¡Hola España! – Tag 13 (20.09.): Ein nasser Abschied (Teil 2)

Teil 1


Zum Abschluss des Urlaubs wollen wir nochmal Essen gehen. Im Sinne des „Never change a winning team“ hat meine Frau für 19 Uhr einen Tisch im El Pósit reserviert. Wahrscheinlich vollkommen unnötig, weil Spanierinnen zu dieser frühen Uhrzeit niemals zu Abend essen würden. Aber es ist Freitagabend und man weiß ja nie. (Better safe than sorry. And hungry.)

Nutzen gegen 17 Uhr ein Nicht-Regen-Fenster und spazieren los. Wir erreichen Cambrils viel zu zeitig, drücken uns in ein paar Läden rum, schlendern durchs Städtchen, suchen Schutz unter verschiedenen Markisen vor dem wiedereinsetzenden Regen, bis es endlich 18.40 Uhr ist und nicht mehr ganz so peinlich viel zu früh ist, um in der Tapas-Bar aufzuschlagen.

Der Laden ist spärlich besucht und wir können uns einen Tisch aussuchen. Wir nehmen den gleichen wie beim letzten Mal. Ein bisschen aus Zufall, weil es der einzige 2er-Platz ist, der nicht an andere besetzte Tische grenzt. Schließlich wollen wir nicht die Creeps sein, die sich in einem fast leeren Restaurant direkt neben andere Gäste setzen. Ein bisschen wählen wir den Tisch aber auch mit Absicht aus, denn sozial herausgeforderte Menschen helfen Routinen, Bekanntes und Bewährtes. (Stichwort Stamm-Fake-Trikot-Verkäufer)

Auch diesmal bestellen wir eine Karaffe Sangria. Ursprünglich wollte ich nur ein Glas nehmen und dann vielleicht ein zweites. Die Preispolitik des Lokals zwingt uns aber zu dem Liter, denn der kostet genauso viel wie drei Gläser.

Bevor die Bedienung kommt, deeple ich mir den Satz „Einen Krug Sangria, bitte.“ zusammen. „Una jara de sangria, por favor“, sage ich zu der Frau. Die schaut mich völlig verständnislos an. Dabei hatte ich das doch vorher mehrfach fließend, fehler- und akzentfrei aufgesagt. In meinem Kopf.

Anscheinend habe ich keinen Krug Sangria geordert, sondern irgendetwas anderes gesagt. Im besten Fall: „Sie tragen eine schöne Bluse“, im schlechteren „Sie haben einen schönen Busen.“ und im allerschlechtesten „Sie haben keinen schönen Busen.“

Das Gesicht der Kellnerin bleibt ein einziges Fragezeichen. Daher sage ich „Sangria“ und halte meine flachen Hände in einem Abstand von circa 30 Zentimeter übereinander. Die international anerkannte pantomimische Geste für Krug. „Ah“, sagt die Frau nun. „Un litre.” Geht doch.

Dafür, dass wir normalerweise nur wenig Alkohol konsumieren, meist nur in Gesellschaft, haben wir im Urlaub ziemlich viele Krüge Sangria getrunken. Etwas bedenklich, aber nun mal auch sehr lecker.

Zum Essen nehmen wir wieder die Kartoffeln und das Käsebrett. Um dem Eindruck entgegenzuwirken, wir müssten zwangsneurotisch immer alles auf die exakt gleiche Weise tun, wählen wir diesmal statt der Scampi und des Hühnchens die hausgemachten Nachos mit Guacamole (knusprig), frittierten Kabeljau mit holzgeröstetem Pfeffer und Muskatwein (außen knusprig, innen zart) sowie Schweinegulasch nach Art des Hauses mit einer Sauce aus getrockneter roter Paprika, Knoblauch und spanischem Rotwein (zart).

Beim Nachtisch gilt wieder, das winning team nicht zu changen, da wollen wir keine Kompromisse eingehen. Nicht aufgrund irgendwelcher Zwangsneurosen, sondern weil die Brownies und der Käsekuchen so unfassbar lecker waren.

Der Kellner zieht zwar kritisch die Augenbrauen hoch, als wir zwei Nachtische bestellen, aber das ist uns egal. Hält er uns halt für verfressen. Das ist der Vorteil, wenn du einen halben Liter Sangria intus hast, dann ist dir selbst als people pleaser vollkommen wumpe, was andere von dir denken. Vor allem, wenn es um Nachtisch geht.

Insbesondere der Käsekuchen ist wieder ein Gedicht. Eine Ode an Fett, Zucker und kurzkettige Kohlenhydrate. Wer auch immer ihn gebacken hat, ich möchte diese Person heiraten. (Falls meine Frau etwas dagegen hat, wäre ich offen für eine polyamore Beziehung.) Noch lieber würde ich den Kuchen selbst heiraten. Und da lasse ich mich von meiner Frau auch nicht zu einer Dreierbeziehung überreden, den will ich ganz für mich allein.

Der Tag endet für mich, wie er begonnen hat: nass. Daran bin ich selbst schuld. Zu Beginn unseres Heimwegs sage ich: „Hoffen wir, dass es bei den paar Tropfen bleibt, und keinen richtigen Schutt gibt.“ Das löst natürlich einen kosmischen Schmetterlingseffekt aus, der dafür sorgt, dass es nicht bei den paar Tropfen bleibt, sondern einen richtigen Schutt gibt. Dabei bleibt kein Auge und vor allem kein Kleidungsstück trocken.

„Da fällt einem der Abschied etwas leichter”, versucht meine Frau das Positive an unserer Situation zu sehen.


Bilanz des Tages

  • 35,02 Kilometer gelaufen
  • 49.363 Schritte gegangen
  • 2x pitschnass geworden
  • 2 Kniffel (wieder ehelich geteilt)
  • 38 Punkte Vorsprung beim Kniffel-Urlaubs-Duell
  • 1 Liter Sangria getrunken
  • 1 göttlichen Käsekuchen gegessen

Muchas gracias, Vilafortuny, Cambrils und Salou, ihr ward gut zu uns. Und heute ward ihr ein wenig nass zu uns. Adios!

El final.

¡Hola España! – Tag 13 (20.09.): Ein nasser Abschied

Der alljährliche Urlaubsblog. Aus Spanien. Nicht live, aber dafür in Farbe und HD. Falls Sie, aus welchen Gründen auch immer, alle Beiträge des ¡Hola España!-Blogs lesen möchten, werden Sie hier fündig.

Der letzte Urlaubstag beginnt wie der erste. Mit klingelndem Handywecker um 6 Uhr. Der letzte 35-Kilometer-Lauf des Urlaubs steht an. (Eigentlich liegt der lange Lauf immer auf dem Samstag, aber da reisen wir, auf den Sonntag schieben geht auch nicht, da reisen wir immer noch, und einfach ausfallen ist ebenfalls keine Option, von wegen böses Erwachen beim Köln-Marathon und so.)

Das Wetter macht die Aussichten auf den heutigen Lauf noch unschöner. Es regnet. Nicht nur ein paar Tropfen, sondern richtig ordentlich Schutt. Niederschlagslevel Monsun.

Erstmal abwarten und im Handy versinken. 30 Minuten später. Keine Änderung an der Wetterfront. Immer noch Regen, immer noch richtig ordentlicher Schutt, immer noch Niederschlagslevel Monsun.

Vom Balkon aus sehe ich einen einsamen Läufer auf der Strandpromenade vorbeiziehen. Streber.

Weiter abwarten. Zwei Bananen, einen Kaffee und eine Handy-Session später weiterhin Dauerschutt, nach einer nächsten Scrolling-Session und dem Dehnprogramm, hat der Regen aufgehört. Beziehungsweise nieselt nur noch. Keine Ausreden mehr, die Ferienwohnung nicht zu verlassen und loszulaufen.

Titelbild mit einem wolkenverhangenen Himmel über dem Strand
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¡Hola España! – Tag 12 (19.09.): Helga, die Schreckliche

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Aufmerksame Stammleser*innen kennen inzwischen mein liebgewonnenes Morgenritual. Auf dem Balkon sitzen, mit Kaffee und Keks den Meerblick genießen. Seit Beginn des Urlaubs habe ich dafür einen Stammplatz, seit 11 Tagen sitze ich ganz rechts, mit bester Sicht auf Strand und Wasser.

Heute ist alles anders, heute sitze ich ganz links, mit ein bisschen Meerblick und ganz viel Andere-Ferienwohnungen-Blick. Von Genießen keine Spur, ich bin hochgradig angespannt, habe den Keks hinuntergeschlungen und trinke meinen Kaffee in kleinen, hektischen Schlucken. Immer wieder schaue ich mich paranoid um.

Der Grund für meine Nervosität: eine monströs große Heuschrecke. Die habe ich heute früh an der rechten Balkontür entdeckt. Dort hockt sie fast auf Höhe meines angestammten Platzes. Sie kommt mir bekannt vor. Ich glaube im letzten Jurassic-World-Film hat sie als Stuntdouble für den riesigen Dinosaurier zum Schluss mit dem T-Rex gekämpft. Bei der Größe der Heuschrecke gehe ich davon aus, sie ist in einem Atomkraftwerk aufgewachsen.

Wenigstens hat sich das Ding nicht in unsere Wohnung verirrt. Eine Vorstellung, die mich an den Rand einer Ohnmacht bringt.

Titelbild mit einer sehr großen Heuschrecke, die am Rand einer Balkontür sitzt
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¡Hola España! – Tag 12 (19.09.): Helga, die Schreckliche (Teil 2)

Teil 1


Die Heuschrecke ist immer noch da. Wir müssen sie wohl als neue Mitbewohnerin akzeptieren. Aber nur auf dem Balkon!

Möglicherweise sieht sie uns ebenfalls als Mitbewohner*innen an, die sie allerdings allenfalls duldet. Wahrscheinlich mehr als ehemalige Mitbewohner*innen in spe. Oder als Abendessen. Das eine schließt das andere ja nicht aus. Im Gegenteil.

Vielleicht sollte ich ihr einen Namen geben. Wenn dich jemand mit Namen anspricht, hast du mehr Skrupel, ihn aufzufressen. Ich nenne sie Helga.

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Nach dem Frühstück passen wir ein Nicht-Regen-Fenster ab und gehen zum Supermarkt. Proviant für die Heimfahrt besorgen. Auch so ein unschönes Wort: Heimfahrt. Wenn du über Heimfahrt nachdenkst, hast du keine Möglichkeit mehr, dir schönzureden, dass der Urlaub doch noch nicht bald zu Ende ist.

Wir kaufen Brot, Belag, Äpfel und – ganz wichtig – Knabberzeug und Kekse. Außerdem ein Bounty. Das essen wir schon am Nachmittag. Quasi als Trauerarbeit ob des nahenden Urlaubsendes.

Als wir vom Supermarkt zurückkommen, steht die Haustür offen. Jemand hat einen Keil untergeschoben, damit sie nicht zufällt. Das könnte mir egal sein. Aber an der Wand hängt ein Zettel mit dem Hinweis, die die Tür solle zu jeder Zeit zu sein. Auf Spanisch, Englisch und Deutsch. Wer auch immer den Zettel aufgehängt hat, scheint es sehr ernst mit der geschlossenen Tür zu meinen.

Könnte ich trotzdem ignorieren. Schließlich habe ich mich nicht über die Vorschriften hinweggesetzt und die Tür aufgelassen. Mein Problem ist jedoch, dass ich mich sehr häufig für Sachen verantwortlich fühle, für die ich gar nicht verantwortlich bin. Zum Beispiel für offene Türen, die nicht offen sein sollen.

Überlege, die Tür zuzumachen. Damit alles seine Ordnung hat. (Der deutsche Untertan ist stark in mir.) Allerdings trägt vielleicht die Person, die den Keil untergeschoben hat, gerade schwere Gegenstände ins Haus – Einkäufe, Getränkekisten, Waschmaschinen. Somit würde sie das Schließen der Tür verärgern. Das möchte ich unter keinen Umständen. (Der People Pleaser ist ebenfalls stark in mir.)

Beschließe schließlich, die Tür offen zu lassen. Weil mich das ja wirklich nichts angeht. Nun werde ich den Rest des Tages darüber nachdenken, ob ich sie nicht doch besser zugemacht hätte.

Nachmittags kleiner Spaziergang die Strandpromenade entlang. Wie in einer Rentnersimulation. „Oldie but Goldie 2024“ (Jetzt auch mit mobilem Blasenkatheter.) Verzichte trotzdem darauf, mit auf dem Rücken verschränkten Armen zu flanieren. Eigentlich schade, das wäre bestimmt bequem.

Überholen eine Frau mit Kind auf dem Arm. Die Kleine ist quengelig. Unzufrieden mit sich, der Welt und der Gesamtsituation. Es ist ja auch schon 18 Uhr, da kann man schon mal quengelig und unzufrieden sein.

Die Mama sagt sehr mitfühlend: „Life is hard, sweety.“ Ich weiß nicht, ob sie mit ihrer Tochter spricht oder mit sich selbst. Vielleicht sollte ich ihr die Bimmelbahn zwischen Salou und Cambrils empfehlen.

Abendessen auf dem Balkon. Heute haben wir weniger Augen für die Selfie-/Foto-Aktivitäten am Strand, sondern achten mehr auf die Balkontür. Dort sitzt immer noch Helga. Das ist unangenehm, dafür hockt sie wenigstens nicht bei uns am Tisch. Sollte sie fragen, würden wir ihr das natürlich erlauben. Und dann drinnen essen.


Bilanz des Tages

  • 1 Riesen-Heuschrecke auf dem Balkon
  • 10,24 Kilometer gelaufen
  • 17.178 Schritte gegangen
  • 1x pitschnass geworden
  • 34,57 Euro im Supermarkt ausgegeben
  • 1 Bounty gegessen
  • 1 Rentner-Spaziergang
  • 2 Kniffel (ehelich geteilt)

¡Hola España! – Tag 11 (18.09.): Kein Regen im Nichts

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Der Morgen präsentiert sich mit grauer Wolkendecke. Am Horizont sieht der Himmel aus wie das Nichts in „Die Unendliche Geschichte“. Aber es regnet nicht. Wo Nichts ist, kann kein Regen fallen.

Ich esse eine Banane. In der Ferne segelt auf dem Meer ein Segelboot ohne Segel. Heißt das dann überhaupt segeln?

Über den Strand spaziert eine Frau mit Stockschirm unter dem Arm. Wahrscheinlich weiß sie nicht, dass es im Nichts nicht regnet. Zeit für mich, laufen zu gehen, bevor ich noch mehr wirre Gedanken habe.

Titelbild mit einem dunklen, wolkenverhangenen Himmel über dem Meer
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¡Hola España! – Tag 11 (18.09.): Kein Regen im Nichts (Teil 2)

Teil 1


Kaufe auf dem Heimweg in einem Souvenirladen Postkarten. Das muss ja auch langsam mal erledigt werden, das mit dem Postkarten schreiben. (Stichwort: drittletzter Urlaubstag) Damit alle Daheimgebliebenen wissen, dass man eine gute Zeit hat und neidisch auf das gute Wetter und das leckere Essen sind.

In den letzten Urlauben war das Postkartenschreiben ein Desaster. Im vorigen Jahr in Portugal fand ich in dem kleinen Örtchen, in dem wir wohnten, keinen Briefkasten und im Flughafen von Lissabon vergaß ich, die Karten einzuwerfen. In Cassis (2022) kann ich mich nicht erinnern, überhaupt Karten geschrieben zu haben, und auf Sardinien (2021) dachte ich weder am letzten Tag in Santa Teresa noch am Flughafen in Olbia daran, die Karten abzuschicken. (Circa drei Monate später fand ich sie auf meinem Schreibtisch unter einem Stapel von Dokumenten.)

An dem Ständer vor dem Laden suche ich acht Karten aus und gehe damit zur Kasse. Dort steht der Mann, bei dem wir die Taucherbrille gekauft hatten, und begrüßt mich mit einem fröhlichen „How are you, my friend?“ Dann tippt er auf seinem Taschenrechner rum und verlangt für die acht Karten inklusive Porto 23,60 Euro.

Ein ziemlich stolzer Preis, aber ich möchte nicht nachfragen, ob er sich verrechnet hat. Weil er so freundlich gegrüßt hat und mich „my friend“ genannt hat. Und weil ich konfliktscheu bin.

Vielleicht ist das Porto in Spanien einfach unfassbar teuer. An den Karten kann es nicht liegen. Die Motive sind von begrenzter ästhetischer Qualität. Eher so „Fotowettbewerb 6. Klasse“. Die ehemals glänzende Oberfläche ist stumpf und die Farben leicht vergilbt. Wahrscheinlich verkauft der Mann nicht allzu viele Ansichtskarten.

Dass er meine Briefmarken von einem unbenutzten 50er-Bogen abtrennt, spricht ebenfalls für diese These. Ich habe keine Ahnung, was die Marken kosten, auf ihnen steht keine Währung, sondern lediglich Tarifa B. (B für „besonders teuer“?) Das Motiv ist eine Geschäftsfrau mit Aktentasche, die durch eine Art Flughafenwartebereich läuft und dabei mit ihrem Handy videotelefoniert. Durch die bodentiefen Fenster sind draußen Baukräne zu sehen. Keine Ahnung, was mir das sagen soll. Vermutlich weiß das nicht einmal der Briefmarkenmotiv-Designer selbst.

Zum Abschied weist mich mein Souvenir-Laden-Freund auf den Briefkasten vor seinem Geschäft hin. Er verkauft also nicht nur Postkarten und Briefmarken, sondern bietet Beratungsdienstleistungen rund ums Versand- und Logistikgeschäft an. Da sind dann 23,60 Euro für acht Postkarten doch gerechtfertigt.

Der Kauf des Fake-Real-Trikots hat Begehrlichkeiten beim Nachwuchs plus Anhang geweckt und wir wurden beauftragt, weitere Shirts zu besorgen. Wir gehen zum gleichen Händler wie letzten Sonntag, er ist der Fake-Trikot-Verkäufer unseres Vertrauens.

Für sozial herausgeforderte Menschen ist es hilfreich, auf Bewährtes zurückzugreifen. Das schafft Verlässlichkeit, Vertrauen und Sicherheit. Selbst wenn das Bewährte darin besteht, den gleichen Fake-Shirt-Verkäufer wie beim letzten Mal aufzusuchen.

Wir kaufen diverse Heim- und Auswärtstrikots der deutschen Nationalmannschaft sowie eins des spanischen Teams. Aufgrund der Menge bekommen wir Rabatt. 20 Euro pro Shirt statt 25. Ich bin versucht, dem Verkäufer 20 Euro zuzustecken, aber wahrscheinlich müsste er die sowieso an jemanden anderen abdrücken.

Ich gehe mit dem Gefühl weg, der raffgierigen, unverschämten Fußballtrikot-Industrie eins ausgewischt zu haben, aber gleichzeitig ein anderes Schweinesystem gestützt zu haben, das unter anderem die prekäre Situation von Geflüchteten ausnutzt.

Das Wetter verhält sich weiter merkwürdig. Auf der Höhe von Cambrils sieht der Himmel aus, als ginge gleich die Welt unter und als kämen jeden Moment die apokalyptischen Reiter durch die Wolken geritten. Über Salou dagegen, nur fünf Kilometer entfernt, herrlicher Sonnenschein. Bei uns, ungefähr in der Mitte der beiden Orte, ist das zu beobachten, was in der Wettervorhersage als ein Mix von Sonne und Wolken bezeichnet wird.

Zum Abendessen zieht es sich zu und der Wind wird stärker. Daher eingeschränkte Foto- und Filmaktivitäten am Strand. Lediglich ein Paar versucht sich an ein paar Schnappschüssen. Das funktioniert nur leidlich. Der Mann fotografiert seine Frau in den Wellen, sie wird von diesen fast umgeworfen. Ob das eine gute Bewertung in der Influencer Academy gibt? Ich glaube nicht.


Bilanz des Tages

  • 17,42 Kilometer gelaufen
  • 25.007 Schritte
  • 2 Pfeile auf Waden gesehen
  • 1 Gruß von einem oberkörperfreien Laufhünen
  • 43,50 Euro im Supermarkt ausgegeben
  • 8 Postkarten gekauft
  • 8 Postkarten geschrieben
  • 4 Fake-Trikots gekauft
  • 1 Kniffel (meine Frau)

¡Hola España! – Tag 10 (17.09.): Der mittelalte weiße Mann und das Meer

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Sitze mit Prä-Lauf-Kaffee und Prä-Lauf-Keks auf dem Balkon und genieße den Prä-Lauf-Meerblick. Der Kollege, der gestern mit dem Rasenkantenschneider zugange war, fängt an, Rasen zu mähen. Um 9.12 Uhr.

Ich beklage mich weiterhin nicht, ich stelle lediglich fest. Oder wie Thomas Gottschalk zu seinem neuen Buch „Ungefiltert“ schreibt: „Ich beschwere mich aber nicht, sondern wundere mich nur.“ Was übersetzt so viel bedeutet wie, dass er sich auf jeden Fall und definitiv beschwert. Ein Grund, das Buch nicht zu lesen.

Auch sonst fallen mir keine Gründe für die Lektüre ein. Möglicherweise tue ich Thomas Gottschalk unrecht, aber ich glaube nicht, dass sein Buch ausreichend horizonterweiternd für mich ist. Dafür habe ich meinen eigenen inneren Boomer, den ich manchmal nur mit Mühe zähmen kann. Der wundert sich schon genug. (Fasst aber wenigstens dienstlich keine Frauen an. Undienstlich auch nicht.)

In der Buchankündigung schreibt Thomas Gottschalk noch, dass er sich nicht nur Gedanken über die Zeit macht, in der wir leben, sondern sie auch ausspricht. Mir wäre lieber, er behielte sie für sich, und falls nicht, dass er sie nur gefiltert kundtut.

Titelbild in schwarzweiß, auf dem ein Mann in Badeshorts ins Meer geht. Sein Oberkörper ist sehr weiß, seine Arme und beine gebräunt.
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¡Hola España! – Tag 10 (17.09.): Der mittelalte weiße Mann und das Meer (Teil 2)

Teil 1


Beobachte am Strand das Meer, das sich bei jeder Welle in seinen Ausläufern unserem Liegeplatz bedrohlich annähert. Man müsste mal die Tücher, Taschen und Schuhe weiter nach oben ziehen. Dazu müsste man aber aufstehen und das erfordert einen Energieeinsatz, zu dem ich mich gerade nicht in der Lage fühle. Stattdessen hoffe ich auf einen Adrenalin-Kick, wenn mir das Wasser fast über die Füße schwappt, der mir ermöglicht, in letzter Sekunde aufzuspringen und alles in Sicherheit zu bringen.

Wir sind nun schon seit zwei Stunden am Strand. Gerate allmählich in Zugzwang, tatsächlich ins Wasser zu gehen. Zum einen habe ich mit meiner Badehose ein Statement gesetzt, das insbesondere bei meiner Frau Erwartungen geweckt hat.

Zum anderen sind wir nur noch vier Tage hier. Wenn du in einem zweiwöchigen Strandurlaub kein einziges Mal ins Meer gegangen bist, giltst du schnell als „merkwürdig“. Mein Schwimmstil allerdings auch.

Ich wäre ein wesentlich besserer Schwimmer, müsste man dabei nicht mit dem Kopf unter Wasser. (Ein noch besserer Schwimmer wäre ich, bliebe das Element Wasser gänzlich außen vor.) Das finde ich äußerst unangenehm. Für Augen, Ohren und Nase. Außerdem funktioniert das mit der Atmung unter Wasser bekanntlich nicht.

Ich bin von wenigem so überzeugt wie davon, dass weder Gott noch die Evolution möchten, dass wir mit dem Kopf untertauchen. Sonst hätten wir schließlich Kiemen. (Und Schwimmbrillen, die sich vor die Augen stülpen, sobald du unter Wasser gehst.)

Ich würde sogar behaupten, freiwillig zu schwimmen ist eine Verhöhnung der Evolution. Vor hunderten Millionen Jahren haben doch nicht die ersten Lebewesen das Wasser verlassen und sich in einem sehr mühseligen Trial-and-error-survival-of-the-fittest-Prozess zu Menschen entwickelt, damit ich jetzt zurück ins Meer latsche.

Andererseits habe ich extra die Badehose angezogen, da wäre es irgendwie schade, sie nicht zu nutzen. Entledige mich also als erstes meines T-Shirts und hoffe, die anderen Strandbesucher*innen werden nicht schneeblind. Da ich nie oberkörperfrei am Strand liege (Stichwort Hautkrebs) und durch die viele Lauferei habe ich recht braune Arme und Beine, aber einen sehr weißen Oberkörper. Sehr, sehr weiß. Weißer als das Nachher-Hemd in der Waschmittelwerbung. Sogar weißer als ein Treffen des CDU-Ortsverbandes Zehlendorf.

Trete schließlich den Gang ins Meer an, das sich angenehm erfrischend an den Füßen präsentiert. Im Gegensatz zum Untergrund, der unangenehm steinig ist. Dann kommt plötzlich eine Stufe und ich gerate ins Taumeln, als hätte ich mir heute früh die Frühstücksbiere genehmigt.

Whity Whiteman auf dem Weg ins Wasser

Aus der Not eine Tugend machend, stürze ich mich direkt ins Wasser und mache ein paar Schwimmzüge oder so etwas ähnliches. Dann lasse ich mich von den Wellen treiben und tauche kurz mit dem Kopf unter, denn du kannst nicht im Meer gewesen sein und mit trockenen Haaren wieder rauskommen. (Stichwort merkwürdig) Anschließend kehre ich zurück zu unserem Liegeplatz, zufrieden den Punkt „im Meer baden“ von der Urlaubs-To-Do-Liste streichen zu können.

Meine Frau dokumentiert meine Meer-Expedition mit ein paar Fotos in der Familien-WhatsApp-Gruppe und versieht diese mit unangemessenen „es geschehen noch Zeichen und Wunder“-Bemerkungen.

Für abends ist starker Regen angesagt. Der lässt zwar auf sich warten, aber der Strand ist dennoch menschenleer. Das schränkt das Abendessen begleitende Entertainmentprogramm erheblich ein.

Irgendwann erscheint doch noch ein Mann. Er trägt ausschließlich schwarze Shorts und versucht, ein Selfie zu machen. Glaube ich zumindest. Aus der Ferne ist das nicht eindeutig zu erkennen. Vielleicht macht er auch sehr langsames Schattenboxen.


Bilanz des Tages

  • 11,04 Kilometer gelaufen
  • 14.037 Schritte
  • 0 Frühstücksbiere
  • 3 Minuten im Meer
  • 1-mal mit dem Kopf unter Wasser
  • 2 Kniffel (einer für mich, einer für meine Frau, ihrer der Herzen)

¡Hola España! – Tag 09 (16.09.): Ein Hollywood-Blockbuster für einen Käsekuchen

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7.45 Uhr. Aufwachen, rein in die Sportklamotten, raus auf den Balkon. Banane, Kaffee, Keks, aufs Meer schauen.

Lust auf einen zweiten Kaffee, aufgrund verfehlter Einkaufsplanung sind nur jedoch noch drei Kapseln da. Eine für meine Frau, zwei fürs Frühstück. Kaffee 2.0 muss ausfallen. Verdammt.

Stattdessen dehnen, Laufschuhe an und runter auf die Promenade. Heute steht ein „flotter Zehner“ an. Das ist kein Ausdruck für eine fröhliche Gruppensex-Veranstaltung, sondern die Bezeichnung für einen Zehn-Kilometer-Lauf in forderndem Tempo. (Plus jeweils zwei Kilometer Ein- und Auslaufen in nicht forderndem Tempo.)

Am Rande der Promenade steht wieder der Ü70 Personal Trainer und überwacht mit Stoppuhr und Trillerpfeife das Training seines U40 Schützlings. Der Mann schwitzt ordentlich, der Personal Trainer nicht.

Ansonsten keine besonderen Vorkommnisse. Außer dass ich mal ein paar Läufer*innen überhole. Darunter meine Frau, wie sie mir später erzählt, aber das habe ich nicht mitbekommen. (Stichwort voller Fokus aufs Laufen)

Titelbild mit einem Stück Käsekuchen auf einen blauen Tonteller. Auf dem Käsekuchen ist Erdbeersauce, die am Rand überläuft.
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¡Hola España! – Tag 09 (16.09.): Ein Hollywood-Blockbuster für einen Käsekuchen (Teil 2)

Teil 1


Plan für die Abendgestaltung: Spaziergang nach Cambrils, Souvenirs und Postkarten besorgen, Essen gehen. Da uns der Spaziergang hungrig gemacht hat, ziehen wir, als wir in Cambrils ankommen, den Punkt „Essen gehen“ vor.

Nachdem wir circa fünfzehn Minuten auf der Suche nach einer Essenslokalität durch den Ort geschlendert sind – wie zwei Löw*innen, die nach einem Gnu Ausschau halten –, landen wir vor dem El Pòsit. Eine Tapas Bar, die bei Google eines der am besten bewerteten Restaurants in Cambrils ist. Die Karte vor dem Lokal ist zwar rein Spanisch, aber wir erkennen genügend Worte, um zu dem Schluss zu kommen, dass wir hier kulinarisch fündig werden.

Allerdings ist es erst 18.15 Uhr, alle Tische sind noch unbesetzt. Uns widerstrebt es, die ersten Gäste zu sein. Zu viel Präsentierteller und zu viel Aufmerksamkeit durchs Personal, das uns wegen der frühen Abendessenszeit wahrscheinlich für merkwürdig hält. Oder für deutsche Touristen. Oder für merkwürdige deutsche Touristen.

Wir gehen erstmal weiter, nach gastronomischen Alternativen Ausschau haltend. Die sehen aber alle weniger vielversprechend aus. Folglich kehren wir nach zehn Minuten zurück zum El Pòsit. Dort sitzt inzwischen wenigsten ein Paar an der Theke. Mir wird die Aufgabe übertragen, in Erfahrung zu bringen, ob wir draußen Platz nehmen können.

Zunächst frage ich die Frau hinter der Bar, ob sie Englisch spricht. Sie entschuldigt sich, ihr Englisch sei „very small“. Ich erkläre ihr, sie müsse sich überhaupt nicht entschuldigen, mein Spanisch sei smaller. Ihr Englisch ist dann doch big enough, um mir zu erklären, wir mögen bitte drinnen essen.

Das Restaurant ist modern eingerichtet, mit viel Holz, grün und angenehmem Licht. Alles etwas hipsterig, aber dennoch gemütlich. Verschiedene Poster und Wandbeschriftungen weisen darauf hin, dass die Zutaten bio und lokal sind und nach Möglichkeit wird auf Allergien Rücksicht genommen.

Als erstes nimmt die Frau unsere Getränkebestellung auf. Kurze Zeit später steht ein Liter Sangria auf unserem Tisch. Ich würde gerne behaupten, das sei auf ein Missverständnis aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten zurückzuführen. Das wäre aber gelogen, wir bekommen exakt das, was wir ausgesucht haben. („Sangria.“ „One litre?“ „Yes, one litre.“)

Unsere Tapas suchen wir mittels der digitalen Speisekarte aus. Das ist praktisch, weil wir sie uns auf Englisch übersetzen lassen können, damit wir überhaupt wissen, was wir bestellen.

Die gewünschten Speisen zeigen wir der Bedienung auf den Bildern der elektronischen Karte, um Verwechslungen auszuschließen. Brava del pòsit mit iberischem Chorizo-Hash, das Bio-Käsebrett, knuspriges Hähnchen aus der Freilufthaltung sowie Knoblauch-Garnelen. Da die Frau bisher nicht gezuckt hat, nehmen wir noch Knoblauchbrot dazu.

Alles ist köstlich. Der Sangria fruchtig, die Kartoffeln würzig, der Käse käsig, das Hühnchen außen knusprig und innen zart, das Knoblauchbrot knoblauchig.

Ein Kellner bringt die Garnelen und erklärt etwas dazu. Er spricht kein Englisch, aber sein Spanisch ist fließend. Meines immer noch nicht, ich verstehe kein Wort. Er redet weiter und macht Grimassen, die unterstreichen sollen, was er sagt. Ich habe weiterhin keinen Schimmer, was er da erzählt. Ich nicke trotzdem, sage „Ah, yes“, als hätte ich eine Eingebung und lache etwas dämlich, weil ich den Eindruck habe, die Situation erfordert das von mir.

Weil alles so schön ist, wir uns gut fühlen und der Sangria seine Wirkung entfaltet, gönnen wir uns noch Nachtisch: einen Brownie und ein Stück Käsekuchen. (Man lebt bekanntlich nur einmal und mit verfetteter Leber gar nicht so lange.) Beides ist phantastisch.

Der Brownie hat genau den richtigen Grad an Schokoladigkeit. Nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel, so dass du nach dem ersten Bissen das Gefühl hast, du willst nie wieder etwas zu dir nehmen, das auch nur den Anschein erweckt, Schokolade zu enthalten.

Der Käsekuchen ist ein Gedicht. Einer der besten Käsekuchen, die ich je gegessen habe. Er ist cremig, der Boden leicht salzig und die Erdbeersauce fruchtig. In Kombination ist das so lecker, dass dieser Käsekuchen einen eigenen Wikipedia-Eintrag haben sollte, wissenschaftliche Abhandlungen müssten über ihn geschrieben werden und ich frage mich ernsthaft, warum es keinen Hollywood-Blockbuster mit ihm in der Hauptrolle gibt.

Der Mond über Cambrils

Auf dem Heimweg müssen wir uns noch um Postkarten und Souvenirs kümmern. Die hatten wir bekanntlich auf unserer Cambrils-To-Do-Liste zugunsten der Essensaufnahme depriorisiert.

Das mit den Postkarten verschieben wir gleich mal auf einen anderen Tag. Schließlich sind wir hier im Urlaub und nicht auf der Arbeit, wo du als Lohnknecht des kapitalistischen Verwertungssystems stumpf irgendwelche Aufgaben abarbeitest. Außerdem sehe ich in den Kartenständer vor den Läden keine schönen Karten. (Zumindest nicht in den zehn Sekunden, die ich mir dafür Zeit nehme.)

In einem Geschäft, das auf mandelbasierte Süßwaren und Gebäck spezialisiert ist, besorgen wir verschiedene Mitbringsel. Ab einem bestimmten Alter ist es ratsam, deinen Eltern Verzehrbares aus dem Urlaub mitzubringen und nicht irgendwelchen Nippes, der die Wohnung zumüllt und den du später selbst entsorgen musst. (Ich würde die Altersgrenze diesbezüglich auf ungefähr 48 setzen.)

Anschließend suchen wir einen Souvenirladen auf, der nicht ganz so trashig aussieht, denn auch im Urlaub pflegen wir einen gewissen Dünkel. Für die Tochter kaufen wir ein Schnapsglas für ihre Sammlung und für uns den obligatorischen Kühlschrankmagneten. Dazu den roten Porzellanstier, von dem wir immer noch annehmen, er mache sich gut in unserer Küche als Dekorelement. (Selbstverständlich immer noch ironisch.)

Der Mann an der Kasse entfernt mit Reinigungsbenzin das Preisschild von dem Stier und verpackt ihn sorgfältig in Luftpolsterfolie. Guter Service. So ist das Porzellantier beim Transport gut geschützt und ich habe später etwas zum Spielen.


Bilanz des Tages

  • 14,01 Kilometer gelaufen
  • 4 Läufer*innen überholt (darunter meine Frau, ohne es zu bemerken)
  • 29.740 Schritte gegangen
  • 41,24 Euro im Supermarkt ausgegeben
  • 1 Kniffel der Herzen (meine Frau)
  • 1 Liter Sangria getrunken
  • 1 roten Stier, 1 Shotglas und 1 Kühlschrankmagnet gekauft