Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
26. Juli 2021, Berlin
Die 13-jährige Japanerin Momiji Nishiga gewinnt olympisches Gold im Street-Skateboarden. Wahnsinn! Als ich 13 war, habe ich überlegt, ob ich nicht mal langsam die Stofftiere aus meinem Bett schmeißen sollte und ob das Sammeln von TKKG-Cassetten in meinem Alter noch sozial akzeptiert oder vollkommen uncool ist.
(Spoiler Alert: Es ist vollkommen uncool und du punktest auf keinen Fall bei Nina aus der 8b, wenn du sie fragst: „Hast du Lust, mit mir Mordkomplott im Luxus-Klo zu hören?“)
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Nachdem unsere Spülmaschine letzte Woche kaputt gegangen ist, haben meine Frau und ich uns überlegt, dass wir gleich die ganze Küche renovieren und erneuern könnten. (Ein Indiz dafür, dass mit zunehmendem Alter nicht unbedingt Weisheit einhergeht.)
Als demokratisch gesinnte Eltern fragen wir die Kinder, ob sie bestimmte Wünsche für die neue Küche hätten. Die Tochter meint, sie ziehe sowieso bald aus und da sei ihr das egal und der Sohn hat auch keine Präferenzen. Wahrscheinlich wollen sich die beiden auch nicht finanziell an der neuen Küche beteiligen. Verdammt.
27. Juli 2021, Berlin
Heute ist Geh-mit-deiner-Hose-spazieren-Tag. Hört sich kurios an, aber nach anderthalb Jahren Pandemie, Lockdown und Social Distancing schadet es nicht, die Menschen daran zu erinnern, dass du nicht ohne Hose spazieren gehen sollst.
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Olympische Spiele bedeutet auch, dienstags um 13 Uhr vor dem Fernseher zu sitzen und Dressurreiten zu schauen. Ich frage mich, ob die Pferde daran Spaß haben. Da könntest du ein Wildpferd sein, mit wehender Mähne über die Weiten der Prärie galoppieren und die endlose Steppe genießen, aber nein, das Schicksal oder der Pferdegott hat entschieden, du musst mit einer verarmten Landadeligen auf dem Rücken durch ein abgestecktes Viereck tänzeln und hüpfeln und dir dann von ein paar vergreisten Kampfrichter:innen sagen lassen, ob du anmutig und graziös genug warst. Schönen Dank auch.
Aber Carsten Sostmeier, der für die ARD das Dressurreiten kommentiert, ist großartig. Bei ihm klingt das weniger nach Sportberichterstattung, sondern wie die gehauchte Beschreibung einer Ballettaufführung, die in einem Ölgemälde festgehalten wurde. Es wäre schön, Carsten Sostmeier beschriebe meine morgendlichen Laufrunden:
„Vom Start weg macht sich Christian Hanne groß und zeigt, welche Bewegungsdynamik in ihm vorhanden ist. Diese zelebriert er gleich mit großer Schubkraft aus der Wade in zügigem Trab bei gleichzeitig eleganter Feinheit in der Schulter.
Schauen Sie ihm ins Gesicht: Die Ohren gespitzt – er hat einen zufriedenen Gesichtsausdruck – nur ein bisschen Schaum im Mund und das spiegelt sich in seinem ganzen Auftritt wider. Diese Lockerheit, diese Entspanntheit und doch diese große Aufmerksamkeit.
Wenn wir Christian in diesem Wechselspiel von Piaffe und Passage betrachten, wirkt er so tänzerisch leicht wie das Lichtspiel einer Kerze, welches sich in einer sanften Brise elegant hin und her bewegt.
Jetzt muss Christian leider kurz ein bisschen was abwerfen. Schade, dass er hier quasi den Entreebereich zum Schlosspark etwas veräppelt.
Dennoch ein Auftritt, der berührt. Die Emotionen galoppieren gerade durch meinen Körper. Da steht man schon mal auf von seinem Kommentatorenplatz und verneigt sich. Herzlichen Glückwunsch!“
28. Juli 2021, Berlin
In meinem Spam-Ordner entdecke ich eine Nachricht, die mit dem schönen Satz beginnt: „Kompliment des Tages, ich hoffe, meine E-Mail entspricht Ihrer besten Laune.“
Absender ist Paul Telfer, Regionaldirektor der NatWest Bank. Der hat auf dem Konto eines verstorbenen Amerikaners 19,6 Millionen Britische Pfund entdeckt, von denen er mir 40 Prozent überlassen möchte. Paul Telfer ist entweder der netteste Mensch der Welt oder der größte Trottel, der denkt, dass irgendjemand auf diesen Scam reinfällt.
(Bitte beweisen Sie nicht, dass Sie ein noch größer Trottel sind, der den Witz nicht versteht, und mir schreiben, der Absender der Mail hieße bestimmt gar nicht Paul Telfer.)
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Ich lese im Internet, dass ein Stück der Hochzeitstorte von Lady Di und Prince Charles aus dem Jahr 1981 versteigert wird. Der Erlös soll bei ungefähr 500 Pfund liegen.
Vielleicht beteilige ich mich an der Auktion. Ich meine, wie lecker muss eine Torte sein, wenn ein 40 Jahre altes Stück davon 500 Pfund kostet?
29. Juli 2021, Berlin
Beim Joggen kommt mir ein dicklicher Mann mit zotteligem Bart und verschwitztem Haar, das an seinem Kopf klebt, entgegen. Anscheinend hat er sich ein wenig übernommen. Sein Laufstil ist eine Mischung aus Walking, akutem Hitzschlag und fast verdurstetem Gnu auf den letzten Metern zur Wasserstelle. Ich hoffe, er kollabiert nicht und ich muss meine 25 Jahre alten Erste-Hilfe-Kenntnisse zum Einsatz bringen.
Im Kontrast zu seinem körperlichen Zustand trägt der Mann ein leuchtend gelbes T-Shirt mit der lebensbejahenden Aufschrift „I am a ray of fucking sunshine.“
Eigentlich bin ich ein entschiedener Gegner von Sprüche-T-Shirts, die sich meistens auf dem Niveau von „Bier hat diesen Körper geschaffen“ bewegen, aber dieser Spruch ist großartig. Ich finde, das sollte unser aller morgendliches Selbstaffirmations-Mantra sein. Aus dem Fenster gebrüllt, in maximaler Lautstärke und voller Energie:
I AM A RAY OF
FUCKING SUNSHINE!
30. Juli 2021, Berlin
Heute ist Nationaler Tag des Käsekuchens. Was für ein Unfug. Jeder Tag sollte Nationaler Tag des Käsekuchens sein.
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Dimitrij Ovtcharov gewinnt die Bronzemedaille im Tischtennis. Mit 4:3 gegen den Taiwanesen Lin Yun-ju, nachdem er im sechsten Satz vier Matchbälle abgewehrt hat. Herzlichen Glückwunsch.
Wir hatten früher eine Tischtennisplatte im Garten stehen. Da die Wiese leicht abschüssig war, hatte ich gegenüber meinen Freunden immer einen großen Wettbewerbsvorteil und habe selbst gegen die Vereinsspieler nur sehr selten verloren.
Also, Herr Ovtcharov, wenn Sie nach neuen Herausforderungen suchen, können wir uns gerne für ein Match im Garten meiner Eltern treffen. Sie können auch in meinem alten Kinderzimmer übernachten.
31. Juli 2021, Berlin
Auf meiner morgendlichen Laufrunde überhole ich eine Frau, die ein kleines Mädchen in einem Buggy vor sich herschiebt. Die Kleine klatscht in die Hände und ruft: „Bumm, bumm, bumm!”
Das ist nicht besonders feinfühlig, aber wahrscheinlich zutreffender als die von mir gewünschte Carsten-Sostmeier-Beschreibung. Vielleicht sollte ich mich um einen eleganteren Laufstil bemühen.
Um das Positive zu sehen: Das Mädchen hat mmerhin nicht „Törööö!” gerufen.
01. August 2021, Berlin
Heute ist meine Zweitimpfung 15 Tage her und ich habe offiziell den vollen Impfschutz. Toll! Endlich kann ich mich sicher fühlen, wenn ich abends auf dem Sofa sitze und netflixe.
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Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Mit seiner Frau lebt er in Berlin-Moabit, die Kinder stellen ihre Füße nur noch virtuell unter den elterlichen Tisch. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Sein neues Buch “Wenn ich groß bin, werde ich Gott” ist im November erschienen. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
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