Eine kleine Wochenschau | KW01-2022 – Stockholm Edition (1/5)

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


03. Januar 2022, Berlin

Trage heute eine alte, eigentlich schon ausrangierte Unterhose, meine nur zweitliebste Jogginghose und ein T-Shirt, das ich eigentlich nur im Sommer anziehe. Meine etwas ungewöhnliche Kleidungswahl, die meinen Mitmenschen wahrscheinlich gar nicht als ungewöhnlich auffällt, sondern als „wie immer“, das heißt, „stark verbesserungswürdig“, hängt damit zusammen, dass ich den Großteil meiner anderen Klamotten schon verpackt habe. Übermorgen fahren die Tochter und ich nach Stockholm, um Zimmer für sie zu besichtigen, bevor am 17. Januar ihr Studium dort beginnt.

Es fühlt sich etwas merkwürdig an, in Zeiten von Corona durch Europa zu touren, aber als sich die Tochter im Spätsommer für die Studienkurse in Schweden beworben hatte, sah es so aus, als könnten wir diese nervige Pandemie allmählich im Griff haben. (*Die Omnikron-Mutante lacht Tränen, klopft sich auf die Schenkel und verschwindet nach Luft schnappend, um Menschen zu infizieren.*) Nun können wir schlecht das Studium der Tochter absagen, sondern werden uns geboostert auf den Weg nach Schweden machen.

Warum sich die Tochter für Schweden entschieden hat, können wir gar nicht genau sagen. Letztes Jahr im Sommer hatte sie auf Netflix die schwedische Serie Young Royals weggebinged, aber sie weist entschieden zurück, dass das irgendetwas mit ihrer Studienortwahl zu tun hat. Sie reagiert sogar äußerst unwirsch, wenn meine Frau oder ich da einen Zusammenhang herstellen. Deswegen traue ich mich auch nicht, sie zu fragen, ob wir sie vielleicht schon in frühester Kindheit inspiriert haben, weil wir ihr regelmäßig Pippi Langstrumpf, Wir Kinder aus Bullerbü, Lotta aus der Krachmacherstraße und all die anderen Astrid-Lindgren-Klassiker vorgelesen haben. (Außer Karlsson vom Dach, den fanden sowohl meine Frau als auch ich gemein und fies.)

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Da weder die Tochter noch ich große Fans des Fliegens sind und um unser Öko-Gewissen zu beruhigen, fahren wir mit dem Zug nach Stockholm. Das Kaufen der Tickets erwies sich als unerwartet herausfordernd. Jedes Mal, wenn ich auf den Seiten der Deutschen Bahn den Buchungsvorgang abschließen wollte, wurde mir mitgeteilt, dass es für den Zug in Dänemark keine Platzreservierung gäbe – eine Vorgabe der dänischen Corona-Politik – und ich solle eine andere Verbindung auswählen. Dafür musste ich alle Reise- und Personendetails neu eingeben, nur damit mir die Website wieder mitteilen konnte, dass der Zug nach Kopenhagen ausgebucht sei.

Schließlich kaufte ich die Tickets für den skandinavischen Teil unserer Reise bei einer schwedischen Zuggesellschaft. Da die Biljetts komplett in Schwedisch sind, hoffe ich einfach, dass es echte Fahrkarten sind und ich nicht einem Scam aufgesessen bin und 700 Kronen für Phantasie-Fake-Tickets ausgegeben habe.

Wenigstens die Hotelsuche verlief vollkommen problemlos. Nach einer kurzen Recherche fand ich ein günstiges Hotel in Bahnhofsnähe. „Günstiges Hotel in Bahnhofsnähe“ hört sich zwar erstmal nach billigem Stundenhotel mit fragwürdigen Hygienestandards an, aber auf der Webseite sahen die Zimmer sehr nett aus. Oder das Hotel hat einen sensationell guten Fotografen und es ist doch ein Stunden-Etablissement mit fragwürdigen Hygienestandards.

04. Januar 2022, Berlin

Meine Frau ist in den letzten Tagen sehr traurig, dass die Tochter weggeht und nie wieder richtig bei uns wohnen wird. Ihre Trauer kompensiert sie, indem sie eifrig und mit detaillierten Zeichnungen plant, wie das Zimmer des Sohns neu eingerichtet werden kann, nachdem er das Zimmer seiner Schwester übernommen hat. Von außen könnte der Eindruck entstehen, meine Frau könne es gar nicht erwarten, bis die Tochter auszieht, aber ich kann Ihnen versichern, dies ist nicht der Fall. Wir freuen uns ja auch nicht jetzt schon darauf, dass der Sohn in ein paar Jahren auszieht, aber sein neues Zimmer haben wir trotzdem bereits als Lese- und Moviezimmer verplant.

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Am späten Nachmittag gehen die Tochter und ich ins Testzentrum, weil wir für die Einreise nach Schweden ein negatives Testzertifikat vorweisen müssen. Der junge Mann an der Registrierung erkundigt sich, wohin unsere Reise hingeht. Auf meine Antwort „Stockholm“ erwidert er, da sei es doch viel zu kalt. Ich stimme ihm prinzipiell zu, erkläre aber, dass die Tochter zum Studium dorthin fährt. Er freut sich für sie und fragt interessiert nach, was sie genau studieren wird, bevor er uns zum Testen schickt.

Nach einer Viertelstunde erhalten wir unser zertifiziertes negatives Testergebnis. Zum Abschied sagt der junge Mann zur Tochter: „Viel Spaß in Schweden und pass gut auf dich auf. Und vergiss’ uns nicht und komm’ wieder zurück.“ Ich hätte es nicht besser sagen können!


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63 Kommentare zu “Eine kleine Wochenschau | KW01-2022 – Stockholm Edition (1/5)

  1. Ahhhh, Schweden! ♥️ Als unsere Tochter vor 2,5 Jahren nach Uppsala ging, dachten wir, sie kommt wieder, also …. Die arbeitet jetzt im Norden Stockholms bei einem großen IT Konzern


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