Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
06. Januar 2022, Stockholm
Die Tochter und ich beginnen den Morgen mit einem Corona-Selbsttest. Sie fallen beide negativ aus. Dass war nach unserer gestrigen fünfstündigen maskenlosen Zugfahrt durch halb Schweden nicht unbedingt zu erwarten. Anscheinend sind wir so immun, dass wir auch nach Wuhan reisen und auf Tiermärkten Fledermäusen die Köpfe abbeißen könnten, ohne dass uns etwas passiert.
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Als erstes muss die Tochter zur Universität, um sich im Studenthuset eine Identifikationsnummer zu holen, die sie für die Registrierung bei ihren Kursen braucht. Aus unerklärlichen Gründen, die wahrscheinlich nicht einmal der Universitätsverwaltung bekannt sind, kann diese Nummer nicht digital zur Verfügung gestellt werden, sondern ist zwingend persönlich zu erfragen.
Wir beschließen, die knapp fünf Kilometer zur Uni zu laufen, denn es ist ja immer gut, eine Stadt zu Fuß zu erkunden. Minus sieben Grad, die sich wegen des Windes wie minus zwölf anfühlen, mindern den Vergnügungsfaktor unseres Entdeckungsspaziergangs allerdings ein ganz klein wenig.
Wenn du dich in einer fremden Stadt bewegst, möchtest du selbstverständlich ungern als Tourist auffallen. Das gelingt uns auch ganz gut, weil wir nicht mit Stadtplan in der Hand, Brustbeutel und Fotoapparat um den Hals und Deutschlandkäppi auf dem Kopf rumlaufen. Unsere Lässigkeit vortäuschende Tarnung fliegt aber doch auf, als wir an der ersten Fußgängerampel zu lange überlegen, welchen Knopf wir drücken müssen, während die Einheimischen alle bei Rot die Straße überqueren.
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Es ist ungefähr 11 Uhr und die Straßen sind fast menschenleer. Fast schon unnatürlich leer. Anscheinend haben es die Schweden zwar nicht so mit dem Maskentragen, bleiben dafür aber epidemiologisch vorbildlich zuhause. Sehr löblich. Vielleicht verlässt aber auch niemand das Haus, weil eine Zombieapokalypse unmittelbar bevorsteht. Oder ein schwedischer Purge.
Wie so oft, schreibt das Leben aber doch nicht die besten Geschichten – ihm fehlt einfach der Sinn für Dramatik, Plotentwicklung und interessante Charaktere –, sondern die Erklärung ist viel banaler. In Schweden ist heute Feiertag. Trettondedag jul. Deswegen stehen wir auch nach unserem einstündigen Fußmarsch vor einem verschlossenen Studenthuset und müssen unverrichteter Dinge wieder abziehen. Aber wenigstens habe ich schon um 11.30 Uhr mein Tagesziel von 10.000 Schritten erreicht.
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Nachmittags schauen wir uns noch mehr von Stockholm an. Wir laufen an der königlichen Oper und am Reichstag vorbei – von Greta keine Spur, die kommt erst morgen wieder –, passieren das Museum Tre Kronor und schlendern durch die pittoreske Altstadt mit seinen Fachwerkhäusern, engen Gassen und zahlreichen kleines Cafés. (Und mit zahlreichen Andenkenläden, die allesamt versprechen, die besten Souvenirs in ganz Stockholm anzubieten.) Anschließend laufen wir bis zum Stadtteil Södermalm, der von Visit Sweden als einer von Stockholms „hottest neighborhoods“ mit einer „relaxed, creative and trendy“ Atmosphäre angepriesen wird, flanieren noch ein wenig ziellos durch die Straßen, bis wir schließlich wieder bei unserem Hotel sind.
Die Tochter und ich sind beide von der Stadt begeistert. Von den beeindruckenden herrschaftlichen Gebäuden, von den engen verwinkelten Gässchen, von den kleinen Läden, Coffee Shops und gemütlichen Kneipen, von den Altbauten ebenso wie von den neueren stilvollen Wohnhäusern, von dem vielen Wasser und von den zahlreichen Grünanlagen. Stockholm scheint wirklich sehr viel Lebensqualität zu bieten. Zumindest wenn du genügend Geld hast und es dir leisten kannst, hier zu wohnen.
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Abends nähern wir uns den kulinarischen Gepflogenheiten Schwedens. Wir essen Pizza. Zu einem fürstlichen Preis. Einem sehr fürstlichen Preis.
Die Preise in Schweden sind ohnehin recht gewöhnungsbedürftig. Da zehn schwedische Kronen ungefähr einem Euro entsprechen, hast du an der Kasse immer das Gefühl, gerade einen Kleinwagen erworben zu haben. Aber auch in Euro umgerechnet sind die Preise immer noch ziemlich hoch, weil die Lebenshaltungskosten in Schweden höher sind.
Daher weiß ich beim Bezahlen nicht, ob unsere Pizza normal schwedisch teuer ist oder es sich auch für hiesige Verhältnisse um einen unverschämten Wucherpreis handelt. Dafür schmeckt die Pizza aber sehr lecker. (Unter Umständen reden wir uns das auch nur ein, weil wir für den gleichen Preis auch im Adlon hätten brunchen könnten.)
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
Ich weiß nicht ob das hilfreich ist, aber für einen recht leckeren Burger mit Pommes in einem Einkaufszentrum in Göteborg haben wir anfang November unter 150 Kronen bezahlt.