Sitze morgens noch verschlafen am Frühstückstisch als mich die Freundin unter Begeisterungskundgebungen der Kinder mit dem Vorschlag überrumpelt, heute eine Lagunen-Bootstour zu unternehmen. Das Highlight bestünde darin, die Boote selbst fahren zu dürfen und es gebe wundervolle vom Tourismus quasi unberührte Buchten, die wir ansteuern könnten. Habe auf Bootfahren so viel Lust wie auf eine Darmspiegelung beim Proktologen, willige in Ermangelung überzeugender Gegenargumente dennoch ein.
Wundere mich nach der eher rudimentären Einweisung in die Bootstechnik, dass ein Orientierungslegastheniker wie ich tatsächlich ein 60km/h-Motorboot steuern darf. Denke über das Peter-Prinzip nach, laut dem in einem Unternehmen nach einer gewissen Zeit jede Position von einem Mitarbeiter besetzt wird, der unfähig ist, seine Aufgabe zu erfüllen, und versuche dabei, das Boot durch zwei Felsenerhöhungen auf die offene See zu dirigieren.
Überraschenderweise gelingt mir dies tatsächlich, ohne das Boot zu beschädigen. Suche dann die Lagunen ab, ob sich dort eventuell Brooke Shields aufhalten könnte. Leider Fehlanzeige!
Mache nach einer halben Stunde die Erfahrung, dass die als Notkauf vor Ort erworbene und bis an den Deckelrand mit kanzerogenen Emulgatoren gespickte Ambre-Solaire-Sonnenmilch, die ich mir in die Augen schwitze, wie die Hölle brennt, was das Steuern des Bootes nicht gerade vereinfacht.
Gehen schließlich mit dem Boot in der ersten Bucht vor Anker und müssen schnell erkennen, dass die im Prospekt der örtlichen Touristen-Information angepriesene Idylle der Lagunen etwas zu wünschen übrig lässt. Diese ist zwar tatsächlich menschenleer, was ich aufgrund meines leicht autistisch veranlagten Wesens sehr begrüße, aber aufgrund des von anderen Bootsführern hinterlassenen Mülls und Unrats kann sie nur mit größter Phantasie als nahezu unberührte Natur interpretiert werden.
Beschließen daraufhin eine neue Bucht anzusteuern, was allerdings dadurch verhindert wird, dass die auftretenden 30-40 cm hohen Wellen das Boot in einem Maße zum Schwanken bringt, welches der Rest der Familie als inakzeptabel empfindet. Verzichte zur Wahrung des prekären familiären Friedens auf die Bemerkung, dass diese Bootstour nicht meine, sondern ihre Idee gewesen sei. Schlage stattdessen furchtlos wie Käpt’n Ahab auf der Jagd nach Moby Dick den Rückweg zur Ausgangsbucht ein.
Dieses Vorhaben ist auch fast erfolgreich bis der Motor 500 m entfernt vom Ufer seinen Dienst versagt und das lückenhafte Mobilfunknetz einen Anruf beim Bootsverleih verhindert. Bekommen freundlicherweise von einem vorbeikommenden deutschen Pärchen angeboten, unser Boot abzuschleppen. Dies klappt zum Erstaunen aller, obwohl ich mich beim Anbinden des Schifftaus dilettantischer anstelle als ein englischer Fußballprofi beim Elfmeterschießen.
Am Ufer angekommen quittiert der griechische Reeder unsere Schilderung des Motorschadens mit mediterraner Gelassenheit und bemerkt lapidar, dies könne schon mal passieren.
Mein Vorschlag auf der Heimfahrt, den Rest des Urlaubs ausschließlich am Strand zu verbringen, wird vom Rest der Familie mit einem Enthusiasmus aufgenommen, der annähernd an die Begeisterung am morgendlichen Frühstückstisch heranreicht.
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
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