Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.
17. Mai 2021, Berlin
Der heutige Montag steht bei uns ganz im Zeichen der Bildung. Also, nicht bei allen von uns, aber zumindest bei den Kindern. Der Sohn muss zu seinem Missfallen das Haus verlassen, um zu seinem noch größeren Missfallen zur Schule zu gehen, wo er zu seinem größten Missfallen Englisch schreibt.
Damit hat er es immer noch besser erwischt als seine Schwester. Die muss in die Schule, um als Teil ihrer Abiturprüfung ihre BLL-Arbeit zu verteidigen, die sie zu dem nicht gerade heiteren Thema „Aktion T4 – Wegbereiterin des Holocaust?“ geschrieben hat.
Als die Kinder nachmittags nach Hause kommen, sind beide zufrieden. Die Tochter meint, die Prüfung sei gut gewesen und sie konnte alle Fragen beantworten. Die Note bekommt sie aber erst nächste Woche.
Der Sohn findet, die Arbeit sei sehr gut gelaufen. Was allerdings nicht zwangsläufig bedeutet, dass er eine 1 bekommen wird. Er ist nun mal der stets positiv denkende „Das Glas ist voll“-Typ. Und zwar unabhängig davon, wie viel Wasser sich in dem Glas befindet.
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Nachmittags habe ich meinen Impftermin. Nach einer circa 20-minütigen Radfahrt komme ich im Ärztehaus an, wo alles generalstabsmäßig durchorganisiert ist. Ich melde mich an, warte knapp fünf Minuten, werde geimpft, muss mich noch fünfzehn Minuten im Wartebereich aufhalten, für den Fall, dass eine allergische Reaktion auftritt, und schon ist meine Erstimpfung erledigt.
Anschließend radle ich extrem vorsichtig nach Hause. Die Wahrscheinlichkeit, nach der AstraZeneca-Impfung eine Sinusvenenthrombose zu erleiden, liegt bei ungefähr 1 bis 2 zu 100.000, das Risiko eines tödlichen Verkehrsunfalls dagegen bei circa 1 zu 16.000. Deswegen fahre ich äußerst vorausschauend, stoppe bei jeder roten Ampel und halte mich auch ansonsten penibel an alle Verkehrsvorschriften. Es wäre doch eine Schande, wenn ich die Impfung problemlos vertrüge und mich dann auf dem Heimweg ein LKW überfährt.
18. Mai 2021, Berlin
Ich wache nachts um zwei Uhr auf. Nachdem es mir gestern Nachmittag noch blendend ging, schmerzt jetzt mein linker Arm, in den ich geimpft wurde, als hätten die Klitschko-Brüder – warum auch immer – eine Wir-boxen-dem-Christian-auf-den-Oberarm-Challenge absolviert. Außerdem bin ich durchgeschwitzt, habe Kopfschmerzen und Muskelschmerzen. Oder um es positiv auszudrücken: Mein Immunsystem setzt sich mit dem Impfstoff auseinander und lädt das Anti-Corona-Update hoch.
19. Mai 2021, Berlin
Wir werden morgens durch das inzwischen obligatorische Taubengegurre geweckt. Diesmal aber aus einem erfreulichen Grund – zumindest wenn du dich an einer Vergrößerung der Berliner Taubenpopulation erfreust: Frau Taube hat ein Ei gelegt und verkündet dies der Nachbarschaft lautstark. Herr Taube organisiert derweil wahrscheinlich Partner-T-Shirts mit dem Aufdruck „Wir sind schwanger!”
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Nachmittags bringt der DHL-Kurier ein Paket, auf dem in großer Schrift “kühl lagern” steht. Es ist eine Cream-Tea-Box eines englischen Spezialitätenladens aus Berlin bestehend aus acht Scones, vier Gläschen mit Erdbeermarmelade, vier Gläschen mit Clotted Cream sowie diversen Teebeutel mit English Breakfast Tea. Allerdings enthält das Paket keinerlei Hinweis darauf, wer uns diese Köstlichkeiten hat zukommen lassen. Wir haben die Sachen auf jeden Fall nicht bestellt. Zumindest können wir uns nicht daran erinnern.
Manchmal – zum Glück sehr selten – kommt es vor, dass mir Firmen ungefragt Produkte zuschicken, in der Hoffnung, dass ich darüber schreibe. Die Sachen schmeiße ich aber immer weg. Erstens will ich mir meine Unabhängigkeit bewahren, zweitens bin ich glücklicherweise finanziell nicht darauf angewiesen und drittens habe ich keine Lust, Beiträge zu verfassen, die von lustigen Fingermalsets mit leuchtenden Farben handeln, die nicht nur paraben-, sondern auch laktose- und glutenfrei sind. Und vegan. (Falls das Kind beim Malen der kleine Hunger überkommt, kann es ohne Bedenken einfach drauflosessen.)
Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass dieser englische Spezialitätenladen uns das Päckchen aus Marketinggründen geschickt hat. Das macht bei einem Familienblog ja inhaltlich gar keinen Sinn. (Oder hat da jemand meine Ausführungen über meine bizarren kindlichen Schwärmereien für das englische Königshaus gelesen und dachte sich: „Bingo! Dem schicken wir ein kleines Fress-Paket.“)
Die leckeren Sachen wegzuschmeißen, wäre aber eine Schande. Wir beschließen daher, dass es uns egal ist, wer sie uns mit welcher Intention geschickt hat, und legen eine kleine Tea Time ein. Schließlich wollen wir uns nicht der Lebensmittelverschwendung schuldig machen. Und außerdem sind wir verfressen.
Die Scones, die Marmelade, die Clotted Cream und der Tee sind köstlich. Später stellt sich heraus, dass meine Eltern uns die Box geschickt haben, nachdem meine Mutter in der Brigitte davon gelesen hat. Also doch keine Marketing-Aktion des englischen Spezialitätenladens. Es sei denn, dort hat jemand von der Brigitte-Leidenschaft meiner Mutter gelesen und dachte sich: „Da platzieren wir einen Beitrag, dann sieht die Mutter das, die schickt ihrem Sohn ein English-Tea-Time-Set und wir bekommen eine Erwähnung auf seinem Blog.”
In diesem Fall: Well played, englischer Spezialitäten laden, well played!
20. Mai 2021, Berlin
Heute Nacht hatte ich den wohl weirdesten Traum meines Lebens. (Und das, obwohl ich als Kind mehr als einmal geträumt habe, dass mich Franz Beckenbauer zur Schule bringt.) In dem Traum befand ich mich im Haus meiner Eltern im Westerwald, wo sich eine Gruppe von Zwergflughunden über dem Küchenfenster eingenistet hat. Wohlgemerkt nicht an der Außenwand, sondern in der Küche selbst und ohne dass meine Eltern es mitbekommen haben. Ob mein Unterbewusstsein mir – oder meinen Eltern – damit eine subtile Botschaft übermitteln möchte, vermag ich nicht zu sagen.
Kurze Zeit später schwebt dann eine Gruppe farbenfroher Aquarienzierfische durchs Wohnzimmer. Allerdings nicht ein paar kleine, possierliche Aquarienzierfische, sondern Fische in der Größe von Langspielplatten. Auch hier ist mir vollkommen schleierhaft, was mir mein Unterbewusstsein damit sagen möchte.
Schließlich tauchten in dem Traum noch ein paar Kleinkinder auf, die mit jedem Schritt, den sie sich von einem entfernten, älter werden, bis sie nach einer Strecke von knapp 50 Metern erwachsen sind. Hier ist die Traumdeutung wiederum recht einfach: So verarbeitet mein Unterbewusstsein wahrscheinlich, dass die Tochter gerade Abitur macht, dieses Jahr 18 wird und ihren Auszug plant. Wobei das irgendwie so plump ist, dass ich ein wenig enttäuscht von meinem Unterbewusstsein bin.
Vielleicht ist dieser leicht psychedelische Traum, bei dem anscheinend David Lynch Regie geführt hat, aber gar nicht das Resultat meines den Alltag verarbeitenden Unterbewusstseins, sondern ein Effekt meiner Corona-Impfung. Allerdings bin ich mir unsicher, ob es eine unerwünschte Nebenwirkung oder ein added benefit ist.
21. Mai 2021, Berlin
6 Uhr und ich werde von unserem Radio-Wecker aus dem Schlaf gerissen. Das ist sehr ungewöhnlich, haben das in den letzten Wochen doch die dauergurrenden Tauben übernommen. (Allerdings schon eine Stunde früher.)
Es ist aber keine Taube zu sehen und in dem Nest liegt nur das einzelne Ei. Das ist ebenfalls ungewöhnlich, denn normalerweise legen Tauben innerhalb von 24 Stunden ein zweites Ei. Nicht dass Sie mich jetzt für einen großen Taubenexperten oder gar den Ersten Vorsitzenden des Taubenzüchtervereins Moabit Gurr-Gurr 1893 e.V. halten: Ich habe mir das im Internet angelesen. Dort stand übrigens auch, dass Tauben monogam leben und ihr ganzes Leben mit der gleichen Partnerin beziehungsweise dem gleichen Partner zusammenbleiben. Awww!
Vielleicht sollte ich einen Tauben-Liebesroman schreiben. Hier ein paar mögliche Titel:
- Dove in Love
- Keinohrtaube
- Bridget Taube: Dönerabfälle zum Frühstück
- Tatsächlich … Taube
- Fifty Shades of Taubenshit
22. Mai 2021, Berlin
In meinem Spam-Postfach entdecke ich eine Mail, die mich darüber informiert, dass die URL www.dönerladen.de zum Verkauf steht. Ich überlege kurz. Wenn mein Blog unter www.dönerladen.de liefe, brächte mir das sicherlich die größtmögliche Bewunderung meiner Kinder ein. (Zumindest in dem begrenzten Rahmen, der es Jugendlichen ermöglicht, ihre Eltern zu bewundern.)
Andererseits habe ich überhaupt keinen dönerladenrelevanten Inhalt auf dem Blog. Außer die Dönerläden von der Turmstraße schicken mir alle nacheinander ein Döner-Mittags-Paket, damit ich darüber schreibe. Dann wäre das mit meinem neuen Blog www.dönerladen.de eine runde Sache. Allerdings möchte ich mich natürlich auch nicht dem Vorwurf der kulturellen Aneignung aussetzen. Also verwerfe ich die Idee und lösche die Mail schweren Herzens.
23. Mai 2021, Berlin
Nachdem sich der Sohn Freitagabend den Daumen verletzt hat und es bisher zu keiner Spontanheilung kam, fährt die Frau heute Vormittag mit ihm in die Notaufnahme. Die Diagnose: Gebrochen. Für die nächsten zwei Wochen muss der Sohn nun eine Gipsschiene tragen. An der rechten Hand. Das ist natürlich total nervig. Vor allem, weil er Linkshänder ist und jetzt trotzdem nächste Woche Latein schreiben muss.
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Traurige Nachrichten aus der Taubenwelt. Das Nest ist leer. Nachdem sich die Taubeneltern nicht weiter um das Ei gekümmert haben, hat sich anscheinend ein Nesträuber einen kleinen Snack geholt. Der Baum vor unserem Fenster scheint kein guter Platz zu sein, um eine Tauben-Familie großzuziehen. Letzten Sommer hat das Taubenpärchen schon einmal hier genistet und die Eier sogar ausgebrütet.
Um die Geschichte abzukürzen: Die Taubenküken, der Habicht, hurz!
Kann seit dem 21. März bestellt werden. Muss aber nicht. Wäre aber trotzdem schön. (Affiliate-Link)
Christian Hanne, Jahrgang 1975, hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und zu viel “Nackte Kanone” geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September erscheint sein neues Buch “Papa braucht ein Fläschchen”. Ebenfalls mehr als zu empfehlen sind “Hilfe, ich werde Papa! Überlebenstipps für werdende Väter”, “Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit” sowie “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith”*. (*Affiliate-Links)
LIEBE!!
Naja, bis zum letzten Absatz halt.
Hurz
Cream-Tea-Paket ist ja MEGA.
Gute Besserung an den Sohn.
🕊💔
Kruzifix, ich google mir hier den Wolf und finde besagtes Spezialitäten-Geschäft nicht. Dabei hätte ich auch gern so ein leckeres Cream-Tea-Paket und würde es im Gegensatz zum Familienbetrieb sogar selbst bezahlen – kann mir jemand das passende Stichwort liefern? Vielen Dank!
Here you are: http://britain-ireland-tours.de/
Es ist eigentlich ein Reisebüro, dass auch diese Cream-Tea-Boxen (und Biscuits) im Angebot hat.
Hört sich sehr lecker an, ich hab bestellt….
Moin,
die Statistik zu den tödlichen Unfällen im Straßenverkehr würde mich interessieren. Ich glaube kaum, dass die Wahrscheinlichkeit auf die einmalige Fahrt an diesem Tage gerechnet ist, oder? Gleichsam ist die Wahrscheinlichkeit für die Thrombosen auf eine ein- (bzw. zweimalige) Impfung gerechnet.
LG Anne
Das stimmt wohl. Die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls muss auf 20 Minuten runtergerechnet werden. Dafür ist bisher meines Wissens noch kein Fall bekannt, bei dem ein 45-jähriger Mann, der im Westerwald aufgewachsen ist, in Berlin wohnt, verheiratet ist und zwei Kinder hat, nach einer Impfung mit AstraZeneca eine Sinusvenen-Thrombose erlitten hat. Somit liegt das Risiko für mich statistisch gesehen bei 0. Außer bei mir tritt eines solche Thrombose auf. Dann lag es bei 100.