sitzt, die es auch nicht so mit dem Masketragen hat und nur, wenn die Schaffnerin vorbeikommt, hastig ihren Schal über Mund und Nase zieht. Corona-Ignoranz kennt anscheinend kein Geschlecht.)
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Aber ich will hier nicht den Mecker-Onkel geben. Anstatt immer über die zu schimpfen, die sich nicht an die Hygieneempfehlungen halten, solltest du dich lieber über die vielen Reisenden freuen, die willens sind, eine Maske zu tragen, und sogar in der Lage, sie korrekt anzulegen. Das Masken-Glas ist ja 90 Prozent voll und nur 10 Prozent leer! Ohnehin ist es ja viel besser, sich im Leben auf das Positive zu konzentrieren und nicht immer über das Negative zu klagen. Die Tochter würde jetzt sagen, dass sei halt eine ziemlich privilegierte Position und typisch für einen alten, weißen Mann. (Unverschämterweise würde sie dabei nicht einmal Anführungszeichen bei dem Wort alt verwenden.) Damit hat sie zwar nicht ganz Unrecht, aber trotzdem ist es gut für die mentale Gesundheit, die Dinge, die gut laufen, hervorzuheben. Das verhindert dann auch Magengeschwüre, die bei alten, weißen Männern ohnehin schon überdurchschnittlich häufig vorkommen.
Persönlich muss ich sagen, dass das stundenlagen Maskentragen gar nicht so schlimm ist, wie ich befürchtet hatte. Ich bekomme zwar ein bisschen schlechter Luft und es ist etwas feucht-warm darunter, aber eigentlich ist das ein Luxusproblem und immer noch angenehmer als am Beatmungsgerät angeschlossen zu sein. Die Gummibänder der Maske sitzen bei mir allerdings nicht ganz optimal und knicken meine Ohren ein. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sich mein Goofy-Look irgendwann schon wieder zurückbilden wird. Vielleicht 2023, wenn es endlich einen Corona-Impfstoff gibt.
Einen wirklich großen Nachteil hat das Maskentragen allerdings doch: Es ist nahezu möglich die Gespräche der anderen Reisenden mitzuhören. Möglicherweise denken Sie sich jetzt, dass es ja auch ziemlich unhöflich ist, andere zu belauschen. Hinter mir sitzt aber ein älteres Ehepaar, bei dem ich sicherlich die ein oder andere Anekdote, eine wertvolle Lebensweisheit oder irgendein Bonmot hätte aufschnappen können, die dem Blogpost etwas Pepp verleihen würden. (Das wäre sicherlich auch in ihrem Sinne.) Hinter ihren Masken vernehme ich aber nur ein unartikuliertes Gemurmel, als hätten sie ein Wollknäuel im Mund. So muss es sich anhören, wenn Til Schweiger Selbstgespräche führt.
Essen auf Fähren
Apropos auf das Schöne konzentrieren: Auf der Fähre nach Föhr können wir uns maskenlos aufs Oberdeck setzen und endlich etwas essen. Für den Zug hatte die Frau zur Wahrung der Maskenpflicht ein striktes Essensverbot ausgesprochen. Das Wohl der Mitreisenden steht für sie über ihrem eigenen Wohl. Und das ist eine sehr löbliche Einstellung. Allerdings steht für sie das Wohl der Mitreisenden auch über dem Wohl ihrer Familie. Mir hatte schon in Berlin-Spandau der Magen geknurrt. Ich bin als regelmäßiger Bahnreisender nun mal so konditioniert, dass du bei einer Zugreise innerhalb der ersten Viertelstunde deine kompletten Essensvorräte verputzt und dabei dein eigenes Lebendgewicht in Form von Stullen, Keksen, Gummibärchen und Chips zu dir nimmst. Lediglich in Itzehoe, wo es einen kurzen Aufenthalt gab, konnte ich würdelos ein halbes Sandwich verschlingen.
Nun widmen wir uns mit Heißhunger unserem Proviant. Dabei weht uns der Wind um die Ohren, und wir genießen den schönen Ausblick Richtung Föhr. Herrlich!
Für die anderen Passagiere um uns herum ist die Aussicht nicht ganz so schön, müssen sie doch dabei zusehen, wie eine vierköpfige Familie innerhalb von 120 Sekunden einen Laib Toastbrot inhaliert. Wenn Sie auf dem Discovery Channel mal eine Tier-Doku gesehen haben, in der ein Rudel Löwen ein Gnu erlegt, und die dann in Zeitluppe zeigt, wie die Löwen immer wieder ihre scharfen Zähne in das bedauernswerte Tier rammen, um große Fleischstücke herauszureißen und zu verschlingen, haben Sie eine ungefähre Vorstellung, welches Schauspiel wir auf der Fähre bieten. (Auf diesem Wege möchte ich mich in aller Form bei den Eltern, die hinter uns saßen entschuldigen, deren beiden kleinen Jungs wir mit unserem Essverhalten wahrscheinlich traumatisiert haben. Es tut uns wirklich, wirklich leid!
My Ferienwohnung is my castle
Sie stimmen mir sicherlich zu, dass eine gute Unterkunft eine wichtige Voraussetzung für einen entspannten und erholsamen Urlaub ist. Daher haben wir die gleiche Ferienwohnung wie vor zwei Jahren angemietet. Einerseits, weil das einfach und bequem war, aber vor allem, weil die Wohnung einige Vorzüge zu bieten hat:
- Die fußläufige Nähe zum Strand erfreut die Kinder, denn im Teenageralter stellen Strecken über 500 Metern, die zu Fuß zurückgelegt werden müssen, eine inakzeptable geradezu unmenschliche Zumutung dar. Etwas, das mit Sicherheit gegen die UN-Kinderrechtskonvention verstößt.
- Der Geschirrspüler erfreut wiederum die Eltern, denn was nützt dir die ganze Erholung und Entspannung tagsüber am Strand, wenn diese sich abends aus dem Staub macht, weil du dein Geschirr mit der Hand abwaschen musst. Okay, das ist ein First-World-Problem, aber ein Geschirrspüler gehört nun mal inzwischen auch zu meinem Mindestkomfortanspruch. (Die Tochter murmelt jetzt beim Lesen bestimmt wieder etwas von den Privilegien des alten, weißen Mannes und benutzt immer noch keine Air Quotes für das Wort „alt“, ist aber insgeheim auch froh, nicht abtrocknen zu müssen.)
- Die für Föhrer Verhältnisse relativ günstige Miete erfreut schließlich die Urlaubskasse und damit die ganze Familie. Denn je weniger du für die Ferienwohnung bezahlen musst, umso mehr Geld hast du, um Eis zu kaufen. Und das ist ebenfalls eine wichtige Voraussetzung für einen entspannten und erholsamen Urlaub.
Gute Nacht!
Unser tägliches Kniffel-Spiel gib uns heute
Da die Tochter nach einer Woche zurück nach Berlin fährt, geht die Kniffel-Challenge nur bis zum siebten Urlaubstag. Der Start ist für die Eltern hoffnungsvoll, die Tochter, die bereits dreimal die Kniffel-Challenge gewonnen hat, lässt es erstmal ruhig angehen.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
„Anscheinend ist der Typ so socially distanced, dass es ihm scheißegal ist, eine wandelnde Virenschleuder und ein Gesundheitsrisiko für seine Mitmenschen zu sein.“ 😂😂😂
Ob die Strandkörbe wohl weiter auseinander stehen und es somit weniger Anekdoten der Miturlauber geben wird? Das masketragende, ältere Ehepaar lässt mich ungutes ahnen 🧐
Till Schweiger Selbstgespräche