Teil 1: Januar – März
Teil 2: April – Juli
Teil 3: August – Dezember
April
02. Der Eltern-Einsatz beim Home-Schooling ist größer als gedacht. Drucke jeden Morgen Arbeitsblätter im Umfang der Encyclopedia Britannica aus. Wenigstens werde ich nicht nach Integralfunktionen und unregelmäßigen Verben gefragt.
05. Wir haben eine neue Tradition. Backe jetzt sonntags zum Frühstück immer Pancakes. Irgendwoher müssen die Glückshormone ja kommen.
08. Damit wir uns während des Lockdowns zu Hause alle fit halten können, bestellen wir ein Rudergerät. (Spoiler 1: Ich werde der Einzige sein, der es regelmäßig benutzt.) (Spoiler 2: Wenn meine Frau dies liest, wird sie sagen: „Das stimmt doch gar nicht!”)
11. Die Frau hat sich ein Puzzle gekauft. Ein komplett schwarzes Motiv mit 1.000 Teilen. Anscheinend geht der Lockdown nicht spurlos an ihr vorüber.
20. Die Schulschließung wird verlängert. Der Sohn freut sich. Er genießt die Vorzüge, die das Home-Schooling mit sich bringt. Ausschlafen, mit Freunden chatten oder zocken, zwischendurch chillen und abends spät ins Bett, ist ganz nach seinem Geschmack. Nur die Schulaufgaben nerven.
21. Unsere Kniffel-Challenge wird ebenfalls verlängert. Der Sohn freut sich nur mäßig; er ist Letzter. Um alle bei Laune zu halten, habe ich einen Pokal in der Größe des Champions-League-Pokals bestellt. Anscheinend geht der Lockdown auch an mir nicht spurlos vorüber.
24. Die Lehrer nutzen zunehmend die pädagogischen Möglichkeiten der Digitalisierung. Die Kinder müssen jede Woche mehrere Videos, Podcasts und Präsentationen erstellen, meiner Frau und mir werden die Rollen der Kamera- und Ton-Leute, Co-Regisseure und Grafik-Designer zugewiesen. Das ist wahrscheinlich dieses lebenslange Lernen.
30. Wir nutzen die Zeit daheim nicht nur zum Spielen, sondern auch für regelmäßige Familienfilmabende. Im ersten Lockdown-Monat schauen wir Harry Potter. Irgendwie haben die Pandemie und der Lockdown auch etwas Magisches. Die Leute backen ihr eigenes Brot, lernen Fremdsprachen, geben Hofkonzerte und abends wird auf dem Balkon für all die Systemrelevanten geklatscht, die keine Zeit zum Brotbacken, Vokabelbüffeln und Musizieren haben.
Mai
03. Zum Leidwesen des Sohns werden die Schulen ab morgen wieder geöffnet. Damit die Klassenzimmer nicht zu voll sind, gibt es ein Teilungssystem, das so komplex ist, dass du mehrere Jahre in einem internationalen Logistikunternehmen gearbeitet haben musst, um es zu verstehen. Der Sohn, der sonst Schwierigkeiten hat, sich zu merken, welche Fächer er heute hat, weiß trotzdem immer, wann er in die Schule muss. Und vor allem, wann er nicht in die Schule muss.
04. Wir beenden unsere Kniffel-Challenge. Nach 50 Tagen. Die Tochter gewinnt, was ihr enthusiastischen Jubel auf meinem Instagram-Account einbringt. Der Sohn wird Letzter, was ihm enthusiastische Solidaritätsbekundungen auf meinem Instagram-Account einbringt. Auch die Frau konnte eine beachtliche Fangemeinde auf meinem Instagram- Account um sich scharen. Ich dagegen werde weitestgehend mit Ignoranz und Missachtung bedacht. Auf meinem eigenen Instagram-Account. Mit über 9.000 Follower:innen. Schönen Dank auch!
11. Bestelle mir einen neuen Jogginganzug. Wer viel Daheim ist, sollte auch bequeme Kleidung tragen. Somit ist es eigentlich eher ein Hausanzug, aber das klingt irgendwie nach vor sich dahinsiechendem Altersheimbewohner. Daher möchte ich die Bezeichnung Jogginganzug beibehalten.
18. Mehr als acht Wochen Hygiene-Maßnahmen hinterlassen allmählich ihre Spuren. Durch das ständige Händewaschen und Desinfizieren sind unsere Fingerknöchel so rau, dass wir sie beim „Happy Birthday“-Singen als Percussion-Instrumente benutzen können.
31. Diesen Monat haben wir uns bei unseren Filmabenden den Avengers gewidmet. Anscheinend haben wir eine Sehnsucht nach Superhelden, die die Welt retten. So lange wir aber keinen Iron Man und keine Captain Marvel haben, müssen es halt Christian Drosten und Angela Merkel richten.
Juni
15. Wir haben unseren ersten Zoom-Elternabend. Und hoffentlich auch unseren letzten. Nervige Fragen von Eltern werden nicht weniger nervig, wenn du dabei ihre hässliche Wohnungseinrichtung siehst.
22. Die Corona-Pandemie wird für mich immer haariger. Und zwar wortwörtlich. Vor circa 20 Wochen war ich das letzte Mal beim Friseur. Das Gute daran: Meine Haare sind so lang, dass ich meine eigene Frisierpuppe bin und mir lustige Frisuren kämmen kann. Das Schlechte daran: Meine Haare sehen aus, als hätte sich auf meinem Kopf ein altersschwaches Tier in der Räude zum Sterben abgelegt.
26. Wir machen Familienurlaub auf Föhr. Die Strände sind groß genug, dass wir immer ausreichend Abstand zu den anderen Urlaubenden halten können. Auch in Nicht-Pandemie-Zeiten ein nicht zu unterschätzendes Qualitätskriterium für einen Urlaubsort.
Juli
15. Das Einkaufen wird immer anstrengender, weil die Menschen immer sorgloser werden. Beim Anblick von Nasen, die über der Maske rausschauen, entwickle ich regelrechte Gewaltphantasien. Und im Supermarkt wird kaum noch der anderthalb Meter Sicherheitsabstand eingehalten. Habe im Internet gelesen, dass ein Löwe gut anderthalb Meter lang ist. Ich wünsche mir zum Geburtstag einen Abstandshalter-Löwen fürs Einkaufen. (Spoiler: Ich bekomme keinen Abstandshalter-Löwen zum Geburtstag.)
31. Filmisch sind wir inzwischen bei den X-Men angekommen. Wir sehnen uns immer noch nach Superhelden, aber sie werden düsterer. Und haben Anger-Management-Probleme.
Teil 1: Januar – März
Teil 2: April – Juli
Teil 3: August – Dezember
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)