Schlaflos in Charlottenburg

Schleppe mich mitten in der Nacht mit schwachen Beinen durch die Wohnung und trage das weinende Töchterlein schaukelnd auf dem Arm. Nehme mir vor, morgen früh einen Kinderpsychologen zu kontaktieren. Dieser soll meine Vermutung diagnostisch bestätigen, dass das arme Kind an einer biorhythmisch Persönlichkeitsspaltung leidet.

Tagsüber ist das Kind ein Musterexemplar eines absoluten Bilderbuch-Babys, wie es allenfalls in der Werbung von Windelherstellern und Babybrei-Produzenten anzutreffen ist. Die meiste Zeit verbringt es mit seligem Schlummern und in den seltenen Fällen, in denen es zu einem akustisch kaum wahrnehmbaren zarten Klagen ansetzt, lässt es sich im Nu durch Stillen beruhigen. Auch das Wickeln lässt das gute Kind klaglos über sich ergehen und stört sich nicht einmal an den väterlichen grobmotorischen Unzulänglichkeiten beim Windelwechseln.

Das tadellose Benehmen am Tage scheint allerdings nur eine Taktik zu sein, um die Eltern in trügerischer Sicherheit zu wiegen. Nachts durchläuft das gleiche liebreizende Kind nämlich eine Metamorphose wie man sie höchsten von den Gremlins kennt, wenn sie nach Mitternacht gefressen haben, und verwandelt sich in ein unleidliches Wesen mit noch schlechterer Laune als Bernd das Brot. Die quengelnde Nachtkreatur hat nur ein minimales Schlafbedürfnis, welches allenfalls auf den elterlichen Armen befriedigt werden will, und all sein Tun scheint darauf ausgerichtet zu sein, die Eltern durch Schlafentzug zu zermürben. Weiterlesen

Der ruinöse Friedenslauf

Heute ist wieder Friedenslauf in Berlin. Eine tolle Veranstaltung, bei der Schülerinnen und Schüler Geld für einen guten Zweck erlaufen. Dieses Jahr kommt das Geld der Friedensarbeit für syrische Flüchtlinge zugute. Die folgende Geschichte hat sich beim letztjährigen Friedenslauf zugetragen. Oder so ähnlich.

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Freudestrahlend empfangen mich Tochter und Sohn abends an der Tür und erklären mir, sie wollen mit ihrer Schule beim Friedenslauf teilnehmen. Nicke wohlwollend, da ich körperliche Ertüchtigung auch schon in jungen Jahren begrüße und auch gegen Frieden prinzipiell nichts einzuwenden ist (sofern man sein Geld nicht mit der Produktion von Panzern und Sturmgewehren verdient).

Meine Zustimmung löst Jubelstürme bei den Kindern aus. Sogleich erklären sie mir, ich müsse ihr Sponsor werden. Muss zugebenen, dass für Frieden bezahlen zu müssen, sich nicht mehr ganz so attraktiv anhört. Erkläre ihnen, dass ich doch bereits mit meinen Steuergeldern die Bundeswehr mitfinanziere, die angeblich am Hindukusch den Frieden verteidigt, und ob dies nicht reiche.

Die Kinder schauen mich mit fragenden Augen an als hätte ich Klingonisch gesprochen. Erkundige mich daher, für wen das Geld bestimmt sei. Sie zucken mit den Achseln und sagen, so genau wissen sie das auch nicht, es sei halt für den Frieden.

Willige schließlich ein und bekomme erläutert, dass ich einen Betrag in ihre Spendenkarten eintragen müsse und dann für jede Runde, die sie innerhalb von 90 Minuten rennen, diesen Betrag zu spenden habe. Nachdem ich erfahre, dass eine Runde 1,2 km lang ist, notiere ich jeweils generös zehn Euro in den Karten. In Abschätzung der dauerläuferischen Leistungsfähigkeit der Kinder sollte dies eine Spende von 20 Euro bedeuten, was ich für einen angemessenen finanziellen Beitrag zum Weltfrieden meinerseits erachte. Weiterlesen

Nur 48 Stunden – Protokoll einer schweren Geburt

Donnerstag, 7.11 Uhr
»Das ist keine Übung«, reißt mich die Freundin aus dem Schlaf. »Die Wehen haben endlich angefangen!« Es wäre jetzt an der Zeit, ins Krankenhaus zu fahren, erklärt sie.

Donnerstag, 7.18 Uhr
Stehe im Bad und frage mich, ob ich zur Feier des Tages meinen Bart stutzen soll. Die Freundin möchte dies nicht mit mir diskutieren und schaut grimmiger als Wolfgang Schäuble, wenn er die neuesten Haushaltszahlen vorstellt. Belasse es bei einer Katzenwäsche.

Donnerstag, 7.25 Uhr
Meine Frage, ob wir noch etwas frühstücken sollen, wird abschlägig beschieden. Stattdessen schickt mich die Freundin auf die Straße, um nach einem Taxi Ausschau zu halten.

Donnerstag, 7.31 Uhr
Bitte den Taxifahrer, er möge die Straßenverkehrsordnung als wohlgemeinte Empfehlung für Fahrverhalten und nicht als zwingend zu befolgende gesetzliche Vorschrift interpretieren.
Er schaut so verständnislos wie ich früher im Matheunterricht beim Versuch, Differenzialgleichungen zu lösen. Erkläre ihm, er könne mit einem saftigen Trinkgeld rechnen, wenn er uns schnellstmöglich ins Krankenhaus bringt. Das Angebot überzeugt den Fahrer, er rast in einem atemberaubenden Tempo los. Nach mehreren dunkelorangen Ampeln, suizidalen Überholmanövern und missachteten Rechts-vor-links-Situationen bin ich um Jahre gealtert, und wir erreichen das Krankenhaus.

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Wehe, wenn die Wehen (nicht) kommen

Es sind nur noch zwei Wochen bis zum errechneten Entbindungstermin, über den Namen wurde gegrübelt, die wichtigsten Anschaffungen sind getätigt und auch den Geburtsvorbereitungskurs haben wir halbwegs unbeschadet absolviert. Sitze nun entspannt mit der hochschwangeren Freundin im Kino. Nicht weil uns der Film – eine Actionkomödie mit weniger Niveau als eine Unterhaltung im Dschungelcamp – wirklich interessiert, sondern weil wir es (noch) können.

Pünktlich zum Start des cineastischen Machwerks setzt bei der Freundin ein Ziehen in der Bauchgegend ein, was sie als Einsetzen der Wehen interpretiert. Bewahre aufgrund meines angelesenen Wissens aus verschiedenen Schwangerschaftsbüchern absolute Ruhe und erkläre der Freundin in leicht altklugem Duktus, dass zwischen den Wehen und der eigentlichen Geburt viele Stunden lägen. Außerdem hätten wir mehr als 20 Euro für Kinokarten und überteuerten Süßkram ausgegeben. Meines Erachtens alles Gründe, die dafür sprächen, sich den Film erstmal in Ruhe anzuschauen. Eine Einschätzung, die von der Freundin nur bedingt geteilt wird. Weiterlesen

Betablocker zum Muttertag

Du weißt, es ist Muttertag, wenn die Kinder Frühstück machen und du Kaffee trinkst, der so stark ist, dass du Betablocker nehmen musst, um dem sicheren Herztod zu entgehen!

Muttertag-Gutschein

Muttertagsgruß Sohn

Eltern-Sprech

Manchmal sind Eltern im Sinne eines harmonischen Miteinanders gezwungen, Aussagen gegenüber ihren Kindern diplomatisch zu verklausulieren. Das Müttermagazin hat auf seiner Facebook-Seite eine hübsche Gegenüberstellung gepostet, was Eltern zu ihren Kindern sagen und was sie eigentlich meinen.

Eltern-Sprech

Ich finde, diese Liste kann noch ein wenig ergänzt werden:

Was Eltern sagen Was Eltern meinen
Zuviel Schokolade ist ungesund. Wir essen die später vor dem Fernseher.
Das ist aber ein schönes Bild. Nicht jedes Kind muss Malen können.
Schlaf’ gut und träum‘ schön. Schlaf‘ heute Nacht gefälligst in deinem eigenen Bett.
Das tut gar nicht weh. Was bin ich froh, dass ich keine Spritze bekomme.
Geh’ doch mal raus zum Spielen. Ich will meine Ruhe haben und im Internet surfen.
Der Schwimmkurs macht bestimmt Spaß. Zum Glück muss ich nicht in die vollgepullerte Brühe springen.
Ich bin immer gerne mit meinen Eltern gewandert. Das war die absolute Hölle.
Hasi schläft nur. Der alte Rammler ist sowas von mausetot.

Weitere Vorschläge sind gerne willkommen!

Geburtsvorbereitung in der Eso-Hölle

Nach der überaus kostenintensiven Anschaffung aller nötigen und insbesondere unnötigen Babyaccessoires und –utensilien steht die verstärkte Auseinandersetzung mit der allmählich nahenden Geburt an. Nachdem die Lektüre von Büchern wie „HypnoBirthing. Der natürliche Weg zu einer sicheren, sanften und leichten Geburt“ und „Lass es raus. Die freie Geburt“ nur zu einem begrenzten theoretischen Erkenntnisgewinn führte, beschließen wir praktische Tipps in einem entsprechenden Geburtsvorbereitungskurs zu sammeln. Wir wählen ein zweitägiges Wochenendseminar in einem nahegelegenen Geburtshaus aus.

Bei der Ankunft im Geburtshaus fällt mir auf, dass es sich um einen stark esoterisch angehauchten Vorbereitungskurs handelt. Unmittelbar nach Überschreiten der Türschwelle rennen wir in eine olfaktorische Wand aus Patchouli-Duft gemischt mit Vanille-Aromen und Knoblauchausdünstungen, die eine Kombination aus Atemnot und Augentränen hervorruft wie bei der Besteigung des Nanga Parbat ohne Sauerstoffflaschen.

Stelle beim Blick auf die anderen Kursteilnehmer mit Erstaunen fest, dass im links-alternativen Milieu das Tragen von Batik-Hemden und weiten gemusterten Stoffhosen anscheinend immer noch sozial akzeptiert ist. Eine modische Kombination, der ich – wie ich beschämt zugegeben muss – während meines Zivildienstes selbst nicht abgeneigt war, die aber fast zehn Jahre später den Wunsch nach einer spontanen Erblindung aufkommen lässt.

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Moabiter Begegnungen: Am Pfandautomat

Frau (leicht debil, versucht erfolglos Plastikflaschen im Automaten zu versenken): „Grummel, brummel!“

Der Automat (Annahme beharrlich verweigernd): „Trööt!“

Ich (höflich-hilfsbereit im Zivi-Modus): „Sie müssen den Strichcode nach oben drehen, sonst erkennt der Automat die Flaschen nicht.“

Frau (immer noch leicht debil): „Halt die Fresse!“

Gern geschehen. Man hilft, wo man helfen kann!

Für das Baby nur das Beste (Teil 2)

Für das Baby nur das Beste (Teil 1)

Hieven die erstaunlich schwere Matratze in den Einkaufswagen und legen gleich noch drei Spannbettlaken, zwei Babyschlafsäcke und ein Schaffell dazu. Stellen dabei überrascht fest, dass sich in dem Wagen eine Wickelauflage, ein paar Molton-Tücher sowie eine Babybadewanne befinden. Können uns nicht erinnern, sie in den Wagen gelegt zu haben. Entscheiden uns dennoch dafür, sie im Wagen zu belassen, da sie allesamt das Kriterium der elementaren Erstausstattung zu erfüllen scheinen.

Die Verkäuferin fragt uns, ob wir uns bereits Gedanken um ein Mobile für das Bett gemacht hätten. Wir müssen die Frage beschämt verneinen. Erhalten dafür ein kenntnisreiches Kurzreferat über die existenzielle Bedeutung optischer Reize für die kognitive Entwicklung des Säuglings. Wage einzuwenden, eine Kuh, ein Esel, ein Schaf, ein Pferd und ein Huhn, die zu „Old McDonald had a farm“ im Kreis tanzen, förderten vielleicht weniger die frühkindliche Gehirnentwicklung, sondern ebneten vielmehr den direkten Weg ins Unterschichtenfernsehen zum DSDS-Casting inklusiver öffentlicher Bloßstellung durch Dieter Bohlen. Ernte dafür einen fassungslosen Blick der Verkäuferin, als hätte ich soeben verkündet, unser Kind im Rahmen eines sozialpsychologischen Experiments ohne jeglichen sozialen Kontakt in einer dunklen Kammer aufwachsen lassen zu wollen. Verfrachte schleunigst zwei Mobiles in unseren Einkaufswagen, um den eher unvorteilhaften Eindruck der Verkäuferin zu zerstreuen.

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Für das Baby nur das Beste (Teil 1)

Haben vor einigen Tagen bei der Frauenärztin ultraschallenderweise erfahren, dass wir tatsächlich Eltern werden. Nachdem wir mit der Namenswahl noch nicht so recht weiter gekommen sind, besprechen wir nun, welche notwendigen Anschaffungen für das Baby zu tätigen sind. Wir wollen nicht, dass es uns wie den Freunden ergeht, deren Shoppingtour für die Baby-Erstaustattung derart aus dem Ruder lief, dass sie an der Kasse zur Begleichung ihrer Einkäufe einen Kleinkredit der örtlichen Sparkasse aufnehmen mussten. Weiterlesen