Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
29. Juli 2024, Berlin
Unerfreulicher Start in den Tag. Ich habe Geburtstag, ohnehin nicht gerade mein liebster Tag im Jahr. Das ist jedoch nicht der Grund für meine Missstimmung. Aber ich kann nicht in die Küche, wo mein Geburtstags-Überraschungstisch gerichtet ist, und damit ist mein Zugang zur Kaffeemaschine abgeschnitten. Da reicht es für den 29. Juli auf der Lieblingstag-Rangliste nur zu einem Platz weit hinten. Ich muss meine Frau bitten, mir einen Kaffee zu machen, sie bringt mir einen doppelten.
Später bekomme ich einen mehrstöckigen Käsekuchen, was mich mit dem Tag ein wenig versöhnt.
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Nach und nach trudeln Geburtstagswünsche ein. Ein Bekannter schickt mir ein Käsekuchen-Haiku, den Chat GPT geschrieben hat:
Goldene Kruste,
süße Füllung, sanft und weich,
Glück in jedem Biss.
Großartig. Das bringt mich auf eine grandiose Backbuch-Idee: „99 Kuchen-Haikus“. Nun muss ich nur noch 99 Kuchenrezepte recherchieren. Mein Bekannter meint, Chat GPT könne doch die Suche übernehmen.
Ich sollte auf ihn hören, denn er scheint ein wahrer Experte auf dem Gebiet zu sein. Kürzlich hat er sich von Chat GPT ein Kinderlied zum Thema „qualifizierte Mehrheitsentscheidungen in der EU“ komponieren lassen. Ich finde das gut, wenn wir die Künstliche Intelligenz mit solchen Aufgaben ablenken und dadurch davon abhalten, die Weltherrschaft zu erobern.
30. Juli 2024, Berlin
Marcel, der Straßen-Punk, und sein obdachloser Kollege haben sich für ihr Tages-Camp heute nicht die Fläche vis-a-vis von unserem Schlafzimmerfenster ausgesucht, sondern sie schlagen ihr Lager ungefähr 30 Meter entfernt vor dem Eingang der Caritas auf. Ich frage mich, ob wir etwas falsch gemacht haben, dass sie sich bei uns nicht mehr wohlfühlen.
Später beobachte ich Marcel, wie er auf dem Platz gegenüber von uns in die Büsche uriniert. Hoffentlich erinnert er sich in den nächsten Tagen daran und richtet seinen Schlafplatz nicht an dieser Stelle ein.
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Werbepause beim ZDF-Olympia-Sportstudio. Günther Jauch tritt in einem Spot eines großen Versicherungskonzerns auf. Da wir nie „Wer wird Millionär?“ schauen, habe ich ihn schon lange nicht mehr gesehen. Ich finde, er ist alt geworden.
Das ist mir ohnehin regelmäßig bei den Olympia-Übertragungen aufgefallen. Dass alle irgendwie alt ausschauen. Jochen Breyer hat Falten um die Augen, Katrin Müller-Hohenstein ohnehin. Die Reporterin, die beim Schwimmen die Interviews am Beckenrand führt, hatte ich auch jünger in Erinnerung. Angelique Kerber merkt man die 36 Jahre ebenfalls an. Allerdings hat sie gerade fast drei Stunden Tennis bei über 35 Grad gespielt. Selbst Simone Biles sieht nicht mehr aus wie ein Teenager. Was daran liegen könnte, dass sie inzwischen 27 ist.
Vielleicht hat das mit meinem gestrigen Geburtstag zu tun, dass ich so sensibel für die Zeichen des Älterwerdens bin. Außerdem wird es mit Ende 40 langsam eng für meine mögliche olympische Karriere. Dressurreiten ginge noch, aber dafür fehlt mir das Pferd, beim Schießen mangelt es mir neben den notwendigen Schusswaffen an Treffsicherheit. Im Tischtennis tritt eine 58-jährige Chinesin für Chile an. Ich fürchte allerdings neun Jahre Tischtennis-Training reichen nicht, um mich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Nicht einmal für das chilenische Team.
31. Juli 2024, Berlin
Will morgens in die Familien-WhatsApp-Gruppe schreiben: „Bin kurz draußen zum Laufen.“ Die Autokorrektur schlägt vor: „Bin kurz draußen zum Lachen.“ Entscheide mich trotzdem für meine ursprüngliche Formulierung, denn ich lache nur sehr selten laut. Nicht einmal drinnen. Auch nicht im Keller.
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Der XING-Führungskräfte-Newsletter, von dem ich nicht weiß, warum ich ihn bekomme, teasert einen Artikel an: „Halt, stopp! Jetzt rede ich! Wie du Reinschwätzer richtig konterst.“ Frage mich, ob die Tipps auch bei nervigen Verwandten auf Familienfeiern funktionieren.
01. August 2024, Berlin
Die Tochter und C. sind gestern nach Kiel gefahren. Dort bekommen sie die Schlüssel für ihre neue Wohnung. Die Kisten und Kartons werden nächste Woche nachgeschickt.
Ich kann nun wieder in mein Arbeitszimmer und sitze das erste Mal seit zweieinhalb Monaten an meinem Schreibtisch. Ein ungewohntes Gefühl. Kurz vor acht duscht die Nachbarin aus dem Hinterhof. Da fühle ich mich gleich heimisch.
02. August 2024, Berlin/Kiel
Machen uns kurz nach halb sieben auf in Richtung Kiel, um dort beim Einziehen und Einrichten zu helfen. Im ICE am Tisch schräg vor uns sitzt ein älteres Ehepaar mit ihren zwei Enkeln, schätzungsweise neun und zwölf. 20 Minuten vor der Ankunft im Hamburger Hauptbahnhof will die Oma zusammenräumen und zur Tür gehen. Dem Opa ist das aber zu früh. Er bleibt sitzen und lässt seine Frau die schweren Koffer von der Gepäckablage heben. Sie wirft ihm einen eisigen Blick zu. Ich glaube, wenn sie die Möglichkeit hätte, sich hier an Ort und Stelle spontan scheiden zu lassen, würde sie davon Gebrauch machen.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)