Eine kleine Wochenschau | KW27-2023

Zum Sonntagabend gibt es meine semi-originellen Gedanken und semi-spannenden Erlebnisse aus der abgelaufenen Woche. Manchmal banal, häufig trivial, meistens egal.


03. Juli 2023, Berlin

Heute ist Schmeichle-deinem-Spiegelbild-Tag. Umgekehrt würde mir der Tag erheblich besser gefallen. Wenn mir mein Spiegelbild schmeicheln müsste. Stattdessen muss ich tagein, tagaus, mir jeden Morgen im Bad einen weißbärtigen Mann anschauen, der für den älteren Bruder meines Vaters gehalten werden könnte. Und die Zähne muss ich ihm auch noch putzen. Danke für nichts, Spiegelbild.

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Der Sohn ist gestern Abend gut in Paris angekommen. Von Unruhen keine Spur. Zumindest nicht auf den Bildern, die er uns schickt.

Meine Frau und ich sind dennoch besorgt. Warum schickt der Sohn Fotos, ohne dass wir ihn vorher dazu aufgefordert haben? Das ist sehr ungewöhnlich. Ob es ihm gut geht? Vielleicht will er auch schonmal für gute Stimmung sorgen, falls sein Kursfahrt-Taschengeld nicht ausreicht und er uns später um einen kleinen Zuschuss bitten muss.

04. Juli 2023, Berlin

Post vom Finanzamt. Das bedeutet meistens nichts Gutes. Entweder sollst du Geld bezahlen oder irgendwelche Informationen nachreichen. Und in der Regel sind die Briefe in so unverständlichem Beamten-Verwaltungssprech gehalten, dass du nach dem Lesen unter Umständen nicht einmal weißt, ob du jetzt Geld zahlen oder Informationen schicken musst.

Bei mir geht es um das Arbeitszimmer. Das konnte ich in der Steuererklärung fürs letzte Jahr erstmals als absetzfähige Ausgabe angegeben. Nun hat die für mich zuständige Finanzbeamtin dazu ein paar Fragen. Ob das Arbeitszimmer der Mittelpunkt meiner beruflichen Tätigkeit ist, wie viel Zeit ich darin verbringe, ob mir noch ein anderes Arbeitszimmer zur Verfügung steht, wie groß das Arbeitszimmer und wie groß unsere Wohnung ist, wie viel Miete wir bezahlen und so weiter und so fort.

Wenn ich mich recht erinnere, habe ich das alles schon bei der Steuererklärung angegeben. Kann aber gut sein, dass ich mich täusche. Für gewöhnlich vergesse ich sofort alles, was mit der Steuererklärung zu tun hat, sobald ich sie abgeschickt habe. Das ist wie eine Mischung aus Katharsis und Selbstfürsorge. Von daher kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob ihr diese ganzen Arbeitszimmerinformationen eigentlich schon vorliegen.

Wie erwartet, verstehe ich nur die Hälfte des Briefes. Einige Fragen scheinen sich zu doppeln, in anderen stehen so viele Paragraphen und Gesetzesverweise, dass ich Schwierigkeiten habe, Subjekt, Prädikat und Objekt zu finden, und es werden verwirrende Fettungen, Unterstreichungen und Kursivschriften verwendet, bei denen mir unklar bleibt, was damit hervorgehoben werden soll. Nun habe ich einen Hochschulabschluss und bin zwar sicherlich nicht die klügste Person auf Erden, aber wahrscheinlich auch nicht unterdurchschnittlich intelligent. Wenn ich solche Briefe schon nicht verstehe, wie ergeht es dann erst Menschen mit einem niedrigeren Bildungsstand als mir. (Ich möchte nicht ausschließen, dass die über eine höhere praktische Alltagsintelligenz als ich verfügen und solche Schreiben ohne jegliche Probleme lesen.)

Eine Aufforderung des Briefes ist allerdings unmissverständlich (und besonders nervig): Ich soll einen Grundriss unserer Wohnung anfertigen, in der das Arbeitszimmer farblich zu kennzeichnen ist. Da ich keine Lust auf Malen nach Zahlen habe und außerdem bis zum 19. Juli Zeit habe, die Fragen zu beantworten, packe ich den Finanzamtsbrief erstmal auf meinen nicht existenten Wiedervorlage-Stapel.

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Der Sohn schickt weitere Bilder aus Paris. Eine Serie von Selfies von ihm und seinen Zimmernachbarn mit dem Who-is-who der Pariser Sehenswürdigkeiten im Hintergrund: Seine, Eiffelturm, Montparnasse, Montmartre und Louvre.

Auch was die Kleidung angeht, gehen die Jungs tourimäßig all in: Sie tragen alle schwarze I love Paris-T-Shirts.

Bisher kommt noch keine Frage nach finanziellem Nachschub.

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Die Tochter ist ebenfalls fotografisch aktiv. Sie schickt uns ein Bild aus Irland mit zwei Regenbögen. Ob sie auch Geld benötigt? Vielleicht kann sie erstmal am Ende der Regenbögen nach einem Topf Gold suchen.

05. Juli 2023, Berlin

Die Tochter fliegt heute nach Chicago. Dort besucht sie für zwei Wochen die „Americans“, die sie Anfang des Jahres an der Uni in Carlow kennengelernt und mit denen sie bis zu deren Abreise im Mai sehr viel Zeit verbracht hat. Anscheinend aber noch nicht genug. Daher bat sie uns vor ein paar Wochen, ihre noch ausstehenden Geschenke zum Abitur und zu ihrer Volljährigkeit, die allesamt Corona zum Opfer gefallen waren, in ein Flugticket in die USA umzuwandeln, was wir als vorbildliche Eltern bereitwillig taten.

Zur Optimierung der Reisekosten hat sie auf einen Direktflug verzichtet und nimmt einen Umstieg und dreistündigen Aufenthalt in Reykjavík in Kauf. Auf dem Anschlussflug nach Chicago hat sie WLAN an Board. Das ist einerseits ein ziemlicher Komfort, aber andererseits fühlt es sich irgendwie falsch an, dass die Tochter aus dem Flugzeug WhatsApp-Nachrichten schreibt.

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Die Bilder-Flut des Sohns hat inzwischen drastisch abgenommen. Seit gestern Vormittag kam kein Foto mehr von ihm. Ich sehe das als Zeichen, dass es ihm gut geht.

Außerdem postet er auf Instagram fleißig Stories. Somit wissen wir, dass er physisch unversehrt ist.

06. Juli 2023, Berlin

Heute ist Internationaler Tag des Kusses und zugleich Nationaler Brathähnchen Tag. Da stellt sich die Frage, in welcher Reihenfolge diese Tage zelebriert werden sollen. Zuerst küssen und dann ein Brathähnchen verzehren oder lieber umgekehrt? Oder beide Tage fusionieren und ein Brathähnchen küssen?

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Die Tochter ist gut in Chicago gelandet. Ob sie zur Begrüßung geküsst wurde, wissen wir nicht.

07. Juli 2023, Berlin

Die lange erwartete Nachricht des Sohns erreicht uns. Es wäre hilfreich, wenn wir sein Konto mit einer kleinen Aufstockung bedenken könnten, damit er am letzten Tag in Paris keinen Hunger leiden müsste. Außerdem gingen sie heute Abend in eine Karaoke-Bar und da würde von allen ein finanzieller Beitrag erwartet.

Da wir nicht wollen, dass der Sohn vor seinen Freuden als Schmarotzer dasteht und er außerdem mit gefülltem Magen mitsingen soll, überweist die Frau ihm den erbetenen Betrag. Ich frage mich derweil, ob der Sohn möglicherweise im Sinne einer ausschweifenderen Abendgestaltung auf das Mittagessen verzichten wird.

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